Verhandlungstermin am 7. Mai 2025 um 10:00 Uhr in Sachen I ZR 74/24 (Bonus auf verschreibungspflichtige Arzneimittel)

Verhandlungstermin am 7. Mai 2025 um 10:00 Uhr in Sachen I ZR 74/24 (Bonus auf verschreibungspflichtige Arzneimittel)

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Mitteilung der Pressestelle


Nr. 24/2025

Verhandlungstermin am 7. Mai 2025 um

10:00 Uhr in Sachen I ZR 74/24 (Bonus auf

verschreibungspflichtige Arzneimittel)

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Zulässigkeit der Gewährung von Bonusprämien bei der Ausgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch eine im EU-Ausland ansässige Versandapotheke zu entscheiden.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein Verband, der die berufsständischen Interessen der in Bayern ansässigen Apotheker vertritt. Die Beklagte ist ein in den Niederlanden ansässiges Pharmaunternehmen. Sie reimportierte in den Jahren 2012 und 2013 verschreibungspflichtige Medikamente, die ihr von deutschen Pharmagroßhändlern geliefert wurden, indem sie diese nach Einreichung einer entsprechenden ärztlichen Verschreibung per Post an in Deutschland ansässige Patienten abgab. Die Beklagte warb zum einen damit, Patienten bei der Einlösung eines Rezepts einen direkt mit dem Rechnungsbetrag verrechneten Bonus in Höhe von 3 € pro Medikament, insgesamt aber höchstens 9 € pro Rezept, zu zahlen. Zum anderen warb die Beklagte damit, bei der Einlösung eines Rezepts eine Prämie in einer Höhe von bis zu 9 € zu zahlen, wenn der Patient sich bereit erklärte, durch Ausfüllen eines Formulars oder durch Beantwortung von Fragen im Rahmen eines Telefonats einen Arzneimittelcheck zu absolvieren.

Der Kläger ist der Auffassung, die Gewährung von Boni verstoße gegen die Arzneimittelpreisbindung und sei wettbewerbswidrig. Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung sowie auf Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, dem Kläger stünden gegen die Beklagte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wegen Verstoßes der angegriffenen Werbemaßnahmen gegen Vorschriften zur Arzneimittelpreisbindung zu. Die von der Beklagten gewährten Boni stellten sich aus Sicht der angesprochenen Kunden als unmittelbarer Preisnachlass auf den eigentlichen Apothekenabgabepreis dar und verstießen gegen § 4 Nr. 11 UWG aF sowie § 3a UWG in Verbindung mit § 78 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 2 Arzneimittelgesetz (AMG) aF und § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) sowie gegen § 129 Abs. 3 Satz 3 SGB V. Diese Regelungen zur Arzneimittelpreisbindung seien nicht wegen Verstoßes gegen die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34, 36 AEUV) unionsrechtswidrig. Zwar habe der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass die in § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG aF vorgesehene Arzneimittelpreisbindung eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne des Art. 34 AEUV darstelle und nicht gemäß Art. 36 AEUV mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt werden könne, weil sie nicht geeignet sei, die mit der Regelung angestrebten Ziele zu erreichen (EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016, C-148/15, GRUR 2016, 1312 – Deutsche Parkinson Vereinigung). Dieses Urteil entfalte im Streitfall jedoch keine Bindungswirkung, weil die an der Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der Regelung bestehenden Zweifel unter Berücksichtigung des im Verfahren erfolgten Parteivortrags und einer von der Bundesregierung eingeholten Auskunft sowie mit Blick auf die dem Gesetzgeber im Bereich der Gesundheitspolitik zustehende weite Einschätzungsprärogative ausgeräumt worden seien.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Vorinstanzen:

LG München I – Urteil vom 13. März 2014 – 11 HK O 12091/13

OLG München – Urteil vom 7. März 2024 – 6 U 1509/14

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4 Nr. 11 UWG aF (gültig bis zum 9. Dezember 2015)

Unlauter handelt insbesondere, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

§ 3a UWG (gültig seit dem 10. Dezember 2015)

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 78 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 2 AMG aF (gültig bis zum 14. Dezember 2020)

(1) […] Die Arzneimittelpreisverordnung, die auf Grund von Satz 1 erlassen worden ist, gilt auch für Arzneimittel, die gemäß § 73 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden.

(2) […] Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten. […]

§ 129 Abs. 3 Satz 3 SGB V (gültig seit dem 15. Dezember 2020)

(3) […] Bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte als Sachleistungen sind Apotheken, für die der Rahmenvertrag Rechtswirkungen hat, zur Einhaltung der in der nach § 78 des Arzneimittelgesetzes erlassenen Rechtsverordnung festgesetzten Preisspannen und Preise verpflichtet und dürfen Versicherten keine Zuwendungen gewähren. […]

Art. 34 AEUV

Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten.

Art. 36 AEUV

Die Bestimmungen der Artikel 34 und 35 stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.

Karlsruhe, den 4. Februar 2025


Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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