T-755/18 – FL Brüterei M-V u.a./ Kommission
BESCHLUSS DES GERICHTS (Neunte erweiterte Kammer)
20. August 2020(*)
„Nichtigkeits- und Schadensersatzklage – Ökologische/biologische Landwirtschaft – Tierische Erzeugung – Ausnahmen von den Produktionsvorschriften wegen Nichtverfügbarkeit ökologischer/biologischer Betriebsmittel – Verwendung nichtökologischer/nichtbiologischer Tiere – Verlängerung des Anwendungszeitraums für die Ausnahmen von den Produktionsvorschriften – Keine unmittelbare Betroffenheit – Kein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht – Teilweise offensichtlich unzulässige und teilweise offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrende Klage“
In der Rechtssache T‑755/18
FL Brüterei M-V GmbH mit Sitz in Finkenthal (Deutschland),
Erdegut GmbH mit Sitz in Finkenthal,
Ökofarm Groß Markow GmbH mit Sitz in Lelkendorf (Deutschland),
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H. Schmidt,
Klägerinnen,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch A. Dawes, B. Eggers und B. Hofstötter als Bevollmächtigte,
Beklagte,
betreffend zum einen eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1584 der Kommission vom 22. Oktober 2018 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen hinsichtlich der ökologischen/biologischen Produktion, Kennzeichnung und Kontrolle (ABl. 2018, L 264, S. 1), sowie zum anderen eine Klage nach Art. 268 AEUV auf Ersatz erstens des Schadens, der den Klägerinnen aufgrund des Erlasses der genannten Vorschrift entstanden sein soll, und zweitens des Schadens, der der FL Brüterei M‑V dadurch entstanden sein soll, dass die Kommission nicht dafür gesorgt habe, dass die niederländischen Behörden Art. 42 der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 der Kommission vom 5. September 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen hinsichtlich der ökologischen/biologischen Produktion, Kennzeichnung und Kontrolle (ABl. 2008, L 250, S. 1) einhalten,
erlässt
DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas, der Richterinnen M. J. Costeira und M. Kancheva (Berichterstatterin), des Richters B. Berke und der Richterin T. Perišin,
Kanzler: E. Coulon,
folgenden
Beschluss
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1 Die Klägerinnen, die FL Brüterei M‑V GmbH, die Erdegut GmbH und die Ökofarm Groß Markow GmbH, sind deutsche Unternehmen, die in der Produktion ökologischer/biologischer Küken (im Folgenden: Ökoküken) tätig sind.
2 Erdegut und Ökofarm Groß Markow sind landwirtschaftliche Betriebe, die Bio-Elterntiere zum Zweck der Produktion von Bruteiern halten, die zu Ökoküken ausgebrütet werden können. Dabei handelt es sich um Küken, die nach ihrer genetischen Disposition zur ökologischen/biologischen Junglegehennenhaltung passen. Die Eier der Unternehmen Erdegut und Ökofarm Groß Markow werden an die FL Brüterei M‑V geliefert, die auf den Ankauf von Bruteiern, das Ausbrüten von Eiern und den Verkauf der Küken an ökologische/biologische Junglegehennenhaltungen spezialisiert ist. Im Rahmen ihrer Tätigkeiten meldet die FL Brüterei M‑V die verfügbaren Bruteiermengen regelmäßig der Koordinationsstelle für Deutschland, Österreich und die Niederlande, um ihren Bestand unter Berücksichtigung des Bedarfs der Erzeuger im Hinblick auf die Schlupftermine zu planen.
3 Am 12. Januar 2016 erhob die FL Brüterei M‑V bei der Europäischen Kommission Beschwerde gegen das Königreich der Niederlande und rügte, dass dieser Staat gegen Verpflichtungen aus der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (ABl. 2007, L 189, S. 1) und aus der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 der Kommission vom 5. September 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen hinsichtlich der ökologischen/biologischen Produktion, Kennzeichnung und Kontrolle (ABl. 2008, L 250, S. 1) verstoßen habe. Sie warf den niederländischen Behörden im Wesentlichen vor, die in Art. 42 der Verordnung Nr. 889/2008 vorgesehenen Ausnahmen unberechtigterweise angewandt zu haben, um den Haltern ökologischer/biologischer Junglegehennen Genehmigungen zur Verwendung konventioneller Küken zu erteilen, statt sie im Einklang mit dieser Vorschrift zur Verwendung der auf dem Markt verfügbaren ökologisch/biologisch aufgezogenen Küken anzuhalten.
4 Am 20. Mai 2016 teilte die Kommission der FL Brüterei M‑V mit, sie habe ihre Beschwerde im Hinblick auf die Einleitung eines EU-Pilotverfahrens und die Einholung von Auskünften an die niederländischen Behörden weitergeleitet.
5 Am 7. Oktober 2016 informierte die Kommission die FL Brüterei M‑V nach Erhalt der Antwort der niederländischen Behörden, dass laut der niederländischen Kontrollbehörde für die ökologische/biologische Landwirtschaft keine Ausnahmegenehmigung im Sinne von Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 für weniger als 18 Wochen alte Junglegehennen erteilt worden sei, da genügend ökologisch/biologisch aufgezogenes Geflügel zur Verfügung gestanden habe. Was weniger als drei Tage alte Küken anbelange, habe bis vor kurzem aufgrund der nicht ausreichenden Menge dieser Art von Küken auf dem niederländischen Markt eine Gruppen-Ausnahmegenehmigung gemäß Art. 42 Buchst. a der Verordnung Nr. 889/2008 gegolten. Diese Gruppen-Ausnahmegenehmigung sei aber aufgehoben worden und inzwischen nicht mehr in Kraft. Außerdem hätten die niederländischen Behörden zugesichert, dass die Halter ökologischer/biologischer Junglegehennen von nun an nur einzeln und nur dann für eine Ausnahme nach Art. 42 der Verordnung Nr. 889/2008 in Frage kämen, wenn sie nachwiesen, dass sie nicht in der Lage seien, sich Ökoküken zu beschaffen.
6 Am 17. Oktober, am 24. Oktober und am 8. November 2016 wiederholte die FL Brüterei M‑V ihre Auskunftsersuchen gegenüber der niederländischen Kontrollbehörde für die ökologische/biologische Landwirtschaft, der Kommission und dem niederländischen Ministerium für ökologische/biologische Landwirtschaft, insbesondere hinsichtlich der Zahl der durch die niederländischen Behörden gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 889/2008 erteilten Ausnahmegenehmigungen. Am 5. Januar 2017 wandte sich die FL Brüterei M‑V diesbezüglich auch an die Europäische Bürgerbeauftragte.
7 Am 26. Januar und am 20. Juni 2017 informierte die Kommission die FL Brüterei M‑V, dass sie die niederländischen Behörden um zusätzliche Auskünfte ersucht habe und laut deren Antworten nur individuelle Ausnahmen für Halter ökologischer/biologischer Junglegehennen erteilt worden seien. Solche Ausnahmen seien gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 889/2008 vom Fehlen einer ausreichenden Menge von Ökoküken auf dem Markt abhängig. Die niederländischen Behörden hätten dargelegt, dass sie es angesichts der Unbestimmtheit von Art. 42 der Verordnung Nr. 889/2008 hinsichtlich dieses Kriteriums für ausreichend hielten, wenn Ökotierhalter nachgewiesen hätten, mindestens drei Aufzuchtbetriebe erfolglos wegen der Lieferung von Ökoküken kontaktiert zu haben. Ferner hätten die niederländischen Behörden bestätigt, dass bei allen bis dahin erteilten Ausnahmegenehmigungen drei Aufzuchtbetriebe durch die Begünstigten dieser Ausnahmen kontaktiert worden seien. Angesichts all dieser Informationen teilte die Kommission der FL Brüterei M‑V mit, dass es keine Anhaltspunkte für einen Verstoß der niederländischen Behörden gegen Art. 42 der Verordnung Nr. 889/2008 gebe und folglich kein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Königreich der Niederlande eingeleitet werde.
8 Am 6. Juli 2017 ersuchte die FL Brüterei M‑V die Kommission, ihre Einschätzung zu überdenken. Dabei machte sie insbesondere geltend, angesichts der Art und Weise, in der die niederländischen Behörden das Kriterium der fehlenden Verfügbarkeit ausreichender Mengen von Ökoküken auf dem Markt anwendeten, um Ausnahmegenehmigungen nach Art. 42 der Verordnung Nr. 889/2008 zu erteilen, könnten sich niederländische Ökotierhalter an drei beliebige Lieferanten wenden, auch wenn sie bereits wüssten, dass diese keine Ökoküken lieferten. Zudem könne der Bedarf der niederländischen Aufzüchter an Ökoküken zum Großteil durch die Produktionskapazität deutscher Brütereien wie der FL Brüterei M‑V gedeckt werden, so dass die Verfügbarkeit dieser Art von Geflügel am Markt als ausreichend angesehen werden könne. Hierfür müssten sich die niederländischen Aufzüchter nur an die in diesem Bereich tätige Koordinationsstelle wenden und die Anzahl der unweit – u. a. in Deutschland – verfügbaren Ökoküken erfragen.
9 Am 18. Dezember 2017 antwortete die Kommission der FL Brüterei M‑V und hielt im Wesentlichen an dem von ihr am 20. Juni 2017 vertretenen Standpunkt fest.
10 Am 19. Dezember 2017 sowie im Jahr 2018 wandte sich die FL Brüterei M‑V erneut an die Kommission und beantragte, das Vertragsverletzungsverfahren gegen das Königreich der Niederlande wiederzueröffnen. Am 30. Januar und am 2. Mai 2018 wiederholte die Kommission, dass es keine Anhaltspunkte für einen Verstoß des Königreichs der Niederlande gegen Unionsrecht gebe, so dass die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nicht gerechtfertigt sei.
11 Die Kommission erließ die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1584 vom 22. Oktober 2018 zur Änderung der Verordnung Nr. 889/2008 (ABl. 2018, L 264, S. 1), deren Art. 1 Nr. 4 vorsieht, dass die Anwendbarkeit der in Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 vorgesehenen Ausnahmen, die zuvor bis zum 31. Dezember 2018 galten, zum vierten Mal verlängert wird, und zwar bis zum 31. Dezember 2020 (im Folgenden: angefochtene Vorschrift). Die Durchführungsverordnung 2018/1584 trat am 12. November 2018 in Kraft.
Verfahren und Anträge der Parteien
12 Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 22. Dezember 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben. Die Klagebeantwortung, die Erwiderung und die Gegenerwiderung sind am 1. April, am 15. Mai bzw. am 2. Juli 2019 eingegangen.
13 Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 89 seiner Verfahrensordnung hat das Gericht die Parteien aufgefordert, zwei Fragen zu beantworten und bestimmte Schriftstücke vorzulegen. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.
14 Auf Vorschlag der Neunten Kammer hat das Gericht gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper verwiesen.
15 Die Klägerinnen beantragen,
– die angefochtene Vorschrift für nichtig zu erklären;
– die Kommission zum Ersatz der Schäden zu verurteilen, die durch den Erlass der angefochtenen Vorschrift und die fehlende Überwachung der Einhaltung von Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 durch die niederländischen Behörden entstanden sind.
16 Die Kommission beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
17 Ist das Gericht für die Entscheidung über eine Klage offensichtlich unzuständig oder ist eine Klage offensichtlich unzulässig oder fehlt ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage, so kann es gemäß Art. 126 der Verfahrensordnung auf Vorschlag des Berichterstatters jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.
18 Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht aufgrund der Aktenlage für hinreichend unterrichtet und beschließt, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.
19 Mit ihrer Klage begehren die Klägerinnen erstens die Nichtigerklärung der angefochtenen Vorschrift, zweitens den Ersatz des Schadens, der ihnen durch den Erlass dieser Vorschrift entstanden sein soll, und drittens den Ersatz des Schadens, der der FL Brüterei M‑V dadurch entstanden sein soll, dass die Kommission die Einhaltung von Art. 42 der Verordnung Nr. 889/2008 durch die niederländischen Behörden nicht überwacht habe.
Zum Antrag auf Nichtigerklärung
20 In Art. 263 Abs. 4 AEUV heißt es, dass jede natürliche oder juristische Person unter den Bedingungen nach den Abs. 1 und 2 dieses Artikels gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben kann.
21 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass mit der von den Klägerinnen angefochtenen Vorschrift Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 dahin gehend geändert wird, dass die darin vorgesehene Ausnahmeregelung vom 31. Dezember 2018 bis zum 31. Dezember 2020 verlängert wird. Die Durchführungsverordnung 2018/1584 ist ebenso wie die Verordnung Nr. 889/2008 nicht an die Klägerinnen gerichtet, so dass sie nicht die Adressaten dieses Rechtsakts im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV sind. Unter diesen Umständen können die Klägerinnen nur dann eine Nichtigkeitsklage gegen die Bestimmungen der Durchführungsverordnung 2018/1584 erheben, wenn diese Durchführungsverordnung entweder einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter darstellt, der sie unmittelbar betrifft und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, oder wenn sie sie unmittelbar und individuell betrifft.
22 Daher ist zunächst zu prüfen, ob die Durchführungsverordnung 2018/1584 die Klägerinnen unmittelbar betreffen kann.
23 Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Begriff der unmittelbaren Betroffenheit zum einen voraus, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung des Klägers auswirkt, und zum anderen, dass sie ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der beanstandeten Regelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt (Urteile vom 5. Mai 1998, Dreyfus/Kommission, C‑386/96 P, EU:C:1998:193, Rn. 43, und vom 10. September 2009, Kommission/Ente per le Ville Vesuviane und Ente per le Ville Vesuviane/Kommission, C‑445/07 P und C‑455/07 P, EU:C:2009:529, Rn. 45).
24 Das Gleiche gilt, wenn für die Adressaten nur eine rein theoretische Möglichkeit besteht, dem Unionsrechtsakt nicht nachzukommen, weil ihr Wille, diesem Akt Folge zu leisten, keinem Zweifel unterliegt (vgl. Urteil vom 4. Dezember 2019, Polskie Górnictwo Naftowe i Gazownictwo/Kommission, C‑342/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:1043, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
25 Hinsichtlich der ersten der beiden Voraussetzungen geht aus der Rechtsprechung hervor, dass sich eine Vorschrift unmittelbar auf die Rechtsstellung eines Einzelnen auswirkt, wenn sie seine Rechte einschränkt oder ihm Pflichten auferlegt (Urteil vom 7. Juli 2015, Federcoopesca u. a./Kommission, T‑312/14, EU:T:2015:472, Rn. 36).
26 Die bloße Tatsache, dass eine Vorschrift Einfluss auf die materielle Situation eines Klägers haben könnte, reicht demnach nicht aus, um ihn als von dieser Vorschrift unmittelbar betroffen anzusehen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 9. November 2016, Biofa/Kommission, T‑746/15, EU:T:2016:658, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
27 Desgleichen ist der Rechtsprechung zu entnehmen, dass Auswirkungen auf die Möglichkeiten, das Produkt eines Klägers zu vermarkten, wirtschaftliche Folgen sind, die nicht seine Rechtsstellung, sondern allein seine faktische Lage betreffen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 9. November 2016, Biofa/Kommission, T‑746/15, EU:T:2016:658, Rn. 37).
28 Speziell im Rahmen der Agrarpolitik lässt die Tatsache, dass eine Vorschrift bestimmte Erzeuger in eine nachteilige Handelssituation versetzt, für sich genommen nicht die Annahme zu, dass diese Erzeuger in ihrer Rechtsstellung berührt und unmittelbar betroffen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. September 2015, Confederazione Cooperative Italiane u. a./Anicav u. a., C‑455/13 P, C‑457/13 P und C‑460/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:616, Rn. 48 und 49, sowie vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 51).
29 Im vorliegenden Fall bewirkt die angefochtene Vorschrift, dass die Möglichkeit für die nationalen Behörden, Haltern ökologischer/biologischer Junglegehennen gemäß Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 die Verwendung nichtökologischer/nichtbiologischer Küken zu erlauben, um zwei Jahre verlängert wird.
30 Die angefochtene Vorschrift hat also zur Folge, dass die Möglichkeiten der Klägerinnen eingeschränkt werden, ihre Ökoküken an Halter ökologischer/biologischer Junglegehennen zu verkaufen, denen die Verwendung nichtökologischer/nichtbiologischer Küken erlaubt wurde. Gerade mit Verweis auf diese Folge und mit dem Vorbringen, die angefochtene Vorschrift hindere sie daran, „die Ökoküken als solche zu einem Mehrpreis [zu] vermarkten und die Bruteier bestimmungsgemäß für diesen Zweck [zu] nutzen“, haben die Klägerinnen im Übrigen ihre unmittelbare Betroffenheit begründet.
31 Diese Folge für die Vermarktungsmöglichkeit der Ökoküken muss jedoch in Anbetracht der oben in den Rn. 27 und 28 angeführten Rechtsprechung als wirtschaftliche Folge angesehen werden, die geeignet ist, die Klägerinnen in eine nachteilige Handelssituation zu versetzen und somit ihre faktische Lage zu berühren, nicht aber ihre Rechtsstellung.
32 Mit der angefochtenen Vorschrift wird den Klägerinnen nämlich nicht verboten, Ökoküken zu vermarkten, so dass ihr Recht auf Vermarktung ihrer Erzeugnisse unberührt bleibt.
33 Folglich hat die angefochtene Vorschrift keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Klägerinnen.
34 Zur zweiten Voraussetzung für die unmittelbare Betroffenheit ist festzustellen, dass sich die angefochtene Vorschrift, da mit ihr die Möglichkeit für die nationalen Behörden, den Haltern ökologischer/biologischer Junglegehennen gemäß Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 die Verwendung nichtökologischer/nichtbiologischer Küken zu erlauben, um zwei Jahre verlängert wird, nur dann auf die Situation der Klägerinnen auswirken kann, wenn die nationalen Behörden Haltern ökologischer/biologischer Junglegehennen die Verwendung nichtökologischer/nichtbiologischer Küken erlauben. Die Wirkungen der angefochtenen Vorschrift ergeben sich also nicht allein aus der beanstandeten Unionsregelung, sondern aus der Anwendung von Durchführungsvorschriften auf nationaler Ebene.
35 Unter diesen Umständen ist angesichts der oben in den Rn. 23 und 24 angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob die zuständige nationale Behörde bei der Durchführung der angefochtenen Vorschrift über einen Ermessensspielraum verfügt oder ob ihre Durchführung im Gegenteil entweder rein automatisch erfolgt oder keinerlei Zweifel unterliegt, weil die Möglichkeit für diese Behörde, der angefochtenen Vorschrift nicht nachzukommen, rein theoretisch ist (Urteil vom 4. Dezember 2019, Polskie Górnictwo Naftowe i Gazownictwo/Kommission, C‑342/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:1043, Rn. 42).
36 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Bestehen eines Ermessensspielraums der zuständigen nationalen Behörde insbesondere davon abhängt, ob die Ausübung der betreffenden Zuständigkeit mit der Beurteilung von Voraussetzungen verbunden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Dezember 2019, Polskie Górnictwo Naftowe i Gazownictwo/Kommission, C‑342/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:1043, Rn. 48 bis 54).
37 Im vorliegenden Fall ist die Verwendung nichtökologischer/nichtbiologischer Tiere gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 889/2008 nur möglich, „[s]oweit die Bestimmungen gemäß Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung … Nr. 834/2007 Anwendung finden“ – wobei diese Bestimmungen insbesondere die Prüfung verlangen, ob die Produktionsmittel als ökologische/biologische Erzeugnisse auf dem Markt erhältlich sind – und „vorbehaltlich der vorherigen Genehmigung der zuständigen Behörde“.
38 Folglich verleiht Art. 42 der Verordnung Nr. 889/2008 den nationalen Behörden die Befugnis, Genehmigungen für die Verwendung nichtökologischer/nichtbiologischer Tiere zu erteilen, und legt zugleich einen Rahmen für diese Befugnis fest; somit verfügen diese Behörden über einen Ermessensspielraum.
39 Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass die angefochtene Vorschrift, mit der die in Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 vorgesehene Ausnahmeregelung vom 31. Dezember 2018 bis zum 31. Dezember 2020 verlängert wird, im Sinne der oben in Rn. 23 angeführten Rechtsprechung ihren Adressaten hinsichtlich ihrer Durchführung keinerlei Ermessensspielraum lässt, so dass ihre Umsetzung rein automatisch erfolgt.
40 Daraus folgt, dass auch die zweite für die unmittelbare Betroffenheit erforderliche Voraussetzung nicht erfüllt ist und die angefochtene Vorschrift die Klägerinnen somit nicht unmittelbar betreffen kann.
41 Betrifft die vom Kläger angefochtene Vorschrift ihn nicht unmittelbar, kann aber bereits aus dieser Feststellung auf die Unanwendbarkeit von Art. 263 Abs. 4 AEUV geschlossen werden, ohne dass gegebenenfalls geprüft werden müsste, ob der betreffende Rechtsakt im Hinblick auf den Kläger Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht oder ihn individuell betrifft (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 17. Juni 2019, Fugro/Kommission, T‑317/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:424, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Folglich sind die Klägerinnen hinsichtlich der Nichtigerklärung der angefochtenen Vorschrift nicht klagebefugt.
43 Nach alledem ist der Antrag auf Nichtigerklärung als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen.
Zum Antrag auf Ersatz des Schadens, der den Klägerinnen durch den Erlass der angefochtenen Vorschrift entstanden sein soll
44 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission sei verpflichtet, den ihnen durch den Erlass der angefochtenen Vorschrift entstandenen Schaden zu ersetzen. Alle von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen für eine Schadensersatzklage nach Art. 340 AEUV seien im vorliegenden Fall erfüllt.
45 Was speziell das Fehlverhalten der Kommission anbelange, so bestehe dieses in der rechtswidrigen Verlängerung der in Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 vorgesehenen Frist für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen gemäß dieser Bestimmung. Mit dem Erlass dieser neuen Frist habe die Kommission einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Art. 22 der Verordnung Nr. 834/2007 begangen. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass die Verlängerung der Ausnahmeregelung nicht durch Bedingungen oder Anforderungen begrenzt sei, mit denen zum einen gewährleistet würde, dass die Verfügbarkeit von Ökoküken auf dem Junglegehennenmarkt im Hinblick auf ihr Einstallen in ökologische/biologische Tierhaltungseinheiten nicht nur in Bezug auf die Anbieter des nationalen Markts des fraglichen Mitgliedstaats geprüft werde, sondern auch unter Berücksichtigung der nahen Anbieter in anderen Mitgliedstaaten. Zum anderen hätte die Feststellung, dass kein ökologisches/biologisches Geflügel auf dem Markt erhältlich sei, von der Kommission an die Bedingung geknüpft werden müssen, dass eine Nachfrage an drei tatsächliche Anbieter solchen Geflügels gerichtet worden sei und nicht an Brütereien, die dafür bekannt seien, dass sie kein solches Geflügel anböten.
46 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
47 Nach Art. 340 Abs. 2 AEUV ersetzt die Union im Bereich der außervertraglichen Haftung den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.
48 Nach ständiger Rechtsprechung ist die auf Art. 340 Abs. 2 AEUV beruhende Schadensersatzklage als selbständiger Rechtsbehelf mit eigener Funktion im System der Klagemöglichkeiten geschaffen und von Voraussetzungen abhängig gemacht worden, die ihrem besonderen Zweck angepasst sind, so dass die Tatsache, dass die Nichtigkeitsklage für unzulässig erklärt worden ist, nicht automatisch die Unzulässigkeit der Klage auf Entschädigung nach sich zieht (vgl. Urteil vom 5. September 2019, Europäische Union/Guardian Europe und Guardian Europe/Europäische Union, C‑447/17 P und C‑479/17 P, EU:C:2019:672, Rn. 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
49 Die Zurückweisung des Antrags auf Nichtigerklärung der angefochtenen Vorschrift als offensichtlich unzulässig (siehe oben, Rn. 43) bedeutet daher nicht, dass infolgedessen der erste Schadensersatzantrag der Klägerinnen, der mit dem Erlass dieser Vorschrift begründet wird, als unzulässig zurückzuweisen wäre.
50 Des Weiteren wird die außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Organe oder Einrichtungen nur dann ausgelöst, wenn mehrere kumulative Voraussetzungen erfüllt sind: Das dem Organ oder der Einrichtung der Union vorgeworfene Verhalten muss rechtswidrig sein, es muss ein Schaden entstanden sein, und zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen (vgl. Urteil vom 16. September 2013, ATC u. a./Kommission, T‑333/10, EU:T:2013:451, Rn. 61 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
51 Was das Vorliegen eines rechtswidrigen Verhaltens betrifft, machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, die letzte Verlängerung der in Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 vorgesehenen Ausnahme ohne Festlegung zusätzlicher Bedingungen für ihre Anwendung verstoße gegen das in Art. 22 der Verordnung Nr. 834/2007 vorgesehene Erfordernis, die gewährbaren Ausnahmen auf ein Mindestmaß zu beschränken.
52 Nach ständiger Rechtsprechung kann der Rat der Europäischen Union im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik der Kommission weitgehende Durchführungsbefugnisse übertragen, da nur sie in der Lage ist, die Entwicklung der Agrarmärkte ständig und aufmerksam zu verfolgen. Die Grenzen dieser Befugnisse bestimmen sich namentlich anhand der allgemeinen Hauptziele der Organisation des betreffenden Marktes (vgl. Urteil vom 27. November 1997, Somalfruit und Camar, C‑369/95, EU:C:1997:562, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).
53 Ferner ist der Rechtsprechung zu entnehmen, dass die Rechtmäßigkeit einer von der Kommission erlassenen Maßnahme nur dann beeinträchtigt sein kann, wenn diese Maßnahme zur Erreichung des von der Kommission verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet ist (Urteil vom 2. Juli 2009, Bavaria und Bavaria Italia, C‑343/07, EU:C:2009:415, Rn. 81).
54 Folglich hat sich die Kontrolle durch den Unionsrichter auf die Prüfung der Frage zu beschränken, ob die betreffende Maßnahme mit einem offensichtlichen Irrtum oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist oder ob die betreffende Behörde die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten hat (Urteile vom 12. Juli 2001, Jippes u. a., C‑189/01, EU:C:2001:420, Rn. 80, vom 9. September 2004, Spanien/Kommission, C‑304/01, EU:C:2004:495, Rn. 23, sowie vom 23. März 2006, Unitymark und North Sea Fishermen’s Organisation, C‑535/03, EU:C:2006:193, Rn. 55).
55 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber, wenngleich er im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik über ein weites Ermessen verfügt, seine Entscheidung auf Kriterien stützen muss, die objektiv sind und in angemessenem Verhältnis zu dem mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziel stehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 58, und vom 19. September 2013, Panellinios Syndesmos Viomichanion Metapoiisis Kapnou, C‑373/11, EU:C:2013:567, Rn. 34).
56 Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass die Verlängerung der Frist der in Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 vorgesehenen Ausnahme bis zum 31. Dezember 2020 ausweislich des fünften Erwägungsgrundes der Durchführungsverordnung 2018/1584 von der Kommission auf ihre Einschätzung gestützt wurde, dass zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Durchführungsverordnung die Zahl ökologisch/biologisch aufgezogener Junglegehennen auf dem Unionsmarkt quantitativ nicht ausreiche, um den Bedarf der Legehennenbetriebe zu decken.
57 Insoweit wenden sich die Klägerinnen zum einen nicht gegen die von der Kommission – die gemäß der oben in Rn. 52 angeführten Rechtsprechung die Aufgabe hat, die Entwicklung der Agrarmärkte ständig und aufmerksam zu verfolgen – vorgenommene Beurteilung des Zustands des Sektors.
58 Zum anderen ist jedenfalls festzustellen, dass die Kommission bei der Vornahme einer solchen Beurteilung nicht nur das Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats – wie etwa Deutschland, wo die Klägerinnen ihren Sitz haben –, in den Blick zu nehmen hat, sondern das gesamte Unionsgebiet, denn dies ist geeignet, den unterschiedlichen spezifischen Bedarf in den einzelnen Mitgliedstaaten hervortreten zu lassen.
59 In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass die Kommission, als sie das Enddatum der in Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 vorgesehenen Ausnahmeregelung hinausschob, bei Berücksichtigung der gesamten Union zu dem Schluss berechtigt war, dass mehr Zeit erforderlich sei, um im Einklang mit den Zielen des durch die Verordnung Nr. 834/2007 geschaffenen Rahmens die Erzeugung einer ausreichenden Zahl ökologisch/biologisch aufgezogener Junglegehennen zu erreichen.
60 Zweitens ist, soweit die Klägerinnen der Kommission vorwerfen, die streitige Verlängerung hinsichtlich der in Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 vorgesehenen Ausnahme nicht an genauere Anwendungsbedingungen geknüpft zu haben, darauf hinzuweisen, dass der Eckpfeiler, mit dem gewährleistet werden kann, dass den Zielen und Grundsätzen der Verordnung Nr. 834/2007 Rechnung getragen wird und dass die Ausnahmen von diesen Zielen und Grundsätzen auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben, in dem Kriterium der Erhältlichkeit des fraglichen ökologischen/biologischen landwirtschaftlichen Produktionsmittels – hier weniger als 18 Wochen alter Junglegehennen – auf dem Markt besteht. Gerade dieses Kriterium ermöglicht eine faire Abwägung zwischen den beiden oben genannten Erfordernissen, die zugleich im Einklang mit dem dritten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 834/2007 dazu beiträgt, dass sich der Sektor entsprechend den jeweiligen Produktions- und Marktentwicklungen fortentwickeln kann.
61 Die konkrete Beurteilung eines solchen Kriteriums obliegt aber den nationalen Behörden, wie sich schon aus dem Wortlaut von Art. 42 der Verordnung Nr. 889/2008 ergibt. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass es den Klägerinnen mit ihrem Vorbringen in Wirklichkeit nicht darum geht, die von der Kommission vorgenommene Verlängerung der Frist der in dieser Vorschrift vorgesehenen Ausnahmeregelung anzufechten, sondern darum, zu beanstanden, wie die nationalen Behörden, darunter die niederländischen, das Kriterium der Erhältlichkeit auf dem Markt anwenden.
62 Insoweit gestattet Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 834/2007 Ausnahmen von den üblichen Regeln der ökologischen/biologischen tierischen Erzeugung, wobei diese Ausnahmen als außergewöhnlich dargestellt werden und gemäß Art. 22 Abs. 2 dieser Verordnung „auf ein Mindestmaß zu beschränken“ sind. Als Bestimmungen, die Ausnahmen von einem Grundsatz darstellen, sind sie zudem eng auszulegen (vgl. Urteil vom 17. Januar 2013, Kommission/Spanien, C‑360/11, EU:C:2013:17, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).
63 Unter diesen Umständen sind Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 834/2007 und die von der Kommission erlassenen Durchführungsvorschriften dahin auszulegen, dass sie einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, die darin besteht, Genehmigungen zu erteilen, ohne sich auf konkrete und hinreichende Beweise dafür zu stützen, dass es den Unternehmern, die Genehmigungen beantragen, unmöglich ist, sich ökologische/biologische Junglegehennen zu beschaffen. Ob ökologische/biologische Junglegehennen auf dem Markt erhältlich sind, ist im Hinblick auf den Unionsmarkt anhand eines Kriteriums der räumlichen Nähe zu beurteilen; diese Beurteilung darf sich nicht allein auf die nationalen Märkte beschränken.
64 Da sich diese beiden Gesichtspunkte schon aus der Natur des in Art. 22 der Verordnung Nr. 834/2007 genannten und in Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 aufgegriffenen Kriteriums der Erhältlichkeit auf dem Markt ergeben, kann in der Tatsache, dass sie bei der Verlängerung des Zeitraums, in dem Ausnahmen nach Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 gewährt werden dürfen, nicht angesprochen wurden, entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kein Fehlverhalten seitens der Kommission gesehen werden.
65 Im Übrigen kann dies die Klägerinnen nicht daran hindern, Haftungsansprüche gegen den niederländischen Staat wegen eines Verstoßes gegen Unionsrecht geltend zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a., C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428, Rn. 34 bis 37), was zur Klärung ihres Rechtsstreits besser geeignet ist als eine Schadensersatzklage gegen die Kommission wegen der zweijährigen Verlängerung der Möglichkeit, Ausnahmen nach Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 zu gewähren.
66 Folglich haben die Klägerinnen nicht nachweisen können, dass die Kommission beim Erlass der angefochtenen Vorschrift rechtswidrig gehandelt hat.
67 Da die Voraussetzungen für die außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV kumulativ vorliegen müssen, brauchen die übrigen nach der Rechtsprechung insoweit erforderlichen Voraussetzungen nicht geprüft zu werden.
68 Nach alledem ist der Antrag auf Ersatz des Schadens, der den Klägerinnen durch den Erlass der angefochtenen Vorschrift entstanden sein soll, als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Zum Antrag auf Ersatz des Schadens, der der FL Brüterei M‑V entstanden sein soll, weil die Kommission es unterlassen habe, die Einhaltung von Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 durch die niederländischen Behörden sicherzustellen
69 Die FL Brüterei M‑V begehrt den Ersatz des Schadens, der ihr dadurch entstanden sein soll, dass die Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV gegen das Königreich der Niederlande eingeleitet hat. Indem die Kommission es unterlassen habe, ein solches Verfahren einzuleiten oder in ihrer Eigenschaft als Hüterin der Verträge andere geeignete Maßnahmen zur Einhaltung von Art. 22 der Verordnung Nr. 834/2007 und Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 zu treffen, habe sie gegen ihre Sorgfaltspflicht und ihre Pflicht zu guter Verwaltung verstoßen; dies könne die außervertragliche Haftung der Union auslösen.
70 Überdies habe die Kommission einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleihen solle, begangen, nämlich einen Verstoß gegen Art. 22 der Verordnung Nr. 834/2007, der dem Schutz der im Bereich der ökologischen/biologischen Tiererzeugung tätigen Unternehmen vor unlauterer Konkurrenz auf dem Markt diene. Die Kommission habe es den niederländischen Behörden überlassen, die Bedeutung des sich aus Art. 22 der Verordnung Nr. 834/2007 und Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 ergebenden Kriteriums der Erhältlichkeit auf dem Markt frei festzulegen; ein solches Verhalten stelle einen offenkundigen und erheblichen Verstoß gegen diese beiden Bestimmungen dar. Dadurch sei der FL Brüterei M‑V ein tatsächlicher und nicht vermeidbarer Schaden entstanden.
71 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
72 Wie oben in Rn. 50 dargelegt, wird die außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Organe oder Einrichtungen nur dann ausgelöst, wenn mehrere kumulative Voraussetzungen erfüllt sind, zu denen die Rechtswidrigkeit des dem Organ oder der Einrichtung der Union vorgeworfenen Verhaltens gehört.
73 Im vorliegenden Fall ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung mangels einer Verpflichtung der Kommission, ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV einzuleiten, ihre Entscheidung, kein solches Verfahren einzuleiten, jedenfalls nicht rechtswidrig ist, so dass sie die außervertragliche Haftung der Union nicht auslösen kann und allein das Verhalten des betreffenden Mitgliedstaats als Schadensursache in Betracht kommt (vgl. Beschluss vom 7. September 2009, LPN/Kommission, T‑186/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:309, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).
74 Soweit die FL Brüterei M‑V der Kommission vorwirft, kein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV eingeleitet zu haben, ist daher festzustellen, dass eine solche Entscheidung kein rechtswidriges Verhalten seitens der Kommission darstellen kann.
75 Zweitens ist, soweit der Kommission vorgeworfen wird, keine anderen „geeigneten Maßnahmen“ gegen das Königreich der Niederlande ergriffen zu haben, festzustellen, dass die Schriftsätze der FL Brüterei M‑V nichts enthalten, was erkennen ließe, welche anderen Maßnahmen als die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258 AEUV die Kommission hätte ergreifen sollen, um den Eintritt des geltend gemachten Schadens zu verhindern.
76 In der Erwiderung trägt die FL Brüterei M‑V hierzu vor, dass „[d]ie Kommission … den Niederlanden [hätte] klarmachen sollen, dass es ihrer rechtlichen Pflicht unter dem Unionsrecht entspricht, die Tierhalter in den Niederlanden dazu anzuhalten, davon abzusehen, nichtökologische Jungtiere einzusetzen, weil ökologische Jungtiere [auf dem Markt] zur Verfügung standen“.
77 Über dieses pauschale Vorbringen hinaus präzisiert die FL Brüterei M‑V indes nicht, welches konkrete Rechtsinstrument die Kommission gegenüber den niederländischen Behörden hätte anwenden sollen.
78 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 76 der Verfahrensordnung nach ständiger Rechtsprechung verlangt, dass jeder Antrag auf Ersatz von Schäden, die von einem Unionsorgan verursacht worden sein sollen, Angaben enthalten muss, anhand deren sich u. a. bestimmen lässt, welches Verhalten der Kläger dem Organ vorwirft. Fehlt einem solchen Antrag die notwendige Bestimmtheit, ist er als unzulässig anzusehen (vgl. Beschluss vom 23. März 2017, Gollnisch/Parlament, T‑624/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:243, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).
79 Im vorliegenden Fall ist das Vorbringen der FL Brüterei M‑V gemäß Art. 76 der Verfahrensordnung wegen seiner Unbestimmtheit als unzulässig zurückzuweisen.
80 Drittens wirft die Klägerin der Kommission vor, sich rechtswidrig verhalten zu haben, indem sie es den niederländischen Behörden überlassen habe, die Bedeutung des aus Art. 22 der Verordnung Nr. 834/2007 und Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 hervorgehenden Kriteriums der Erhältlichkeit auf dem Markt frei festzulegen, womit sie erheblich und offenkundig gegen diese beiden Bestimmungen verstoßen habe. Hierzu genügt der Hinweis, dass, wie bereits oben in den Rn. 61, 63 und 64 ausgeführt, zum einen die konkrete Beurteilung des Kriteriums der Erhältlichkeit auf dem Markt, wie sich schon aus dem Wortlaut von Art. 42 der Verordnung Nr. 889/2008 ergibt, den nationalen Behörden obliegt und sich zum anderen die bei der Beurteilung dieses Kriteriums zu berücksichtigenden Gesichtspunkte schon aus dessen Natur ergeben.
81 Daher ist festzustellen, dass die FL Brüterei M‑V kein rechtswidriges Verhalten der Kommission nachgewiesen hat, so dass es gemäß der oben in Rn. 50 angeführten Rechtsprechung keiner Prüfung der übrigen Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung bedarf.
82 Daraus folgt, dass der Antrag auf Ersatz des Schadens, der der FL Brüterei M‑V entstanden sein soll, weil die Kommission es unterlassen habe, die Einhaltung von Art. 42 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008 durch die niederländischen Behörden sicherzustellen, als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen ist.
83 Nach alledem ist die vorliegende Klage als teilweise offensichtlich unzulässig und teilweise offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrend abzuweisen.
Kosten
84 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
85 Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)
beschlossen:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die FL Brüterei M-V GmbH, die Erdegut GmbH und die Ökofarm Groß Markow GmbH tragen die Kosten.
Luxemburg, den .
Der Kanzler |
Der Präsident |
E. Coulon |
M. J. Costeira |
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