T-404/23 – Kärntner Sparkasse/ SRB

T-404/23 – Kärntner Sparkasse/ SRB

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Language of document : ECLI:EU:T:2024:557

BESCHLUSS DES GERICHTS (Zweite Kammer)

6. August 2024(*)

„Wirtschafts- und Währungsunion – Bankenunion – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen (SRM) – Einheitlicher Abwicklungsfonds (SRF) – Beschluss des SRB über die Berechnung der für den Beitragszeitraum 2023 im Voraus erhobenen Beiträge – Art. 70 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 – Offensichtlich begründete Klage – Zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Beschlusses“

In der Rechtssache T‑404/23,

Kärntner Sparkasse AG mit Sitz in Klagenfurt (Österreich), vertreten durch Rechtsanwälte G. Eisenberger und A. Brenneis sowie Rechtsanwältin J. Holzmann,

Klägerin,

gegen

Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB), vertreten durch J. Kerlin, C. Flynn und D. Ceran als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte B. Meyring und T. Klupsch,

Beklagter,

unterstützt durch

Europäisches Parlament, vertreten durch J. Etienne und G. Bartram als Bevollmächtigte,

und durch

Rat der Europäischen Union, vertreten durch J. Haunold, A. Westerhof Löfflerová und J. Bauerschmidt als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli sowie der Richterinnen V. Tomljenović und L. Spangsberg Grønfeldt (Berichterstatterin),

Kanzler: V. Di Bucci,

folgenden

Beschluss

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Kärntner Sparkasse AG, die Nichtigerklärung des Beschlusses SRB/ES/2023/23 des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (SRB) vom 2. Mai 2023 über die Berechnung der für 2023 im Voraus erhobenen Beiträge zum einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) (im Folgenden: angefochtener Beschluss), soweit er sie betrifft.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Klägerin ist ein österreichisches Kreditinstitut.

3        Mit dem angefochtenen Beschluss legte der SRB gemäß Art. 70 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1) die für das Jahr 2023 (im Folgenden: Beitragszeitraum 2023) im Voraus erhobenen Beiträge zum SRF (im Folgenden: im Voraus erhobene Beiträge) der Institute fest, die unter Art. 2 in Verbindung mit Art. 67 Abs. 4 dieser Verordnung fallen (im Folgenden: Institute) und zu denen auch die Klägerin zählt.

4        Mit einem Beitragsbescheid gab die zuständige nationale Abwicklungsbehörde im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung Nr. 806/2014 der Klägerin auf, ihren vom SRB im angefochtenen Beschluss festgesetzten im Voraus erhobenen Beitrag für den Beitragszeitraum 2023 zu entrichten.

 Angefochtener Beschluss

5        Der angefochtene Beschluss umfasst einen Textkörper nebst drei Anhängen.

6        Der Textkörper des angefochtenen Beschlusses beschreibt das Verfahren zur Bestimmung der im Voraus erhobenen Beiträge für den Beitragszeitraum 2023, das für alle Institute gilt.

7        Zu diesem Zweck wies der SRB in Abschnitt 5 des angefochtenen Beschlusses zunächst darauf hin, dass er gemäß Art. 69 der Verordnung Nr. 806/2014 und Art. 4 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/81 des Rates vom 19. Dezember 2014 zur Festlegung einheitlicher Modalitäten für die Anwendung der Verordnung Nr. 806/2014 im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zum SRF (ABl. 2015, L 15, S. 1) die jährliche Zielausstattung für den Beitragszeitraum 2023 festlegen müsse.

8        Sodann führte der SRB in Abschnitt 5 dieses Beschlusses aus, dass die im SRF verfügbaren Finanzmittel am Ende des achtjährigen Übergangszeitraums, der am 1. Januar 2016 begonnen habe und am 31. Dezember 2023 ende (im Folgenden: Aufbauphase), eine Zielausstattung (im Folgenden: endgültige Zielausstattung) von mindestens 1 % der gedeckten Einlagen (im Folgenden: gedeckte Einlagen) aller Institute erreichen sollten, die in allen am einheitlichen Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen (SRM) teilnehmenden Mitgliedstaaten (im Folgenden: teilnehmende Mitgliedstaaten) zugelassen seien.

9        In Bezug auf den Beitragszeitraum 2023, dem achten und letzten Jahr der Aufbauphase, erläuterte der SRB, er habe die jährliche Zielausstattung festgelegt, indem er (i) die endgültige Zielausstattung, basierend auf dem prognostizierten Wachstum der gedeckten Einlagen im Jahr 2023, (ii) die im Fonds zum 31. Dezember 2022 verfügbaren Mittel, (iii) den erwarteten wirtschaftlichen Ertrag der Finanzmittel im Jahr 2023, (iv) die Begleichung der Differenzen, die sich aus der Weiterverarbeitung von Daten ergäben, und (v) die Rückerstattung des verbleibenden Anteils der im Voraus erhobenen Beiträge für 2015 berücksichtigt habe.

10      In diesem Stadium habe der SRB gemäß Art. 69 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 und Art. 3 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/747 der Kommission vom 17. Dezember 2015 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 806/2014 hinsichtlich der Kriterien für die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge sowie der Umstände und Bedingungen, unter denen die Zahlung außerordentlicher nachträglich erhobener Beiträge teilweise oder ganz aufgeschoben werden kann (ABl. 2017, L 113, S. 2), die Konjunkturphase und die potenziellen prozyklischen Auswirkungen der Beiträge auf die Finanzlage der beitragszahlenden Institute bewertet, indem er für alle teilnehmenden Mitgliedstaaten gemeinsam die im Anhang der Delegierten Verordnung 2017/747 aufgeführten Indikatoren berücksichtigt habe.

11      Nach Durchführung der oben genannten Analysen gab der SRB im angefochtenen Beschluss die jährliche Zielausstattung an, die er in Anwendung der vorstehenden Bestimmungen festgelegt habe.

12      In Abschnitt 6 des angefochtenen Beschlusses beschrieb der SRB die Methodik für die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge für den Beitragszeitraum 2023 für die verschiedenen berücksichtigten Institutsarten.

 Anträge der Parteien

13      Die Klägerin beantragt im Wesentlichen,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft;

–        dem SRB die Kosten aufzuerlegen.

14      Der SRB beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        hilfsweise, im Fall der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses dessen Wirkungen bis zu seiner Ersetzung oder zumindest für einen Zeitraum von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem das Urteil rechtskräftig wird, aufrechtzuerhalten;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

15      Das Europäische Parlament beantragt,

–        die Klage abzuweisen, soweit sie auf die Einrede der Rechtswidrigkeit der Verordnung Nr. 806/2014 gestützt ist;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

16      Der Rat der Europäischen Union beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

17      Zur Stützung ihrer Klage führt die Klägerin ebenso wie 45 weitere Kläger der Rechtssachengruppe „Im Voraus erhobene Beiträge 2023“, die 48 Nichtigkeitsklagen von deutschen, österreichischen, französischen, finnischen und niederländischen Kreditinstituten gegen den angefochtenen Beschluss umfasst, eine Rüge an, nämlich einen Verstoß gegen Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014.

18      Mit dieser Rüge macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, durch die Festlegung der jährlichen Zielausstattung für das Jahr 2023 habe der SRB gegen Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 verstoßen, der ihn verpflichte, die individuellen im Voraus erhobenen Beiträge so zu berechnen, dass die im Voraus erhobenen Beiträge, die von allen im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Instituten zu entrichten seien, 12,5 % der endgültigen Zielausstattung nicht überstiegen (im Folgenden: 12,5%-Obergrenze).

19      Der SRB macht in erster Linie geltend, die in Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehene Regel, dass die 12,5%-Obergrenze nicht überschritten werden dürfe, gelte während der Aufbauphase nicht. Die in Art. 69 Abs. 2 dieser Verordnung vorgesehene Regel, wonach die im Voraus erhobenen Beiträge bis zum Erreichen der Zielausstattung zeitlich so gleichmäßig wie möglich gestaffelt werden müssten, habe Vorrang vor der Vorgabe in Art. 70 Abs. 2 der Verordnung.

20      Hilfsweise bringt der SRB im Wesentlichen vor, dass die Vorgabe in Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 unangewendet bleiben oder flexibel ausgelegt werden müsse, weil es ihm andernfalls nicht möglich sei, die sich aus Art. 69 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 806/2014 ergebenden Anforderungen einzuhalten, wonach er erstens sicherstellen müsse, dass der SRF seine endgültige Zielausstattung von mindestens 1 % der gedeckten Einlagen bis zum Ende der Aufbauphase erreiche, und zweitens die im Voraus erhobenen Beiträge bis zum Erreichen der endgültigen Zielausstattung zeitlich so gleichmäßig wie möglich zu staffeln habe, wobei jedoch die Konjunkturphase und die etwaigen Auswirkungen prozyklischer Beiträge auf die Finanzlage der Institute gebührend zu berücksichtigen seien.

21      Das Parlament und der Rat schließen sich im Wesentlichen dem vom SRB hilfsweise vertretenen Standpunkt an, dass diese Anforderung nicht absolut sei und im Licht des Hauptziels, wonach der SRF bis zum Ende der Aufbauphase die endgültige Zielausstattung erreichen müsse, flexibel zu sehen und anzuwenden sei.

22      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die im SRF verfügbaren Mittel nach Art. 69 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 bis zum Ende der Aufbauphase die endgültige Zielausstattung erreichen müssen, die mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute entspricht.

23      Nach Art. 69 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 müssen die im Voraus erhobenen Beiträge während der Aufbauphase zeitlich so gleichmäßig wie möglich gestaffelt werden, bis die oben in Rn. 22 erwähnte endgültige Zielausstattung erreicht ist, wobei jedoch die Konjunkturphase und die etwaigen Auswirkungen prozyklischer Beiträge auf die Finanzlage der Institute zu berücksichtigen sind.

24      Ferner sieht Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 vor, dass „der [SRB] jährlich die einzelnen Beiträge [errechnet], damit die Beiträge, die von allen im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Instituten zu entrichten sind, 12,5 % der Zielausstattung nicht übersteigen“. Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 4 dieser Verordnung fügt hinzu, dass „[i]n jedem Fall der … aggregierte Betrag der einzelnen Beiträge aller im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute 12,5 % der Zielausstattung nicht übersteigen [darf]“.

25      Vorab ist festzustellen, dass das Vorbringen der Parteien zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 dem Vorbringen der Parteien in der Rechtssache entspricht, in der das Urteil vom 10. April 2024, Dexia/SRB (Im Voraus erhobene Beiträge 2022) (T‑411/22, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:216, Rn. 22 bis 26 und 49), ergangen ist, das sich zu dem oben in den Rn. 22 bis 24 dargestellten rechtlichen Rahmen geäußert hat, der auch Gegenstand der vorliegenden Klage ist.

 Zur offensichtlichen Begründetheit der vorliegenden Klage

26      Hat der Gerichtshof oder das Gericht bereits über eine oder mehrere Rechtsfragen entschieden, die mit den durch die Klagegründe aufgeworfenen übereinstimmen, und stellt das Gericht fest, dass der Sachverhalt erwiesen ist, so kann es gemäß Art. 132 der Verfahrensordnung des Gerichts die Klage nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung der Parteien durch mit Gründen versehenen Beschluss, der einen Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung enthält, für offensichtlich begründet erklären.

27      Insoweit ist erstens zur Voraussetzung des Vorliegens „einer oder mehrerer übereinstimmender Rechtsfragen“ darauf hinzuweisen, dass das Gericht bereits über eine Rechtsfrage entschieden hat, die mit der von der Klägerin in ihrer Klage aufgeworfenen übereinstimmt.

28      Die Achte erweiterte Kammer des Gerichts hat nämlich den Beschluss SRB/ES/2022/18 des SRB vom 11. April 2022 über die Berechnung der für 2022 im Voraus erhobenen Beiträge zum SRF mit der Begründung für nichtig erklärt, dass „der [in jener Rechtssache] angefochtene Beschluss die Höhe der im Voraus erhobenen Beiträge, die von allen im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Instituten zu entrichten waren, auf einen Betrag festgesetzt hat, der die Obergrenze von 12,5 % der prognostizierten endgültigen Zielausstattung überstieg“, und daher „der SRB gegen Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 1 und 4 der Verordnung Nr. 806/2014 verstoßen hat“ (Urteil vom 10. April 2024, Dexia/SRB [Im Voraus erhobene Beiträge 2022], T‑411/22, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:216, Rn. 64 und 65).

29      So hat das Gericht festgestellt, dass „der SRB bei der Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge für den Beitragszeitraum 2022 gemäß Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 1 und 4 der Verordnung Nr. 806/2014 und auf der Grundlage seiner eigenen Schätzung der endgültigen Zielausstattung sicherstellen [musste], dass die Höhe der im Voraus erhobenen Beiträge, die von allen im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Instituten zu entrichten waren, den [in dieser Bestimmung vorgesehenen Betrag] nicht überstieg“ (Urteil vom 10. April 2024, Dexia/SRB [Im Voraus erhobene Beiträge 2022], T‑411/22, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:216, Rn. 62).

30      Ferner ist das Gericht in seiner Würdigung in Anwendung einer Argumentation, die auf die vorliegende Rechtssache übertragbar ist, zu dem Schluss gelangt, dass „die in Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 1 und 4 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehene 12,5%-Obergrenze während der Aufbauphase gilt“ (Urteil vom 10. April 2024, Dexia/SRB [Im Voraus erhobene Beiträge 2022], T‑411/22, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:216, Rn. 38).

31      Des Weiteren hat das Gericht in Bezug auf die Möglichkeit, die Obergrenze von 12,5 % bei der Berechnung der Höhe der von den Instituten der teilnehmenden Mitgliedstaaten für ein bestimmtes Jahr zu entrichtenden im Voraus erhobenen Beiträge aus den vom SRB insoweit angeführten Gründen außer Acht zu lassen oder flexibel auszulegen, zunächst darauf hingewiesen, dass „die prognostizierte endgültige Zielausstattung für die Anwendung der 12,5%-Obergrenze maßgeblich ist“ und „[f]olglich … der SRB bei der in einem bestimmten Beitragszeitraum vorgenommenen Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge gemäß Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 1 und 4 der Verordnung Nr. 806/2014 sicherstellen [muss], dass die Höhe der im Voraus erhobenen Beiträge, die von allen im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Instituten zu entrichten sind, 12,5 % der prognostizierten endgültigen Zielausstattung nicht überschreitet“ (Urteil vom 10. April 2024, Dexia/SRB [Im Voraus erhobene Beiträge 2022], T‑411/22, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:216, Rn. 47 und 48; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 15. Juli 2021, Kommission/Landesbank Baden-Württemberg und SRB, C‑584/20 P und C‑621/20 P, EU:C:2021:601, Rn. 113).

32      Anschließend hat das Gericht die vom SRB für seine Auslegung vorgebrachten Argumente mit der Begründung zurückgewiesen, dass „sich der Sinn von Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 1 und 4 der Verordnung Nr. 806/2014 eindeutig aus dem Wortlaut dieser Bestimmung selbst ergibt“. Diese Bestimmung ist nämlich zwingend formuliert, wie der Gebrauch der Wendungen „12,5 % der Zielausstattung nicht übersteigen“ (Unterabs. 1) und „[i]n jedem Fall darf der … aggregierte Betrag der … Beiträge [jährlich] 12,5 % der Zielausstattung nicht übersteigen“ (Unterabs. 4) zeigt. Darüber hinaus legt diese Bestimmung eine Obergrenze von exakt 12,5 % fest, indem sie diese zweimal und ohne jede Ausnahme wiederholt, so dass diese Obergrenze von der Behörde, die für die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge zuständig ist, nicht geändert oder angepasst werden kann (vgl. Urteil vom 10. April 2024, Dexia/SRB [Im Voraus erhobene Beiträge 2022], T‑411/22, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:216, Rn. 50 bis 52). Diese Würdigung ist auf die vorliegende Rechtssache übertragbar.

33      Vor diesem Hintergrund hat das Gericht bereits ausgeführt, warum die vom SRB zur Stützung seiner Auslegung vorgebrachten Argumente nicht zu überzeugen vermögen (Urteil vom 10. April 2024, Dexia/SRB [Im Voraus erhobene Beiträge 2022], T‑411/22, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:216, Rn. 53 bis 58). Diese Ausführungen gelten auch für das entsprechende Vorbringen des SRB in der vorliegenden Rechtssache.

34      Zweitens ist zur Voraussetzung der Feststellung, dass „der Sachverhalt erwiesen ist“, darauf hinzuweisen, dass der SRB, wie er im Wesentlichen einräumt, wie in seinem Beschluss über die im Voraus erhobenen Beiträge für den Beitragszeitraum 2022 (Urteil vom 10. April 2024, Dexia/SRB [Im Voraus erhobene Beiträge 2022], T‑411/22, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:216, Rn. 64), die von allen Instituten der teilnehmenden Mitgliedstaaten für den Beitragszeitraum 2023 zu entrichtenden im Voraus erhobenen Beiträge auf einen Betrag festgesetzt hat, der die Obergrenze von 12,5 % der von ihm geschätzten endgültigen Zielausstattung überstieg.

35      So ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss, dass der SRB bei der Bestimmung der jährlichen Zielausstattung für den Beitragszeitraum 2023, dem achten und letzten Jahr der Aufbauphase, nie angegeben hat, dass er die Obergrenze von 12,5 % berücksichtige. Aus Anhang III („Auswertung der im Rahmen der Konsultation zu den im Voraus erhobenen Beiträgen zum [SRF] für das Jahr 2023 eingereichten Stellungnahmen“) des angefochtenen Beschlusses geht ferner hervor, dass der Beschwerdeausschuss des SRB in Beantwortung der Kommentare mehrerer Institute zur Vereinbarkeit der Berechnungen des SRB mit Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 die Ansicht vertreten hat, dass „die Obergrenze von 12,5 % in der Aufbauphase entweder nicht anwendbar oder zumindest nicht als absolute Obergrenze zu verstehen ist“.

36      Da somit zum einen die Rechtsfrage, über die das Gericht im Urteil vom 10. April 2024, Dexia/SRB (Im Voraus erhobene Beiträge 2022) (T‑411/22, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:216), entschieden hat, mit der von der Klägerin in ihrer Klage aufgeworfenen Rechtsfrage übereinstimmt und zum anderen der in der vorliegenden Rechtssache angefochtene Beschluss denselben Mangel aufweist wie den, den das Gericht in jenem Urteil festgestellt hat, und der SRB folglich gegen Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 1 und 4 der Verordnung Nr. 806/2014 verstoßen hat, ist nach Anhörung der Parteien festzustellen, dass die Klage in diesem Punkt offensichtlich begründet ist.

37      Wie bereits im Urteil vom 10. April 2024, Dexia/SRB (Im Voraus erhobene Beiträge 2022) (T‑411/22, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:216, Rn. 66), entschieden worden ist, rechtfertigt ein solcher Rechtsfehler allein schon die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses, soweit er die Klägerin betrifft.

 Zur zeitlichen Beschränkung der Wirkungen des Beschlusses

38      Der SRB beantragt, im Fall der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses dessen Wirkungen bis zu seiner Ersetzung oder zumindest für einen Zeitraum von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung des Gerichts rechtskräftig wird, aufrechtzuerhalten, weil eine solche Nichtigerklärung schwerwiegende Folgen für die finanzielle Stabilität in der Bankenunion haben würde.

39      Die Klägerin hatte Gelegenheit, sich zu diesem Antrag zu äußern.

40      Nach Art. 264 Abs. 2 AEUV können die Unionsgerichte, falls sie dies für notwendig halten, diejenigen Wirkungen einer für nichtig erklärten Handlung bezeichnen, die als fortgeltend zu betrachten sind. Bei der Ausübung der ihnen durch diesen Artikel eingeräumten Befugnis berücksichtigen die Unionsgerichte die Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit und anderer öffentlicher oder privater Interessen (vgl. Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Schweden, C‑389/19 P, EU:C:2021:131, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 22. Dezember 2008, Régie Networks, C‑333/07, EU:C:2008:764, Rn. 122).

41      Art. 264 Abs. 2 AEUV wird insbesondere dahin ausgelegt, dass er es aus Gründen der Rechtssicherheit, aber auch aus Gründen der Vermeidung einer Diskontinuität oder eines Rückschritts in der Umsetzung der von der Union verfolgten oder unterstützten Politiken erlaubt, die Wirkungen einer für nichtig erklärten Handlung während eines angemessenen Zeitraums aufrechtzuerhalten (vgl. Urteil vom 27. Januar 2021, Polen/Kommission, T‑699/17, EU:T:2021:44, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Wenn im vorliegenden Fall der SRB verpflichtet wäre, den im Voraus erhobenen Beitrag der Klägerin und die im Voraus erhobenen Beiträge der anderen betroffenen Institute mit sofortiger Wirkung zurückzuzahlen, obwohl diese Institute grundsätzlich weiterhin der Verpflichtung zur Zahlung der gesetzlich geschuldeten im Voraus erhobenen Beiträge unterliegen, dann bestünde die Gefahr, dass eine solche Rückzahlung dem SRF die zur Erreichung seiner Ziele erforderlichen Finanzmittel entziehen würde.

43      In diesem Zusammenhang hat das Gericht auf einen vom SRB im Rahmen der Rechtssachen betreffend den Beschluss über die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge für den Beitragszeitraum 2022 gestellten Antrag auf zeitliche Beschränkung der Urteilswirkungen entschieden, dass die Ablehnung des Antrags auf Aufrechterhaltung der Wirkungen dieses Beschlusses das Ziel der Finanzstabilität und das Ziel, eine Wirtschafts- und Währungsunion zu errichten, beeinträchtigen könnte (Urteil vom 10. April 2024, Dexia/SRB [Im Voraus erhobene Beiträge 2022], T‑411/22, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:216, Rn. 74).

44      Da der in der vorliegenden Rechtssache angefochtene Beschluss und der mit dem Urteil vom 10. April 2024, Dexia/SRB (Im Voraus erhobene Beiträge 2022) (T‑411/22, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:216), für nichtig erklärte Beschluss gleichartig sind, ist diesem Urteil dahin gehend zu folgen, dass die Wirkungen des angefochtenen Beschlusses, soweit er die Klägerin betrifft, aufrechtzuerhalten sind, bis der SRB die Maßnahmen getroffen hat, die sich aus der Durchführung des vorliegenden Beschlusses ergeben, und zwar innerhalb einer angemessenen Frist, die sechs Monate ab dem Tag, an dem der vorliegende Beschluss rechtskräftig wird, nicht überschreiten darf.

45      Zwar haben einige Klägerinnen dem Gericht mitgeteilt, dass sie von einer Pressemitteilung des SRB vom 15. Februar 2024 Kenntnis genommen hätten, in der dieser angegeben habe, dass sich die im SRF verfügbaren Mittel am 31. Dezember 2023 auf 78 Mrd. Euro belaufen hätten, während die 1 % der gedeckten Einlagen entsprechende endgültige Zielausstattung 75 Mrd. Euro betragen habe, und dass es nicht erforderlich sei, im Jahr 2024 weitere Beiträge von den Instituten zu verlangen. Jedoch ist der Überschuss des SRF in Höhe von 3 Mrd. Euro im vorliegenden Fall nicht entscheidend für die vorübergehende Aufrechterhaltung der Wirkungen des angefochtenen Beschlusses. Der Betrag des im Voraus erhobenen Beitrags der Klägerin und der im Voraus erhobenen Beiträge der anderen betroffenen Institute könnte diesen Überschuss nämlich übersteigen. Im Übrigen ermöglicht es die vorübergehende Aufrechterhaltung der Wirkungen des angefochtenen Beschlusses in der vorliegenden Rechtssache dem SRB, einen einheitlichen Standpunkt in Bezug auf die Beitragszeiträume 2023 und 2022 festzulegen, für die die von ihm angewandte Methode zur Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge den gleichen Mangel aufweist.

 Kosten

46      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der SRB unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin seine eigenen Kosten und die Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

47      Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen das Parlament und der Rat ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

beschlossen:

1.      Der Beschluss SRB/ES/2023/23 des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (SRB) vom 2. Mai 2023 über die Berechnung der für 2023 im Voraus erhobenen Beiträge zum einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) wird für nichtig erklärt, soweit er die Kärntner Sparkasse AG betrifft.

2.      Die Wirkungen des Beschlusses SRB/ES/2023/23, soweit er die Kärntner Sparkasse AG betrifft, werden aufrechterhalten, bis der SRB die Maßnahmen getroffen hat, die sich aus der Durchführung des vorliegenden Beschlusses ergeben, und zwar innerhalb einer angemessenen Frist, die sechs Monate ab dem Tag, an dem der vorliegende Beschluss rechtskräftig wird, nicht überschreiten darf.

3.      Der SRB trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten der Kärntner Sparkasse AG.

4.      Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union tragen ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 6. August 2024

Der Kanzler

 

Die Präsidentin

V. Di Bucci

 

A. Marcoulli



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