Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)
4. September 2024(* )
„ Gemeinsame Außen – und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Syrien – Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen – Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden – Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste – Kriterium der Familienzugehörigkeit – Einrede der Rechtswidrigkeit – Erfordernis, dass jede Beschränkung gesetzlich vorgesehen sein muss – Beurteilungsfehler – Eigentumsrecht “
In der Rechtssache T‑370/23,
Samer Kamal Al-Assad, wohnhaft in Latakia (Syrien), vertreten durch W. Woll, Avocat,
Kläger,
gegen
Rat der Europäischen Union, vertreten durch T. Haas als Bevollmächtigte im Beistand von E. Raoult, Avocate,
Beklagter,
erlässt
DAS GERICHT (Neunte Kammer),
unter Mitwirkung des Präsidenten L. Truchot, des Richters H. Kanninen und der Richterin R. Frendo (Berichterstatterin),
Kanzler: V. Di Bucci,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,
folgendes
Urteil (1 )
1 Mit seiner Klage nach Art. 263 AEUV beantragt der Kläger, Herr Samer Kamal Al-Assad, zum einen den Durchführungsbeschluss (GASP) 2023/847 des Rates vom 24. April 2023 zur Durchführung des Beschlusses 2013/255/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Syrien (ABl. 2023, L 109 I, S. 26) und zum anderen die Durchführungsverordnung (EU) 2023/844 des Rates vom 24. April 2023 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 36/2012 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Syrien (ABl. 2023, L 109 I, S. 1) für nichtig zu erklären, soweit diese Rechtsakte (im Folgenden zusammen: angefochtene Rechtsakte) ihn betreffen.
Vorgeschichte des Rechtsstreits und Ereignisse nach Klageerhebung
[nicht wiedergegeben ]
7 Angesichts der ernsten Lage in Syrien erließ der Rat gemäß dem fünften Erwägungsgrund des nachfolgend genannten Beschlusses am 12. Oktober 2015 den Beschluss (GASP) 2015/1836 zur Änderung des Beschlusses 2013/255 (ABl. 2015, L 266, S. 75) und die Verordnung (EU) 2015/1828 zur Änderung der Verordnung Nr. 36/2012 (ABl. 2015, L 266, S. 1) (im Folgenden zusammen: Rechtsakte von 2015).
8 Da der Rat der Auffassung war, dass die ursprünglich mit dem Beschluss 2011/273 erlassenen restriktiven Maßnahmen nicht zur Beendigung der gewaltsamen Unterdrückung der Zivilbevölkerung durch das syrische Regime geführt hatten, beschloss er, wie im fünften Erwägungsgrund des Beschlusses 2015/1836 dargelegt, „[dass er es] als notwendig [erachtet], die Wirksamkeit der bereits geltenden restriktiven Maßnahmen aufrechtzuerhalten und zu gewährleisten, indem die Maßnahmen weiterentwickelt werden, wobei der gezielte und differenzierte Ansatz erhalten bleibt und die humanitäre Lage der syrischen Bevölkerung berücksichtigt wird[, und] dass bestimmte Kategorien von Personen und Organisationen aufgrund des spezifischen Kontexts in Syrien für die Wirksamkeit der restriktiven Maßnahmen besonders relevant sind“.
9 Infolgedessen wurde der Wortlaut der Art. 27 und 28 des Beschlusses 2013/255 durch den Beschluss 2015/1836 geändert. Diese Artikel sehen nunmehr Beschränkungen der Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder der Durchreise durch dieses Gebiet sowie das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen von Personen vor, die unter die in Abs. 2 Buchst. a bis g dieser Artikel genannten Kategorien von Personen fallen und die in der Liste in Anhang I im Einzelnen aufgeführt sind, mit einer in Abs. 3 dieser Artikel vorgesehenen Ausnahme, nämlich „wenn ausreichende Angaben darüber vorliegen, dass [diese Personen] nicht oder nicht mehr mit dem Regime in Verbindung stehen oder Einfluss auf dieses ausüben oder keine reale Gefahr besteht, dass sie restriktive Maßnahmen umgehen“.
10 Insbesondere sollten, da, wie aus dem siebten Erwägungsgrund des Beschlusses 2015/1836 folgt, „die Macht in Syrien traditionell auf Familienbasis ausgeübt wird [und] die einflussreichen Mitglieder der Familien Assad und Makhlouf das Machtzentrum innerhalb des derzeitigen syrischen Regimes bilden“, restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Mitglieder dieser Familien vorgesehen werden, um sowohl das Regime durch Mitglieder der genannten Familien unmittelbar dazu zu bewegen, seine repressive Politik zu ändern, als auch die Gefahr der Umgehung restriktiver Maßnahmen durch Familienmitglieder zu vermeiden.
11 Somit werden zum einen nach dem Erlass der Rechtsakte von 2015 gemäß Art. 27 Abs. 2 Buchst. b und Art. 28 Abs. 2 Buchst. b des Beschlusses 2013/255 nunmehr auch „Mitglieder der Familien Assad oder Makhlouf“ (im Folgenden: Kriterium der Familienzugehörigkeit) den restriktiven Maßnahmen unterworfen. Gleichzeitig wurde Art. 15 der Verordnung Nr. 36/2012 um einen Abs. 1a Buchst. b ergänzt, der das Einfrieren von Vermögenswerten der Mitglieder dieser Familien vorsieht.
12 Zum anderen enthalten Art. 27 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung sowie Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 36/2012 in der durch die Verordnung 2015/1828 geänderten Fassung das allgemeine Aufnahmekriterium, das an das Profitieren von politischen Maßnahmen des syrischen Regimes bzw. an dessen Unterstützung anknüpft (im Folgenden: allgemeines Kriterium der Verbindung zum syrischen Regime).
13 Am 24. April 2023 erließ der Rat die angefochtenen Rechtsakte. In deren Erwägungsgründen 2, 3 und 5 wurde Folgendes festgelegt:
„(2) Der Rat ist nach wie vor äußerst besorgt über die Lage in Syrien. Nach über einem Jahrzehnt ist der Konflikt in Syrien noch lange nicht beendet und verursacht nach wie vor großes Leid und politische Instabilität.
(3) Der Rat stellt fest, dass das syrische Regime seine Repressionspolitik fortsetzt. Angesichts der weiterhin sehr ernsten Lage erachtet der Rat es als notwendig, die Wirksamkeit der bereits geltenden restriktiven Maßnahmen aufrechtzuerhalten und zu gewährleisten, indem die Maßnahmen weiterentwickelt werden, wobei ihr gezielter und differenzierter Ansatz erhalten bleibt und die humanitäre Lage der syrischen Bevölkerung berücksichtigt wird. Der Rat ist der Auffassung, dass bestimmte Kategorien von Personen und Organisationen aufgrund des spezifischen Kontexts in Syrien für die Wirksamkeit dieser restriktiven Maßnahmen besonders relevant sind.
…
(5) Der Rat ist zutiefst besorgt über die Zunahme des Drogenhandels mit Ursprung in Syrien. Der Rat hat insbesondere festgestellt, dass der Handel mit Amphetaminen zu einem vom Regime gesteuerten Geschäftsmodell geworden ist, das den inneren Kreis des Regimes bereichert und dem Regime Einnahmen verschafft, die dazu beitragen, dass es seine Repressionspolitik fortsetzen kann. Der Rat ist der Ansicht, dass restriktive Maßnahmen dahin gehend vorgesehen werden sollten, dass sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen eingefroren werden, die im Besitz oder im Eigentum bestimmter vom Rat identifizierter und [betreffend den Durchführungsbeschluss 2023/847 in Anhang I des Beschlusses 2013/255/GASP und betreffend die Durchführungsverordnung 2023/844 in Anhang II der Verordnung Nr. 36/2012] aufgeführter Personen und Organisationen, die an der Herstellung von Drogen mit Ursprung in Syrien oder dem Handel damit beteiligt sind, stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, und dass Einreisebeschränkungen gegen diese Personen verhängt werden, um sie an der Unterstützung des Regimes zu hindern und den Druck auf das Regime zu erhöhen, damit es seine Repressionspolitik ändert. Durch diese Maßnahmen soll ferner das Risiko einer Untergrabung der Wirksamkeit der restriktiven Maßnahmen verringert werden, indem die Möglichkeit des Regimes, zur Fortsetzung seiner Repressionspolitik auf Erträge aus dem Drogenhandel zurückzugreifen, ins Visier genommen wird.“
14 Der Rat rechtfertigte die Aufnahme des Namens des Klägers in die streitigen Listen wie folgt:
„… Mitglied der Assad-Familie.
Er betreibt Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Drogenhandel, insbesondere der Herstellung. Der Handel mit Captagon ist zu einem vom Regime gesteuerten Geschäftsmodell geworden, das den inneren Kreis des Regimes bereichert und dessen Lebensader darstellt. Daher ist er Nutznießer und Unterstützer des Regimes.“
[nicht wiedergegeben ]
Anträge der Parteien
17 Der Kläger beantragt,
– die angefochtenen Rechtsakte für nichtig zu erklären, soweit sie ihn betreffen,
– dem Rat die Kosten aufzuerlegen.
18 Der Rat beantragt,
– die Klage als unbegründet abzuweisen,
– dem Kläger die Kosten aufzuerlegen,
– hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht die angefochtenen Rechtsakte für nichtig erklären sollte, soweit sie den Kläger betreffen, die Aufrechterhaltung der Wirkungen des Durchführungsbeschlusses 2023/847, soweit sie den Kläger betreffen, bis zum Wirksamwerden der teilweisen Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung 2023/844 des Rates anzuordnen.
Rechtliche Würdigung
[nicht wiedergegeben ]
Z u der gegen das Kriterium der Familienzugehörigkeit erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit
26 Der Kläger erhebt auf der Grundlage von Art. 277 AEUV eine Einrede der Rechtswidrigkeit gegen das in Art. 27 Abs. 2 Buchst. b und Art. 28 Abs. 2 Buchst. b des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung enthaltene Kriterium der Familienzugehörigkeit. Er beantragt, das genannte Kriterium für auf ihn nicht anwendbar zu erklären und folglich die Aufnahme seines Namens in die streitigen Listen, die sich aus der Anwendung dieser Bestimmungen ergibt, für nichtig zu erklären.
27 Der Rat hält die vom Kläger erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit sowohl für unzulässig als auch für unbegründet.
Zur Zulässigkeit der Einrede der Rechtswidrigkeit
28 Ohne förmlich eine Unzulässigkeitseinrede nach Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts zu erheben, macht der Rat geltend, die vom Kläger erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit sei unzulässig.
29 Nach Ansicht des Rates erläutert der Kläger nicht die Folgen der gegen die angefochtenen Rechtsakte und gegen ihn erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit. Wegen dieses Mangels an Klarheit, der den Anforderungen von Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung zuwiderlaufe, sei es ihm nicht möglich gewesen, seine Verteidigung vorzubereiten, so dass er die Unzulässigkeit dieser Einrede geltend machen müsse.
30 Der Kläger tritt diesem Vorbringen entgegen.
31 Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Klageschrift nach Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung u. a. eine kurze Darstellung der geltend gemachten Klagegründe enthalten muss. Darüber hinaus muss diese Darstellung unabhängig von Fragen der Terminologie so klar und genau sein, dass die beklagte Partei ihre Verteidigung vorbereiten und das Gericht – gegebenenfalls ohne Einholung weiterer Informationen – über die Klage entscheiden kann. Für die Zulässigkeit einer Klage ist es erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben, um die Rechtssicherheit und eine geordnete Rechtspflege zu gewährleisten (vgl. Urteil vom 14. April 2021, Al-Tarazi/Rat, T‑260/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:187, Rn. 166 und die dort angeführte Rechtsprechung).
32 Im vorliegenden Fall macht der Kläger mit einer – sicherlich summarischen – Argumentation geltend, dass es dem Kriterium der Familienzugehörigkeit an Klarheit und Genauigkeit fehle, was es unmöglich mache, die Personen zu identifizieren, die von diesem Kriterium erfasst werden könnten. Außerdem trägt er vor, dass seine Anwendung zu einer Diskriminierung und damit zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Rechtsakte führe.
33 Insoweit geht aber aus den Akten hervor, dass der Rat seine Verteidigung vorbereiten konnte, was durch den Umstand belegt wird, dass er sowohl im Rahmen der Klagebeantwortung als auch der Gegenerwiderung inhaltlich auf die Argumente des Klägers eingegangen ist.
34 Darüber hinaus ist das Gericht der Ansicht, dass die Einrede der Rechtswidrigkeit ausreichende Präzisierungen enthält, die es ihm ermöglichen, seine gerichtliche Kontrolle auszuüben und somit über diese Einrede zu entscheiden, ohne weitere Informationen einholen zu müssen.
35 Folglich ist das Vorbringen des Rates, mit dem dieser die Unzulässigkeit geltend macht, zurückzuweisen und die gegen das Kriterium der Familienzugehörigkeit erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit für zulässig zu erklären.
Zur Begründetheit der Einrede der Rechtswidrigkeit
36 Zur Stützung der Einrede der Rechtswidrigkeit macht der Kläger im Wesentlichen zwei Rügen geltend, nämlich
– erstens einen Verstoß gegen das Legalitätsprinzip, wonach jede Einschränkung der Ausübung von Rechten gesetzlich vorgesehen sein muss, und damit einen Verstoß gegen das Eigentumsrecht und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, Rechte, die durch Art. 17 Abs. 1 bzw. Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie Art. 8 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) und Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK gewährleistet werden,
– und zweitens eine Verletzung des in Art. 21 Abs. 1 der Charta und Art. 14 EMRK verankerten Grundsatzes der Nichtdiskriminierung.
37 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die EMRK – auch wenn die durch sie anerkannten Grundrechte, wie Art. 6 Abs. 3 EUV bestätigt, als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts sind und die in der Charta enthaltenen Rechte, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, nach Art. 52 Abs. 3 der Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite haben, wie sie ihnen in der EMRK verliehen werden –, solange die Union ihr nicht beigetreten ist, kein Rechtsinstrument darstellt, das formell in die Unionsrechtsordnung übernommen worden ist (vgl. Urteil vom 3. September 2015, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission, C‑398/13 P, EU:C:2015:535, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).
38 Daher ist die vorliegende Einrede der Rechtswidrigkeit allein anhand der vom Kläger geltend gemachten Bestimmungen der Charta zu prüfen.
39 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 277 AEUV jede Partei in einem Rechtsstreit, bei dem die Rechtmäßigkeit eines von einem Organ, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Union erlassenen Rechtsakts mit allgemeiner Geltung angefochten wird, vor dem Gerichtshof der Europäischen Union die Unanwendbarkeit dieses Rechtsakts aus den in Art. 263 Abs. 2 AEUV genannten Gründen geltend machen kann.
40 Art. 277 AEUV ist nämlich Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, der jeder Partei das Recht gewährleistet, zum Zweck der Nichtigerklärung einer an sie gerichteten Entscheidung inzident die Gültigkeit derjenigen Rechtsakte mit allgemeiner Geltung zu bestreiten, die die Rechtsgrundlage für die Entscheidung bilden, falls die Partei nicht das Recht hatte, gemäß Art. 263 AEUV unmittelbar gegen diese Rechtsakte zu klagen, deren Folgen sie nunmehr erleidet, ohne dass sie ihre Nichtigerklärung hätte beantragen können. Der allgemeine Rechtsakt, dessen Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, muss unmittelbar oder mittelbar auf den streitgegenständlichen Fall anwendbar sein, und es muss ein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang zwischen der angefochtenen Einzelentscheidung und dem betreffenden allgemeinen Rechtsakt bestehen (vgl. Urteile vom 8. September 2020, Kommission und Rat/Carreras Sequeros u. a., C‑119/19 P und C‑126/19 P, EU:C:2020:676, Rn. 67 und 68 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Der Rat verfügt aber bei der allgemeinen und abstrakten Bestimmung der rechtlichen Kriterien und der Einzelheiten des Erlasses restriktiver Maßnahmen über einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. Urteil vom 28. April 2021, Sharif/Rat, T‑540/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:220, Rn. 167 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Damit unterliegen die allgemein gültigen Regeln, die diese Kriterien und Modalitäten festlegen, einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, die sich auf die Überprüfung der Einhaltung der Verfahrens- und Begründungsvorschriften, der sachlichen Richtigkeit des Sachverhalts, des Fehlens von Rechtsfehlern sowie des Fehlens offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts und eines Befugnismissbrauchs beschränkt (vgl. Urteil vom 28. September 2022, LAICO/Rat, T‑627/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:590, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).
43 Daneben müssen die Unionsgerichte nach ständiger Rechtsprechung im Einklang mit den Befugnissen, die ihnen aufgrund des Vertrags zustehen, eine grundsätzlich umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit sämtlicher Handlungen der Union im Hinblick auf die Grundrechte als Bestandteil der Unionsrechtsordnung gewährleisten (vgl. Urteil vom 9. September 2016, Farahat/Rat, T‑830/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:462, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 Die Begründetheit der Einrede der Rechtswidrigkeit ist im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.
– Zur ersten Rüge: das Kriterium der Familienzugehörigkeit verstoße gegen das Legalitätsprinzip und folglich gegen das Eigentumsrecht und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
45 Der Kläger macht geltend, dass die Grundrechte gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta zwar Gegenstand von Eingriffen durch staatliche Stellen sein könnten, jede diesbezügliche Einschränkung jedoch gesetzlich vorgesehen sein und den Anforderungen der Klarheit, Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit genügen müsse.
46 Nach Ansicht des Klägers verstößt das Kriterium der Familienzugehörigkeit gegen Art. 52 Abs. 1 der Charta, da es ihm „in besonderem Maße an Bestimmtheit ermangelt“. Dieser Mangel an Bestimmtheit mache es unmöglich, die Personen zu identifizieren, die von der Grundverordnung im Wesentlichen betroffen sein könnten.
47 Daraus folge, dass das Kriterium der Familienzugehörigkeit zum einen das in Art. 17 Abs. 1 der Charta garantierte Eigentumsrecht und zum anderen das Recht auf Achtung des guten Rufs als Teil des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens im Sinne von Art. 7 der Charta beeinträchtige.
48 Der Rat wendet sich gegen dieses Vorbringen.
49 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass sowohl das Eigentumsrecht als auch das Recht auf Achtung des Privatlebens, zu dem das Recht auf Achtung des guten Rufs gehört, nicht schrankenlos gewährleistet werden und ihre Ausübung unter den in Art. 52 Abs. 1 der Charta genannten Bedingungen eingeschränkt werden kann, wobei nach dieser Vorschrift zum einen „[j]ede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten … gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten [muss]“ und zum anderen „[Einschränkungen] [u]nter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit … nur vorgenommen werden [dürfen], wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen“.
50 Um mit dem Unionsrecht vereinbar zu sein, muss eine Beeinträchtigung von in der Charta verankerten Rechten oder Freiheiten somit vier Voraussetzungen erfüllen. Erstens muss die in Rede stehende Einschränkung insofern „gesetzlich vorgesehen“ sein, als das Unionsorgan, das Maßnahmen erlässt, die geeignet sind, das Recht oder die Freiheit einer natürlichen oder juristischen Person zu beschränken, hierfür über eine Rechtsgrundlage verfügen muss. Zweitens muss die in Rede stehende Einschränkung den Wesensgehalt des betroffenen Rechts oder der betroffenen Freiheit achten. Drittens muss sie einer dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung, die als solche von der Union anerkannt ist, tatsächlich entsprechen. Viertens muss die fragliche Einschränkung verhältnismäßig sein (vgl. Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 145 und die dort angeführte Rechtsprechung).
51 Wie oben aus Rn. 46 hervorgeht, macht der Kläger jedoch lediglich geltend, dass das Kriterium der Familienzugehörigkeit nicht hinreichend bestimmt sei, um die erste in Art. 52 Abs. 1 der Charta aufgestellte Voraussetzung zu erfüllen, wonach jede Einschränkung der Grundrechte gesetzlich vorgesehen sein müsse. Zu den drei anderen oben in Rn. 50 genannten Bedingungen macht der Kläger hingegen keine Ausführungen.
52 Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach den Feststellungen des Gerichtshofs der in Art. 52 Abs. 1 der Charta mit dem Ausdruck „gesetzlich vorgesehen“ festgelegte Legalitätsgrundsatz bedeutet, dass jede Einschränkung der in dieser Vorschrift verankerten Rechte und Freiheiten eine gesetzliche Grundlage haben muss, die den Umfang der Einschränkung ihrer Ausübung klar und genau selbst festlegen muss (Gutachten 1/15 [PNR-Abkommen EU-Kanada] vom 26. Juli 2017, EU:C:2017:592, Rn. 139; Urteile vom 16. Juli 2020, Facebook Ireland und Schrems, C‑311/18, EU:C:2020:559, Rn. 175, und vom 8. September 2020, Recorded Artists Actors Performers, C‑265/19, EU:C:2020:677, Rn. 86).
53 Hinzuzufügen ist, dass das Legalitätsprinzip zwar verlangt, dass der Rechtsakt, der den Eingriff in die Grundrechte ermöglicht, den Umfang der Einschränkung der Ausübung des betreffenden Rechts selbst festlegen muss, dass aber dieses Erfordernis nicht ausschließt, dass zum einen die fragliche Einschränkung hinreichend offen formuliert ist, um Anpassungen an verschiedene Fallgruppen und an Änderungen der Lage zu erlauben, und zum anderen der Gerichtshof der Europäischen Union gegebenenfalls die konkrete Tragweite der Einschränkung im Wege der Auslegung präzisieren kann, und zwar anhand sowohl des Wortlauts als auch der Systematik und der Ziele der fraglichen Unionsregelung, wie sie im Licht der durch die Charta garantierten Grundrechte auszulegen sind (vgl. Urteil vom 21. Juni 2022, Ligue des droits humains, C‑817/19, EU:C:2022:491, Rn. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).
54 In diesem Zusammenhang verlangt der Grundsatz der Rechtssicherheit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können – klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein müssen (vgl. Urteil vom 15. September 2021, Ilunga Luyoyo/Rat, T‑101/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:575, Rn. 201 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieser Grundsatz gilt für restriktive Maßnahmen wie die im vorliegenden Fall in Rede stehenden, die die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen beeinträchtigen (vgl. Urteil vom 15. September 2021, Mutondo/Rat, T‑103/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:578, Rn. 205 und die dort angeführte Rechtsprechung).
55 Im vorliegenden Fall erlaubt es das Kriterium der Familienzugehörigkeit entgegen dem Vorbringen des Klägers dem Rat nicht, alle Personen mit dem Nachnamen Assad restriktiven Maßnahmen zu unterwerfen, unabhängig davon, ob sie zu der Familie Assad, die derzeit in Syrien an der Macht ist, gehören oder nicht.
56 Denn zum einen wird gemäß Art. 27 Abs. 4 und Art. 28 Abs. 4 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung bei allen Beschlüssen über die Aufnahme in die Liste die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme in jedem einzelnen Fall berücksichtigt.
57 Zum anderen ist das Kriterium der Familienzugehörigkeit in einen rechtlichen Rahmen eingebettet, der durch die Ziele, die insbesondere mit der Grundverordnung verfolgt werden, klar abgegrenzt ist.
58 So ist gemäß der oben in Rn. 53 angeführten Rechtsprechung das Kriterium der Familienzugehörigkeit insbesondere im Hinblick auf die Ziele der restriktiven Maßnahmen auszulegen, die aufgrund der Lage in Syrien erlassen wurden. Im vorliegenden Fall geht aus dem siebten Erwägungsgrund des Beschlusses 2015/1836 hervor, dass „die einflussreichen Mitglieder der Familien Assad und Makhlouf“ das Machtzentrum innerhalb des syrischen Regimes bilden und der Rat daher restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Mitglieder dieser Familien vorgesehen hat, „damit sowohl das Regime durch Mitglieder der genannten Familien unmittelbar dazu bewogen wird, seine repressive Politik zu ändern, als auch die Gefahr der Umgehung restriktiver Maßnahmen durch Familienmitglieder vermieden wird“ (siehe oben, Rn. 8).
59 Im vorliegenden Fall macht der Kläger erstens geltend, das Kriterium der Familienzugehörigkeit ziele zum einen auf Personen ab, die den in Syrien sehr häufigen Namen Assad trügen, aber der Familie Assad nicht zugehörig seien, die in diesem Land an der Macht sei. Zum anderen schließe dieses Kriterium Personen, die diesen Familiennamen durch Heirat verloren hätten, von seinem Geltungsbereich aus.
60 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Anwendungsbereich des Kriteriums der Familienzugehörigkeit, auch wenn es offen formuliert ist, durch den siebten Erwägungsgrund des Beschlusses 2015/1836 (siehe oben, Rn. 58) eingegrenzt wird und daher nur auf einen klar identifizierbaren Personenkreis abzielen kann, nämlich auf Personen, die zu der derzeit in Syrien herrschenden Familie Assad gehören.
61 Daraus folgt zum einen, dass Personen, die den Familiennamen Assad tragen, unabhängig davon, wie häufig er in Syrien vorkommt, nur dann in den Anwendungsbereich des Kriteriums der Familienzugehörigkeit fallen, wenn sie eine verwandtschaftliche Beziehung zu der Familie Assad haben, die in Syrien derzeit an der Macht ist.
62 Zum anderen können, wie der Rat geltend macht, die Namen von Personen, die mit der in Syrien herrschenden Familie Assad verwandt sind, auf der Grundlage des Kriteriums der Familienzugehörigkeit auch dann in die streitigen Listen aufgenommen werden, wenn sie nicht den Familiennamen Assad tragen.
63 Zweitens macht der Kläger geltend, dass das Kriterium der Familienzugehörigkeit ungenau sei, da es sich auf alle Mitglieder der Familie Assad beziehe und nicht zwischen Mitgliedern, die eine führende Stellung einnähmen, und solchen, die keine führende Stellung einnähmen, unterscheide.
64 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Kriterium der Familienzugehörigkeit keine Voraussetzung vorsieht, die an eine führende Stellung der Mitglieder der Familie Assad anknüpft. Hingegen ist diese Voraussetzung ausdrücklich im Wortlaut von Art. 27 Abs. 2 Buchst. a und Art. 28 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung sowie von Art. 15 Abs. 1a Buchst. a der Verordnung Nr. 36/2012 in der durch die Verordnung 2015/1828 geänderten Fassung enthalten, wo von „führenden Geschäftsleuten, die in Syrien tätig sind“, die Rede ist.
65 Daraus folgt, dass das Kriterium der Familienzugehörigkeit nicht nur die „führenden“ Mitglieder der Familie Assad, die in Syrien an der Macht sind, erfassen soll. Denn der Rat zielt mit den auf der Grundlage dieses Kriteriums erlassenen restriktiven Maßnahmen darauf ab, bestimmte Mitglieder der genannten Familie dazu zu bewegen, Druck auf das syrische Regime auszuüben, damit es die Unterdrückung der Zivilbevölkerung einstellt, und die Gefahr einer Umgehung der restriktiven Maßnahmen durch Mitglieder dieser Familie vermieden wird (vgl. oben, Rn. 58).
66 Drittens macht der Kläger geltend, der in den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten verankerte Grundsatz der persönlichen Verantwortung stehe jeder systematischen Eintragung entgegen, durch die eine Person allein aufgrund der Tatsache, dass sie zur Familie Assad gehöre, „sanktioniert“ werde, da niemand für das Verhalten seiner Verwandten verantwortlich gemacht werden könne.
67 Hierzu ist anzumerken, dass zwar gemäß der Rechtsprechung nach dem Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen eine natürliche oder juristische Person nur für ihr individuell zur Last gelegte Handlungen mit Sanktionen belegt werden darf (vgl. Urteil vom 7. Juni 2023, Skryba/Rat, T‑581/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:321, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
68 Die restriktiven Maßnahmen stellen jedoch gezielte Präventivmaßnahmen dar, die sich streng an die rechtlichen Voraussetzungen halten, die in einem auf der Grundlage von Art. 29 EUV erlassenen Beschluss und in einer auf Art. 215 Abs. 2 AEUV gestützten Verordnung zur Umsetzung dieses Beschlusses im Anwendungsbereich des AEU-Vertrags festgelegt sind. Sie zielen insbesondere darauf ab, Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit im Einklang mit den Bestimmungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) zu bekämpfen. Daher unterscheiden sich restriktive Maßnahmen aufgrund ihres sichernden Charakters sowie ihres präventiven Zwecks von strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2023, Skryba/Rat, T‑581/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:321, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 Insbesondere besteht, wie oben in Rn. 58 ausgeführt, das Ziel der wegen der Lage in Syrien erlassenen restriktiven Maßnahmen nicht darin, die Personen oder Einrichtungen, gegen die sie gerichtet sind, zu sanktionieren, sondern durch sie Druck auf das syrische Regime auszuüben, damit es die Politik der gewaltsamen Unterdrückung der syrischen Zivilbevölkerung einstellt.
70 Im Übrigen wird, wie oben in Rn. 56 dargestellt, bei allen Beschlüssen über die Aufnahme in die Liste die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme in jedem einzelnen Fall berücksichtigt, so dass eine Aufnahme nicht automatisch auf der Grundlage des Kriteriums der Familienzugehörigkeit erfolgen kann.
71 Folglich kann sich der Kläger nicht auf den Grundsatz der persönlichen Verantwortung berufen, um die Rechtmäßigkeit des Kriteriums der Familienzugehörigkeit in Frage zu stellen.
72 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass das Kriterium der Familienzugehörigkeit in Verbindung mit dem Ziel, Druck auf das syrische Regime auszuüben, um es zur Beendigung seiner Unterdrückungspolitik zu zwingen, objektiv und hinreichend genau eine eingegrenzte Kategorie von Personen definiert, die Gegenstand restriktiver Maßnahmen sein können.
73 Folglich ist das Gericht der Ansicht, dass in dem Kriterium der Familienzugehörigkeit eine klare und präzise Bestimmung zu sehen ist, die den Anforderungen des Legalitätsprinzips im Sinne der oben in Rn. 52 angeführten Rechtsprechung genügt.
74 Unter diesen Umständen und angesichts des Umstands, dass das Kriterium der Familienzugehörigkeit dem Legalitätsprinzip genügt, ist auch das Vorbringen des Klägers zurückzuweisen, mit dem eine Verletzung des Eigentumsrechts und des Rechts auf Achtung des guten Rufs geltend gemacht wird.
75 Die erste Rüge ist daher zurückzuweisen.
– Zur zweiten Rüge: Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot
76 Im Rahmen der zweiten Rüge bringt der Kläger vor, dass die „Sanktionierung“ einer Person allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Familie, unabhängig von der Bedeutung dieses Begriffs, eine Diskriminierung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 der Charta darstelle. Er vertritt die Ansicht, die Anwendung des Kriteriums der Familienzugehörigkeit führe zu einem Ergebnis, das in keinem Verhältnis zum verfolgten Ziel stehe, da er als Neffe zweiten Grades des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad (im Folgenden: syrischer Präsident) niemals in der Lage sein werde, die Begründetheit des ersten Eintragungsgrundes in Frage zu stellen.
77 Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen.
78 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass gemäß Art. 21 Abs. 1 der Charta „Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung … verboten [sind]“.
79 Der Gleichbehandlungsgrundsatz, der einen fundamentalen Grundsatz des Unionsrechts bildet und der im Diskriminierungsverbot in besonderer Weise zum Ausdruck kommt, enthält nach der Rechtsprechung das Verbot, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln, es sei denn, eine derartige Behandlung wäre objektiv gerechtfertigt (Urteile vom 31. Mai 2018, Kaddour/Rat, T‑461/16, EU:T:2018:316, Rn. 152 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 23. November 2022, Bowden und Young/Europol, T‑72/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:720, Rn. 151 und die dort angeführte Rechtsprechung).
80 Eine unterschiedliche Behandlung ist gerechtfertigt, wenn sie auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht, d. h., wenn sie im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit der in Rede stehenden Regelung verfolgt wird, und wenn diese unterschiedliche Behandlung in angemessenem Verhältnis zu dem mit der betreffenden Behandlung verfolgten Ziel steht (vgl. Urteil vom 16. Juni 2021, Krajowa Izba Gospodarcza Chłodnictwa i Klimatyzacji/Kommission, T‑126/19, EU:T:2021:360, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).
81 Ferner verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der in Art. 5 Abs. 4 EUV verankert ist, dass die von einer unionsrechtlichen Bestimmung eingesetzten Mittel zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über das zur Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinausgehen (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2020, Haswani/Rat, T‑521/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:608, Rn. 171 und die dort angeführte Rechtsprechung).
82 Der Rat verfügt im Bereich der restriktiven Maßnahmen, wie oben aus Rn. 41 folgt, bei der Festlegung und Annahme der Kriterien für die Eintragung über einen weiten Gestaltungsspielraum. Daher hängt die Rechtmäßigkeit der restriktiven Maßnahmen nicht von der Feststellung ihrer unmittelbaren Auswirkungen ab, sondern erfordert lediglich, dass sie im Hinblick auf das Ziel, das das zuständige Organ damit verfolgen will, nicht offensichtlich ungeeignet sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2020, Rosneft u. a./Rat, C‑732/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:727, Rn. 97).
83 Im vorliegenden Fall macht der Kläger geltend, dass das Kriterium der Familienzugehörigkeit diskriminierend sei, da es die Verhängung von „Sanktionen“ gegen eine „Vielzahl von Personen, die nichts mit dem syrischen Präsidenten zu tun haben“, erlaube, so dass es zu einem Ergebnis führe, das in keinem Verhältnis zum verfolgten Ziel stehe.
84 Erstens ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die von der Union erlassenen restriktiven Maßnahmen nicht zu einer Einziehung der Vermögenswerte der Betroffenen als Erträge aus einer Straftat führen, sondern zu einem vorsorglichen Einfrieren, so dass sie keine strafrechtliche Sanktion darstellen. Sie enthalten im Übrigen auch keinen derartigen Vorwurf (vgl. Urteile vom 21. Juli 2016, Hassan/Rat, T‑790/14, EU:T:2016:429, Rn. 77 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 12. Dezember 2018, Makhlouf/Rat, T‑409/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:901, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung).
85 Was nun die wegen der Lage in Syrien erlassenen restriktiven Maßnahmen betrifft, besteht das verfolgte Ziel nicht darin, das syrische Regime oder die Personen, deren Namen in den streitigen Listen aufgeführt sind, zu sanktionieren, sondern Druck auf dieses Regime auszuüben, damit es die Politik der gewaltsamen Unterdrückung der Zivilbevölkerung beendet (vgl. oben, Rn. 58).
86 Es handelt sich also um ein Ziel, das sich in den allgemeineren Rahmen der Bemühungen um die Erhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit einfügt, die in Art. 21 EUV, der die Bestimmungen über das auswärtige Handeln der Union betrifft, vorgesehen sind, und das daher legitim ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. September 2020, Kaddour/Rat, T‑510/18, EU:T:2020:436, Rn. 176 [nicht veröffentlich]).
87 Wie der Rat geltend macht, ist der Erlass restriktiver Maßnahmen gegenüber dem Kläger angemessen, da damit ein für die Völkergemeinschaft derart grundlegendes Ziel wie der Schutz der Zivilbevölkerung verfolgt wird. Das Einfrieren von Geldern und anderen wirtschaftlichen Ressourcen sowie das Verbot der Einreise in das Gebiet der Union für Personen, bei denen festgestellt wurde, dass sie an der Unterstützung des syrischen Regimes beteiligt sind, können daher als solche nicht als unangemessen angesehen werden (vgl. Urteil vom 16. Januar 2019, Haswani/Rat, T‑477/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:7, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).
88 Daraus folgt, dass die auf der Grundlage des Kriteriums der Familienzugehörigkeit erlassenen restriktiven Maßnahmen zum einen keinesfalls mit Sanktionen gleichgesetzt werden können und dass diese Maßnahmen zum anderen ein von der Union anerkanntes Ziel des Allgemeininteresses verfolgen.
89 Zweitens bezieht sich das Kriterium der Familienzugehörigkeit entgegen dem Vorbringen des Klägers auf eine bestimmte Kategorie von Personen, nämlich auf Personen, die mit der in Syrien herrschenden Familie Assad verwandt und somit Mitglieder dieser Familie sind (vgl. oben, Rn. 60, 61 und 72).
90 Drittens stellt der Kläger nicht klar, inwiefern oder im Vergleich zu welchen Personen die Umsetzung des Kriteriums der Familienzugehörigkeit diskriminierend sein sollte. Er führt auch keine konkreten Beispiele anderer Personen an, die sich in einer mit seiner Situation vergleichbaren Lage befänden und im Sinne der oben in Rn. 79 angeführten Rechtsprechung unterschiedlich behandelt würden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 30. November 2016, Export Development Bank of Iran/Rat, T‑89/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:693, Rn. 120). Unter diesen Umständen ist das Gericht nicht in der Lage, zu prüfen, ob seine Behauptungen in tatsächlicher Hinsicht begründet sind.
91 Viertens ist auch das Vorbringen des Klägers zurückzuweisen, dass das Kriterium der Familienzugehörigkeit zu einem Ergebnis führen würde, das gemessen an dem mit den in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen verfolgten Ziel unverhältnismäßig sei, da es ihm als Neffe zweiten Grades des syrischen Präsidenten unmöglich sei, die Vermutung einer Verbindung zum syrischen Regime zu widerlegen.
92 Insoweit genügt nämlich die Feststellung, dass nach Art. 27 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 3 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung und Art. 15 Abs. 1b der Verordnung Nr. 36/2012 in der durch die Verordnung 2015/1828 geänderten Fassung die Namen von Personen, die unter die verschiedenen Kriterien für die Aufnahme in die Liste fallen, insbesondere der Mitglieder der Familie Assad, nicht in die in Rede stehenden Listen aufgenommen oder darin belassen werden, wenn ausreichende Informationen vorliegen, dass diese Personen nicht oder nicht mehr mit dem Regime in Verbindung stehen oder Einfluss auf dieses ausüben oder keine reale Gefahr besteht, dass sie restriktive Maßnahmen umgehen.
93 Daher kann jede Person ungeachtet der Eigenschaft oder des Status, aufgrund derer ihr Name in die in Rede stehenden Listen aufgenommen wurde, Beweise vorlegen, um die Aufnahme oder Beibehaltung ihres Namens in diesen Listen zu beanstanden. Das gilt im vorliegenden Fall auch für den Kläger in seiner Eigenschaft als Neffe zweiten Grades des syrischen Präsidenten.
94 Nach alledem ist die zweite Rüge und damit die Einrede der Rechtswidrigkeit insgesamt zurückzuweisen.
[nicht wiedergegeben ]
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Neunte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Herr Samer Kamal Al-Assad trägt die Kosten.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. September 2024.
Unterschriften