Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Vierte erweiterte Kammer)
29. Januar 2025(* )
„ Nichtigkeitsklage – Staatliche Beihilfen – Postsektor – Kapitalzuführungen zugunsten von Post Danmark – Beschluss, mit dem das Nichtvorliegen einer staatlichen Beihilfe festgestellt wird – Kapitalzuführungen zugunsten von PostNord – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird – Keine individuelle Betroffenheit – Keine spürbare Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung – Unzulässigkeit “
In der Rechtssache T‑334/22,
Danske Fragtmænd A/S mit Sitz in Åbyhøj (Dänemark), vertreten durch Rechtsanwältin L. Sandberg-Mørch,
Klägerin,
unterstützt durch
UPS Europe NV/SA mit Sitz in Brüssel (Belgien)
und
Dansk Avis Omdeling A/S mit Sitz in Vejle (Dänemark),
vertreten durch Rechtsanwältin L. Sandberg-Mørch,
Streithelferinnen,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch J. Carpi Badía und L. Nicolae als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Königreich Dänemark, vertreten durch C. Maertens als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt R. Holdgaard,
durch
Königreich Schweden, vertreten durch C. Meyer-Seitz, F.‑L. Göransson, H. Eklinder und R. Shahsavan Eriksson als Bevollmächtigte,
und durch
Post Danmark A/S mit Sitz in Kopenhagen (Dänemark),
PostNord Group AB mit Sitz in Solna (Schweden),
vertreten durch Rechtsanwalt O. Koktvedgaard,
Streithelfer,
erlässt
DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas, des Richters R. da Silva Passos (Berichterstatter) sowie der Richterinnen N. Półtorak, I. Reine und T. Pynnä,
Kanzler: A. Marghelis, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2024
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Danske Fragtmænd A/S, die Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2022/459 der Kommission vom 10. September 2021 über die von Dänemark und Schweden durchgeführten Staatlichen Beihilfen SA.49668 (2019/C) (ex 2017/FC) und SA.53403 (2019/C) (ex 2017/FC) zugunsten von PostNord AB und Post Danmark A/S (ABl. 2022, L 93, S. 146, im Folgenden: angefochtener Beschluss).
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Die Klägerin ist eine Gesellschaft dänischen Rechts, die u. a. auf dem dänischen Markt für Güterkraftverkehrsdienste und Paketzustelldienste tätig ist.
3 Die PostNord AB ist eine Gesellschaft, deren Haupttätigkeit die Briefzustellung ist. Sie ist hauptsächlich auf dem schwedischen, dem dänischen, dem norwegischen und dem finnischen Postmarkt tätig. Ihr Gesellschaftskapital wird zu 40 % vom Königreich Dänemark und zu 60 % vom Königreich Schweden gehalten. Jedem der beiden Aktionärsstaaten kommen 50 % der Stimmrechte zu. PostNord ist zu 100 % Eigentümerin der PostNord Group AB.
4 Die Post Danmark A/S ist eine 100%ige Tochtergesellschaft von PostNord Group, die auf dem dänischen und dem ausländischen Markt Postdienste anbietet. Seit der Liberalisierung des dänischen Postmarkts im Jahr 2011 steht Post Danmark im Wettbewerb mit anderen Postbetreibern.
5 Insbesondere aufgrund des Trends zur Digitalisierung der Korrespondenz gingen die Einnahmen von Post Danmark im Zeitraum von 2009 bis 2019 um 55 % zurück. Ab dem Jahr 2012 erwirtschaftete das Unternehmen Defizite.
6 Am 20. Oktober 2017 schlossen das Königreich Dänemark und das Königreich Schweden eine bilaterale Vereinbarung mit dem Titel „Agreement between the Kingdom of Sweden and the Kingdom of Denmark regarding [PostNord]“ („Vereinbarung zwischen dem Königreich Schweden und dem Königreich Dänemark über [PostNord]“, im Folgenden: Vereinbarung vom Oktober 2017). Darin werden mehrere Maßnahmen zugunsten von PostNord und Post Danmark zur Bewältigung der Herausforderungen der Digitalisierung in Dänemark und zur Umsetzung des neuen Produktionsmodells beschrieben, das der Vorstand von PostNord entwickelt hatte. Nach dieser Vereinbarung sollte das neue Produktionsmodell u. a. durch zwei vom Königreich Dänemark und vom Königreich Schweden gewährte Kapitalzuführungen zugunsten von PostNord sowie durch eine interne Einlage der PostNord Group in Post Danmark finanziert werden.
7 Das Königreich Dänemark und das Königreich Schweden führten jeweils eine Kapitalzuführung zugunsten von PostNord über einen Betrag von 267 Mio. schwedische Kronen (SEK) (etwa 23,1 Mio. Euro) bzw. 400 Mio. SEK (etwa 34,6 Mio. Euro) durch, während PostNord Group eine Kapitalzuführung zugunsten von Post Danmark über einen Betrag von 2,339 Mrd. dänische Kronen (DKK) (etwa 313,6 Mio. Euro) vornahm (im Folgenden zusammen: in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannte Kapitalzuführungen).
8 Am 27. November 2017 legte eine Branchenvereinigung von in Dänemark im Straßenverkehrs- und Logistiksektor tätigen Gesellschaften dänischen Rechts (Brancheorganisation for den danske vejgodstransport – ITD) eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein, mit der sie geltend machte, dass die dänischen und schwedischen Behörden Post Danmark durch verschiedene frühere oder künftige Maßnahmen rechtswidrige staatliche Beihilfen gewährt hätten oder gewähren würden. Zu diesen Maßnahmen gehörten die in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen.
9 Am 14. Juni 2019 beschloss die Kommission, ein förmliches Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV in Bezug auf die in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen einzuleiten.
10 Am 10. September erließ die Kommission nach Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens den angefochtenen Beschluss. In diesem Beschluss stellte die Kommission fest, dass es sich bei den im Beschluss vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen um drei separate Maßnahmen handele, die gesondert zu prüfen seien. Sie vertrat die Auffassung, dass die Kapitalzuführung von PostNord Group zugunsten von Post Danmark keine Gewährung eines Vorteils mit sich gebracht habe und folglich keine staatliche Beihilfe darstelle. Hingegen kam sie zu dem Ergebnis, dass die Kapitalzuführungen des Königreichs Dänemark und des Königreichs Schweden zugunsten von PostNord rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen darstellten, und ordnete deren Rückforderung von PostNord an.
Anträge der Parteien
11 Die Klägerin beantragt,
– den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;
– der Kommission, dem Königreich Schweden und dem Königreich Dänemark die Kosten aufzuerlegen.
12 Die Kommission beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
13 Das Königreich Dänemark und das Königreich Schweden beantragen, die Klage abzuweisen.
14 Post Danmark und PostNord Group beantragen,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
15 Die UPS Europe NV/SA beantragt,
– den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
16 Die Dansk Avis Omdeling A/S hat keinen Streithilfeschriftsatz eingereicht.
Rechtliche Würdigung
17 Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Dänemark, das Königreich Schweden, Post Danmark und PostNord Group, macht geltend, dass die Klage wegen fehlender Klagebefugnis der Klägerin unzulässig sei. Insbesondere habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass ihre Marktstellung durch die in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen spürbar beeinträchtigt worden sei.
18 Die Klägerin macht geltend, dass ihr eine Klagebefugnis zukomme. Die in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen hätten ihre Wettbewerbsstellung auf dem Markt für Postdienste in Dänemark und den nordischen Ländern spürbar beeinträchtigt. So hätten sie es Post Danmark ermöglicht, „Preisdumping unterhalb eines wettbewerbsgerechten Niveaus“ zu betreiben. Die Kapitalzuführungen hätten zum Verlust einer beträchtlichen Anzahl der Kunden der Klägerin und folglich zu einem Rückgang ihrer Marktanteile um 30 % geführt, wofür sie den Nachweis erbracht habe.
19 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV jede natürliche oder juristische Person unter den Bedingungen nach den Abs. 1 und 2 dieses Artikels gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben kann.
20 Erstens ist im vorliegenden Fall der angefochtene Beschluss, wie sich aus seinem Art. 7 ergibt, ausschließlich an das Königreich Dänemark und das Königreich Schweden und nicht an die Klägerin gerichtet. Eine Zulässigkeit der vorliegenden Klage nach Art. 263 Abs. 4 erste Variante AEUV kommt mithin nicht in Betracht.
21 Zweitens haben die in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen individuellen Charakter. Der angefochtene Beschluss kann daher nicht als Rechtsakt mit Verordnungscharakter im Sinne von Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV qualifiziert werden (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 10. Oktober 2017, Greenpeace Energy/Kommission, C‑640/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:752, Rn. 26, und Urteil vom 3. Dezember 2014, Castelnou Energía/Kommission, T‑57/11, EU:T:2014:1021, Rn. 23). Eine Zulässigkeit der vorliegenden Klage nach diesem Gesichtspunkt kommt daher nicht in Betracht.
22 Folglich ist die vorliegende Nichtigkeitsklage nur zulässig, wenn die Klägerin im Einklang mit Art. 263 Abs. 4 zweite Variante AEUV vom angefochtenen Beschluss unmittelbar und individuell betroffen ist, wobei es sich um kumulative Voraussetzungen handelt.
23 Im vorliegenden Fall hält es das Gericht für angebracht, zunächst die Voraussetzung der individuellen Betroffenheit zu prüfen.
24 Nach ständiger Rechtsprechung können andere Personen als die Adressaten eines Beschlusses nur dann individuell betroffen sein, wenn dieser Beschluss sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten eines solchen Beschlusses (vgl. Urteil vom 22. November 2007, Sniace/Kommission, C‑260/05 P, EU:C:2007:700, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).
25 Was speziell den Bereich der staatlichen Beihilfen angeht, muss ein Kläger, der die Begründetheit eines nach Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens erlassenen Beschlusses in Frage stellt, mit dem die Beihilfe beurteilt wird, dartun, dass ihm eine besondere Stellung im Sinne der oben in Rn. 24 angeführten Rechtsprechung zukommt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Stellung des Klägers auf dem betroffenen Markt durch die Beihilfe, die Gegenstand des betreffenden Beschlusses ist, spürbar beeinträchtigt wird (vgl. Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
26 Die spürbare Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung des Klägers auf dem fraglichen Markt ergibt sich nicht aus einer eingehenden Prüfung der verschiedenen Wettbewerbsbeziehungen auf diesem Markt und der daraus folgenden Bestimmung des genauen Ausmaßes der Beeinträchtigung seiner Wettbewerbsstellung, sondern grundsätzlich aus einer Feststellung prima facie , dass die Durchführung der vom Beschluss der Kommission erfassten Maßnahme zu einer spürbaren Beeinträchtigung dieser Wettbewerbsstellung führt (Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 58).
27 Daraus folgt, dass diese Voraussetzung erfüllt sein kann, wenn der Kläger mit seinem Vorbringen dartut, dass die fragliche Maßnahme seine Stellung auf dem betroffenen Markt spürbar beeinträchtigen kann (vgl. Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Hinsichtlich der Feststellung einer spürbaren Beeinträchtigung der Marktstellung ist zum einen darauf hinzuweisen, dass ein Unternehmen jedenfalls nicht schon dann als von einer Handlung individuell betroffen angesehen werden kann, wenn diese Handlung geeignet war, die auf dem relevanten Markt bestehenden Wettbewerbsverhältnisse zu beeinflussen, und das betroffene Unternehmen in einer irgendwie gearteten Wettbewerbsbeziehung zu dem durch die Handlung Begünstigten stand. Es reicht also nicht aus, wenn sich ein Unternehmen lediglich auf seine Eigenschaft als Wettbewerber des begünstigten Unternehmens beruft (vgl. Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29 Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass der Nachweis einer spürbaren Beeinträchtigung der Stellung eines Wettbewerbers auf dem Markt nicht auf das Vorliegen bestimmter Anhaltspunkte für eine Verschlechterung der kommerziellen oder finanziellen Leistungen des Klägers, wie einer bedeutenden Umsatzeinbuße, nicht unerheblichen finanziellen Verlusten oder einer signifikanten Verringerung der Marktanteile infolge der Gewährung der fraglichen Beihilfe, beschränkt werden kann. Die Gewährung einer staatlichen Beihilfe kann die Wettbewerbssituation eines Wirtschaftsteilnehmers auch in anderer Weise beeinträchtigen, u. a. durch Herbeiführung von Einnahmeausfällen oder einer weniger günstigen Entwicklung als der, die ohne eine solche Beihilfe zu verzeichnen gewesen wäre (vgl. Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).
30 Im Licht dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob die Klägerin, die, wie oben in Rn. 27 ausgeführt, die Beweislast trägt, den Nachweis erbracht hat, vom angefochtenen Beschluss individuell betroffen zu sein.
31 Im Hinblick auf die Prüfung, ob die Klägerin den Nachweis erbracht hat, vom angefochtenen Beschluss individuell betroffen zu sein, ist festzustellen, dass ihr zufolge die in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen Post Danmark zum einen allesamt am 20. Oktober 2017 gewährt wurden und sie zum anderen in einem Wettbewerbsverhältnis zu Post Danmark stehe.
32 Vor diesem Hintergrund macht die Klägerin als Erstes in Bezug auf ihre Rolle im Verwaltungsverfahren vor der Kommission zu Recht geltend, eine aktive Rolle gespielt zu haben. Im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens hat sie nämlich als Beteiligte eine Stellungnahme abgegeben. Allerdings kann allein aus der Beteiligung der Klägerin am Verwaltungsverfahren nicht geschlossen werden, dass sie vom angefochtenen Beschluss individuell betroffen ist, auch wenn sie in diesem Verwaltungsverfahren eine wichtige Rolle gespielt haben mag (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. April 2019, Deutsche Lufthansa/Kommission, T‑492/15, EU:T:2019:252, Rn. 143 und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 Was als Zweites die spürbare Beeinträchtigung ihrer Marktstellung angeht, behauptet die Klägerin, wie oben in Rn. 18 ausgeführt, aufgrund eines von Post Danmark vermöge der in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen betriebenen „Preisdumpings unterhalb eines wettbewerbsgerechten Niveaus“, eine beträchtliche Anzahl von Kunden und etwa 30 % ihrer Marktanteile verloren zu haben. Ferner hat die Klägerin in der Erwiderung geltend gemacht, dass die Gewährung der in Rede stehenden Kapitalzuführungen zu einer Änderung des Verhaltens der Kunden geführt habe, die beschlossen hätten, ihre Dienstleistungen nicht länger in Anspruch zu nehmen. So habe sie vor der Gewährung dieser Kapitalzuführungen Kunden an verschiedene Wettbewerber verloren, während sie danach beinahe ausschließlich an Post Danmark Kunden verloren habe.
34 Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Klägerin drei Listen von Kunden vorgelegt, die sich zwischen Januar 2016 und November 2021 von ihr abgewandt hätten, um zu PostNord zu wechseln. Im Rahmen des Wechsels zu PostNord hätten diese Kunden insbesondere die von Post Danmark angebotenen Dienstleistungen in Anspruch genommen. Konkret deckt die erste Liste den Zeitraum von Januar 2016 bis Oktober 2018 ab. Die zweite Liste, die sich teilweise mit der ersten überschneidet, bezieht sich auf den Zeitraum von Januar 2018 bis Juni 2019. Schließlich deckt die dritte Liste den Zeitraum von Oktober 2019 bis November 2021 ab (im Folgenden: Listen der angeblich an PostNord verlorenen Kunden).
35 Hierzu ist erstens festzustellen, dass die Behauptung der Klägerin, etwa 30 % der Marktanteile verloren zu haben, mangels Substantiierung durch einen Anscheinsbeweis, zurückzuweisen ist.
36 Was zweitens das in der Erwiderung erstattete Vorbringen der Klägerin zur angeblichen Verhaltensänderung der Kunden angeht, die beschlossen hätten, ihre Dienstleistungen nicht länger in Anspruch zu nehmen, ist festzustellen, dass sich die Klägerin auf die Listen der angeblich an PostNord verlorenen Kunden bezieht. In der ersten dieser Listen, die sich zum Teil auf die Zeit vor der Gewährung der in Rede stehenden Maßnahmen bezieht, werden mehrere Unternehmen aufgeführt, an die sich die ehemaligen Kunden der Klägerin gewandt hätten, während im Unterschied dazu in den beiden anderen Listen nur PostNord genannt wird.
37 Indes hat die Klägerin in ihrer Antwort auf eine prozessleitende Maßnahme und in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass alle in der ersten Liste aufgeführten Kunden ebenfalls an PostNord verloren gegangen seien, darunter diejenigen, die mit den Namen anderer konkurrierender Unternehmen in Verbindung gebracht worden seien, da es sich bei diesen anderen Unternehmen in Wirklichkeit um die Unterauftragnehmer von PostNord gehandelt habe.
38 Folglich sind die Listen der angeblich an PostNord verlorenen Kunden im Licht des Vorbringens der Klägerin allesamt dahin zu verstehen, dass darin die Kunden aufgeführt sind, die sich von der Klägerin abwandten, um ausschließlich zu PostNord oder ihren Unterauftragnehmern zu wechseln. Angesichts dieses Vorbringens können sie daher nicht als Nachweis für eine Verhaltensänderung dieser Kunden infolge der Gewährung der in Rede stehenden Maßnahmen verstanden werden.
39 Daraus folgt, dass das Vorbringen der Klägerin, wonach sie vor der Gewährung der in Rede stehenden Maßnahmen Kunden an mehrere Wettbewerber verloren habe, während sie danach ausschließlich an PostNord bzw. konkret an Post Danmark – der angeblichen Begünstigten dieser Maßnahmen – Kunden verloren habe, in Ermangelung anderer Nachweise zu seiner Substantiierung zurückzuweisen ist, ohne dass über die von der Kommission in Abrede gestellte Zulässigkeit dieses Vorbringens entschieden zu werden braucht.
40 Drittens ist zum Vorbringen der Klägerin, wonach sie aufgrund der Gewährung der in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen eine beträchtliche Anzahl von Kunden an PostNord verloren habe, Folgendes festzustellen:
41 Unter der Annahme, dass die Listen der angeblich an PostNord verlorenen Kunden ausreichen, um prima facie die Plausibilität einer spürbaren Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung der Klägerin im Sinne der oben in Rn. 26 angeführten Rechtsprechung nachzuweisen, ist entsprechend der der Klägerin obliegenden Beweislast zu prüfen, ob ihr der Nachweis gelungen ist, dass diese spürbare Beeinträchtigung ihrer Marktstellung auf die in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen zurückgeführt werden kann.
42 Selbst wenn man davon ausgeht, die Klägerin hätte in den Listen der angeblich an PostNord verlorenen Kunden zum einen die Kunden, die sich von ihr abwandten, um zu PostNord zu wechseln, korrekt identifiziert und wäre zum anderen zutreffend davon ausgegangen, dass diese insbesondere die von Post Danmark – der angeblichen Begünstigten der in Rede stehenden Maßnahmen – angebotenen Dienstleistungen in Anspruch genommen hätten, hat sie rechtlich nicht hinreichend dargetan, dass ein Zusammenhang zwischen dem behaupteten Verlust von Kunden an PostNord und den in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen bestehen könnte.
43 Zunächst geht nämlich aus den von der Klägerin vorgelegten Daten hervor, dass 22 ihrer Kunden im Jahr 2016 an PostNord verloren gegangen seien, 26 Kunden im Jahr 2017, 19 Kunden im Jahr 2018, 21 Kunden im Jahr 2019, 13 Kunden im Jahr 2020 und 14 Kunden im Jahr 2021. Es kann also festgestellt werden, dass der von der Klägerin angeblich zu beklagende Kundenverlust zwischen 2016 und 2019 trotz der Gewährung der in Rede stehenden Maßnahmen relativ konstant war. Ab 2018 fällt der angebliche Verlust von Kunden der Klägerin an PostNord sogar geringer aus als der im Jahr 2016 verzeichnete. In Ermangelung weiterer Erläuterungen, die es u. a. ermöglichen würden, die vorgelegten Zahlen in einen Kontext zu setzen, hat die Klägerin nicht dargetan, dass damit ein plausibler Kausalzusammenhang zwischen dem behaupteten Kundenverlust und den in Rede stehenden Maßnahmen hergestellt würde.
44 Sodann ist festzustellen, dass die Klägerin keinen Anscheinsbeweis zur Stützung ihres Vorbringens erbracht hat, wonach der angebliche Kundenverlust konkret auf Dumpingpreise bzw. Preise unterhalb eines wettbewerbsgerechten Niveaus zurückzuführen sei, die Post Danmark vermöge der in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen angeblich angeboten habe.
45 Denn zum einen hat die Klägerin zwar in der mündlichen Verhandlung angegeben, sich bei der dänischen Regierung über die Preise von Post Danmark beschwert zu haben, sie hat jedoch keinen Nachweis für die Einlegung einer solchen Beschwerde erbracht. Ferner hat sie weder eine Entscheidung vorgelegt, wonach Post Danmark Dumpingpreise anbiete, noch ein Dokument zum Nachweis des Vorliegens einer solchen Praxis.
46 Was zum anderen das Vorbringen der Klägerin angeht, wonach die Akquise der Kunden, die sie verloren habe, durch PostNord als solches das Vorliegen einer Praxis des Anbietens von Dumpingpreisen bzw. von Preisen unterhalb eines wettbewerbsgerechten Niveaus belege, genügt der Hinweis, dass, wie oben in Rn. 43 festgestellt, der von der Klägerin angeblich zu beklagende Verlust von Kunden an PostNord vor und nach der Gewährung der in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen relativ konstant war.
47 Außerdem ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach der Verlust einer großen Anzahl von Kunden an PostNord ausreiche, um den Kausalzusammenhang zwischen diesem Kundenverlust und den in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen herzustellen. Zur Stützung dieses Vorbringens beruft sich die Klägerin auf das Urteil vom 12. Dezember 2006, Asociación de Estaciones de Servicio de Madrid und Federación Catalana de Estaciones de Servicio/Kommission (T‑146/03, nicht veröffentlicht, EU:T:2006:386). Zwar hat das Gericht in diesem Urteil eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung der Mitglieder der Klägerinnen bereits aufgrund des Umstands angenommen, dass eines von ihnen im Hinblick auf 52 seiner Tankstellen einen Verlust von Kunden geltend gemacht hatte, die seit dem Inkrafttreten der streitigen Maßnahmen durch Begünstigte derselben beliefert worden waren. Jedoch geht aus diesem Urteil zum einen nicht hervor, dass die Anzahl der an die Begünstigten der in Rede stehenden Maßnahmen verlorenen Kunden wie im vorliegenden Fall vor und nach der Gewährung dieser Maßnahmen relativ ähnlich war. Zum anderen hat das Gericht in jüngeren Entscheidungen, in deren Vorfeld sich die Klägerin jeweils auf einen Verlust von Kunden an die Begünstigte der in Rede stehenden Maßnahme berufen hatte, jeweils festgestellt, dass diese keine Informationen vorgelegt hatte, die die Feststellung erlaubt hätten, dass der Verlust auf diese Maßnahme zurückzuführen war (Urteil vom 12. Juni 2014, Sarc/Kommission, T‑488/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:497, Rn. 54; Beschlüsse vom 11. April 2018, Abes/Kommission, T‑813/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:189, Rn. 59, und vom 17. Mai 2019, Deutsche Lufthansa/Kommission, T‑764/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:349, Rn. 134). Im Licht dieser jüngeren Entscheidungen ist daher davon auszugehen, dass das bloße Vorliegen eines Verlusts von Kunden an PostNord nicht ausreichen kann, um nachzuweisen, dass ein Zusammenhang zwischen diesem Verlust und den in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen zu bestehen vermag.
48 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass der angebliche Kundenverlust auf andere im Jahr 2018 eingetretene Faktoren zurückzuführen sein könnte. Aus dem von Post Danmark und PostNord Group vorgelegten internen Dokument der Klägerin mit dem Titel „Management Report/Annual Report 2019“ („Geschäftsführungsbericht/Jahresbericht 2019“) geht nämlich hervor, dass der von ihr im Jahr 2018 zu beklagende Kundenverlust auf zwei Faktoren gründet, nämlich auf der Einführung eines Kapazitätszuschlags durch die Klägerin und der unbefriedigenden Qualität der Paketzustellungen. Zwar stellt die Klägerin zum einen die Relevanz dieses internen Dokuments in Frage und trägt zum anderen vor, dass sich die Qualität der Paketzustellungen im Jahr 2019 verbessert habe. Sie bestreitet jedoch weder, einen Kapazitätszuschlag eingeführt zu haben, noch die unbefriedigende Qualität der Paketzustellungen im Jahr 2018 – Umstände, auf die in ihrem eigenen internen Dokument Bezug genommen wird.
49 Soweit der angebliche Kundenverlust auf anderen Faktoren als den in der Vereinbarung vom Oktober 2017 erwähnten Kapitalzuführungen gründet, war es Sache der Klägerin, der die oben in Rn. 27 erörterte Beweislast obliegt, Nachweise insbesondere dafür beizubringen, dass die spürbare Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsstellung trotz dieser anderen, oben in Rn. 48 genannten Faktoren auf diese Kapitalzuführungen zurückgeführt werden kann. Es ist jedoch festzustellen, dass die Klägerin keine solchen Nachweise beigebracht hat.
50 Schließlich haben Post Danmark und PostNord Group in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass der von der Klägerin zwischen 2018 und 2019 verzeichnete Umsatzrückgang unter 3 % gelegen habe, worin sich der angebliche Verlust von 30 % des Marktanteils infolge der in Rede stehenden Maßnahmen nicht widerspiegele. Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass ihr Umsatz zwischen 2018 und 2019 nur um weniger als 3 % zurückgegangen sei. Ferner geht diese Zahl aus dem Dokument mit dem Titel „Annual Report 2019“ („Geschäftsbericht 2019“) hervor, das sie selbst im Laufe des Verfahrens vorgelegt hat. Der Umstand, dass die Klägerin im betreffenden Zeitraum ungeachtet der Gewährung der in Rede stehenden Maßnahme relativ konstante Umsätze erzielte, deutet darauf hin, dass diese Maßnahmen nicht geeignet waren, ihre Wettbewerbsstellung auf dem betroffenen Markt spürbar zu beeinträchtigen.
51 Unter diesen Umständen hat die Klägerin selbst unter der Annahme, dass Post Danmark im Oktober 2017 von den in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen profitierte und auf dem Markt für Postdienste in Dänemark und den nordischen Ländern mit der Klägerin im Wettbewerb stand, nicht dargetan, dass die in der Vereinbarung vom Oktober 2017 genannten Kapitalzuführungen geeignet waren, ihre Wettbewerbsstellung spürbar zu beeinträchtigen. Folglich hat sie nicht nachgewiesen, individuell vom angefochtenen Beschluss betroffen zu sein, wie es die Rechtsprechung verlangt.
52 Nach alledem ist die Klage wegen mangelnder Klagebefugnis der Klägerin als unzulässig abzuweisen, ohne dass die Frage ihrer unmittelbaren Betroffenheit beantwortet zu werden braucht.
Kosten
53 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr neben ihren eigenen Kosten gemäß den Anträgen der Kommission, von Post Danmark und PostNord Group deren Kosten aufzuerlegen.
54 Darüber hinaus tragen nach Art 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung die Mitgliedstaaten und Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Das Königreich Dänemark und das Königreich Schweden tragen daher ihre eigenen Kosten.
55 Schließlich kann das Gericht nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in den Abs. 1 und 2 dieses Artikels genannten seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall ist zu entscheiden, dass UPS Europe und Dansk Avis Omdeling, die dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Anträge der Klägerin als Streithelferinnen beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2. Die Danske Fragtmænd A/S trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission, der Post Danmark A/S und der PostNord Group AB.
3. Das Königreich Dänemark, das Königreich Schweden, die UPS Europe NV/SA und die Dansk Avis Omdeling A/S tragen ihre eigenen Kosten.
Papasavvas
da Silva Passos
Półtorak
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. Januar 2025.
Unterschriften