Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Sechste erweiterte Kammer)
13. November 2024(* )
„ Verbraucherschutz – Stoffe, deren Verwendung Beschränkungen unterliegt, die verboten sind oder die von der Union geprüft werden – Art. 8 Abs. 1 und 2 sowie Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 – Verbot und Prüfung bestimmter Stoffe und Zubereitungen, die Hydroxyanthracen-Derivate enthalten – Art. 1 Nr. 1 erster und zweiter Eintrag und Nr. 2 erster und zweiter Eintrag der Verordnung (EU) 2021/468 – Begriffe ‚Stoff‘, ‚Zutat‘ und ‚Zubereitungen‘ – Rechtsfehler “
In der Rechtssache T‑271/21,
Ortis mit Sitz in Bütgenbach (Belgien), vertreten durch Rechtsanwalt A. de Brosses,
Klägerin,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch F. Clotuche-Duvieusart, I. Galindo Martín und B. Rous Demiri als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer),
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. J. Costeira, der Richterin M. Kancheva, der Richter U. Öberg (Berichterstatter) und P. Zilgalvis sowie der Richterin E. Tichy-Fisslberger,
Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2023
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage beantragt die Klägerin, Ortis, die Nichtigerklärung der Verordnung (EU) 2021/468 der Kommission vom 18. März 2021 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf botanische Arten, die Hydroxyanthracen-Derivate enthalten (ABl. 2021, L 96, S. 6, im Folgenden: angefochtene Verordnung), soweit die Europäische Kommission mit Art. 1 Nr. 1 erster und zweiter Eintrag und Nr. 2 erster und zweiter Eintrag dieser Verordnung bestimmte Hydroxyanthracen-Derivate (im Folgenden: HAD) und bestimmte Zubereitungen in Anhang III Teile A und C der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln (ABl. 2006, L 404, S. 26) aufgenommen hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Nahrungsergänzungsmittel herstellt und vermarktet, die aus Senna (Cassia angustifolia Vahl) und Rhabarber (Rheum palmatum L. oder Rheum officinale Baillon) bestehen und HAD enthalten, darunter Emodin und Aloe-Emodin.
3 HAD bilden eine Kategorie von chemischen Substanzen mit heterogener und unterschiedlicher Struktur. Sie kommen natürlicherweise in verschiedenen Pflanzenarten vor, wie z. B. in bestimmten Aloe -Arten sowie in bestimmten Obst- und Gemüsesorten. Sie werden wegen ihrer abführenden Wirkung häufig in Nahrungsergänzungsmitteln und pflanzlichen Arzneimitteln verwendet.
4 Am 29. Juni 2016 ersuchte die Kommission die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die verfügbaren Informationen über die Sicherheit der Verwendung von HAD aus sämtlichen Quellen in Lebensmitteln auszuwerten. Außerdem bat sie die EFSA, eine tägliche Aufnahmemenge für HAD zu empfehlen, die hinsichtlich etwaiger gesundheitsschädlicher Auswirkungen auf die allgemeine Bevölkerung und gegebenenfalls auf schutzbedürftige Untergruppen der Bevölkerung unbedenklich sei.
5 Hierbei stützte sich die Kommission insbesondere auf Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1925/2006 sowie auf ihre Durchführungsverordnung (EU) Nr. 307/2012 vom 11. April 2012 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften für die Anwendung von Art. 8 der Verordnung Nr. 1925/2006 (ABl. 2012, L 102, S. 2).
6 Am 22. November 2017 gab die EFSA eine wissenschaftliche Stellungnahme mit dem Titel „Safety of hydroxyanthracene derivates for use in food“ (Sicherheit von Hydroxyanthracen-Derivaten zur Verwendung in Lebensmitteln, im Folgenden: wissenschaftliche Stellungnahme von 2017) ab, in der sie zu folgendem Schluss kam:
„Hydroxyanthracene, Emodin, Aloe-Emodin und der strukturverwandte Stoff Danthron [haben sich] in vitro als genotoxisch erwiesen. Die Aloe -Extrakte haben sich ebenfalls als in vitro genotoxisch erwiesen, was nach den Schlussfolgerungen der Sachverständigengruppe höchstwahrscheinlich – zumindest teilweise – auf die darin enthaltenen [HAD] zurückzuführen ist. Die Sachverständigengruppe hat allerdings darüber hinaus festgestellt, dass Aloe -Extrakte, die arm an Hydroxyanthracenen sind, einen oder mehrere weitere genotoxische Bestandteile enthalten.
Darüber hinaus ist nachgewiesen worden, dass Aloe-Emodin bei Mäusen genotoxisch ist, dass Ganzblatt-Aloe -Extrakt karzinogen für Ratten ist und dass es Beweise für die Karzinogenität von Danthron, einem strukturellen Analogon, bei beiden Nagetierarten gibt. Da Aloe-Emodin und Emodin in den Extrakten enthalten sein können, ist die Sachverständigengruppe zu dem Schluss gekommen, dass [HAD] als genotoxisch und karzinogen anzusehen sind, es sei denn, es liegen spezifische gegenteilige Daten vor, wie im Fall von Rhein, und dass Sicherheitsbedenken für Extrakte bestehen, die [HAD] enthalten, obwohl weiterhin Unsicherheit besteht. Die Sachverständigengruppe war nicht in der Lage, eine Stellungnahme zur Aufnahme von [HAD] über die Nahrung abzugeben, die hinsichtlich der gesundheitsschädlichen Auswirkungen auf die Bevölkerung im Allgemeinen und gegebenenfalls auf schutzbedürftige Untergruppen der Bevölkerung unbedenklich ist.“
7 Auf der Grundlage der Ergebnisse der wissenschaftlichen Stellungnahme von 2017 legte die Kommission am 22. Juni 2018 im Hinblick auf eine Erörterung mit einer Expertengruppe für Nahrungsergänzungsmittel und angereicherte Lebensmittel einen ersten Verordnungsvorschlag vor. Sie schlug vor, auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1925/2006 zum einen „Aloe blatt und Aloeblattzubereitungen aus Aloe -Arten, die in Nahrungsergänzungsmitteln zu abführenden Zwecken verwendet werden“, in die Liste der Stoffe, deren Zusatz zu Lebensmitteln oder deren Verwendung in Lebensmitteln verboten ist, in Anhang III Teil A der Verordnung Nr. 1925/2006 aufzunehmen und zum anderen die „Rheumwurzel, das Rhizom und seine Zubereitungen aus Rheum palmatum L., [aus] Rheum officinale Baillon und ihren Hybriden, die in Nahrungsergänzungsmitteln als Abführmittel verwendet werden“, das „Cassiablatt, die Frucht und ihre Zubereitungen aus Cassia senna L. [und aus] Cassia angustifolia Vahl, die in Nahrungsergänzungsmitteln als Abführmittel verwendet werden“, sowie die „Rhamnusrinde und ihre Zubereitungen aus Rhamnus frangula L. [und aus] Rhamnus purshianus DC, die in Nahrungsergänzungsmitteln als Abführmittel verwendet werden“, in die Liste der Stoffe, deren Verwendung in Lebensmitteln der Prüfung durch die Europäische Union unterliegt, in Anhang III Teil C der genannten Verordnung aufzunehmen.
8 Am 4. März 2020 wurde ein Verordnungsentwurf der öffentlichen Konsultation unterzogen, um allen Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dieser sah zum einen vor, u. a. den Zusatz von „Aloe-Emodin und allen Extrakten, in denen dieser Stoff enthalten ist“, „Emodin und allen Extrakten, in denen dieser Stoff enthalten ist“, und „Extrakten aus Blättern von Aloe -Arten, die [HAD] enthalten“, zu Lebensmitteln oder deren Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln zu verbieten und zum anderen, „Extrakte aus der Wurzel, dem Rhizom von Rheum palmatum L., Rheum officinale Baillon und ihren Hybriden, die [HAD] enthalten“, „Extrakte aus dem Blatt, der Frucht von Cassia senna L., die [HAD] enthalten“, sowie „Extrakte aus der Rinde von Rhamnus frangula L. [und] Rhamnus purshiana DC., die [HAD] enthalten“, der Prüfung durch die Union zu unterwerfen.
9 Am 10. Juni 2020 erstellte die Kommission einen zusammenfassenden Bericht über das Treffen mit der Fachgruppe „Allgemeines Lebensmittelrecht“ des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit (im Folgenden: Scopaff-Ausschuss).
10 Am 5. Oktober 2020 legte die Kommission dem Scopaff-Ausschuss einen überarbeiteten Verordnungsentwurf vor.
11 Am 5. November 2020 wurde der Scopaff-Ausschuss im Wege des schriftlichen Verfahrens konsultiert, um eine Stellungnahme zum Verordnungsentwurf der Kommission abzugeben. Im Anschluss an die befürwortende Stellungnahme des Ausschusses vom 12. November 2020 wurde dieser Verordnungsentwurf vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union geprüft.
12 Am 18. März 2021 erließ die Kommission die angefochtene Verordnung, mit der sie durch Art. 1 Nr. 1 erster, zweiter und vierter Eintrag Aloe-Emodin, Emodin und Danthron sowie alle Zubereitungen, in denen diese Stoffe enthalten sind, und durch den dritten Eintrag Zubereitungen aus Blättern von Aloe -Arten, die HAD enthalten, in Anhang III Teil A der Verordnung Nr. 1925/2006 aufnahm. Außerdem nahm sie durch Art. 1 Nr. 2 erster, zweiter und dritter Eintrag der angefochtenen Verordnung Zubereitungen aus Wurzeln oder Rhizomen von Rheum palmatum L., Rheum officinale Baillon und deren Hybriden, die HAD enthalten, HAD-haltige Zubereitungen aus Blättern oder Früchten von Cassia senna L. und HAD-haltige Zubereitungen aus der Rinde von Rhamnus frangula L. oder Rhamnus purshiana DC in Anhang III Teil C der Verordnung Nr. 1925/2006 auf.
13 Hierzu erklärte die Kommission im siebten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung, dass „[die EFSA] … [feststellte], dass die [HAD] Aloe-Emodin und Emodin sowie der strukturell verwandte Stoff Danthron nachweislich in vitro genotoxisch sind“, dass „Aloe -Extrakte … sich ebenfalls als in vitro genotoxisch erwiesen [haben], was höchstwahrscheinlich auf im Extrakt vorhandene [HAD] zurückzuführen ist“, dass „[d]arüber hinaus … nachgewiesen [wurde], dass Aloe-Emodin in vivo genotoxisch ist“, und dass „nachgewiesen [wurde], dass der Ganzblatt-Aloe -Extrakt und Danthron, ein strukturelles Analogon, krebserregend sind“.
14 Im achten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung heißt es:
„Da Aloe-Emodin und Emodin in den Extrakten enthalten sein können, kam die [EFSA] zu dem Schluss, dass [HAD] als genotoxisch und karzinogen anzusehen sind, es sei denn, es liegen spezifische gegenteilige Daten vor, und dass Sicherheitsbedenken für Extrakte bestehen, die [HAD] enthalten, obwohl weiterhin Unsicherheit besteht. Die [EFSA] war nicht in der Lage, Empfehlungen bezüglich der für die menschliche Gesundheit unbedenklichen täglichen Aufnahme von [HAD] abzugeben.“
15 Im neunten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung führte die Kommission weiter aus, dass „[a]ngesichts der schwerwiegenden gesundheitsschädlichen Auswirkungen der Verwendung in Lebensmitteln von Aloe-Emodin, Emodin, Danthron und Aloe -Extrakten, die [HAD] enthalten, und der Tatsache, dass keine für die menschliche Gesundheit unbedenkliche tägliche Aufnahme von [HAD] festgelegt werden konnte, … diese Stoffe verboten werden [sollten] [und] [d]aher … Zubereitungen aus Aloe-Emodin, Emodin, Danthron und Aloe , die [HAD] enthalten, in Anhang III Teil A der Verordnung [Nr. 1925/2006] aufgenommen werden [sollten]“.
16 Im zehnten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung fügte die Kommission hinzu, dass, „[HAD] [b]ei der Herstellung … durch eine Reihe von Filterverfahren aus den pflanzlichen Zubereitungen entfernt werden [können], wodurch Produkte entstehen, die diese Stoffe nur in Spuren als Verunreinigungen enthalten“.
17 Im elften Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung stellte die Kommission schließlich fest, dass, da mit der Verwendung von Rheum , Cassia und Rhamnus und Zubereitungen daraus in Lebensmitteln möglicherweise gesundheitsschädliche Auswirkungen verbunden seien, jedoch nach wie vor wissenschaftliche Unsicherheit darüber bestehe, ob solche Zubereitungen die in Anhang III Teil A der Verordnung Nr. 1925/2006 aufgeführten Stoffe enthalten würden, diese Stoffe von der Union geprüft und in Anhang III Teil C der Verordnung Nr. 1925/2006 aufgenommen werden sollten.
Anträge der Parteien
18 Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
19 Die Kommission beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
Zur Eingrenzung des Klagegegenstands
20 Im vorliegenden Verfahren besteht zwischen den Parteien Einigkeit darüber, dass die Klägerin keine Produkte herstellt, in denen sich Danthron, „Zubereitungen aus Blättern von Aloe -Arten, die [HAD] enthalten“, oder „Zubereitungen aus der Rinde von Rhamnus frangula L. oder Rhamnus purshiana DC, die [HAD] enthalten“, befinden.
21 Somit ist nach den Ausführungen in den Schriftsätzen der Klägerin davon auszugehen, dass sie die Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 1 erster und zweiter Eintrag sowie von Nr. 2 erster und zweiter Eintrag der angefochtenen Verordnung beantragt.
Zur Zulässigkeit neuen Vorbringens im Laufe des Verfahrens
22 In der Gegenerwiderung hat die Kommission Zweifel an der Zulässigkeit eines in der Erwiderung vorgebrachten „neuen Klagegrundes“ der Klägerin im Sinne von Art. 84 der Verfahrensordnung des Gerichts geäußert.
23 So habe die Klägerin in der Erwiderung erstmals das Argument angeführt, dass die Kenntnis der Exposition ein Erfordernis von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1925/2006 sei, da die erhebliche Überschreitung der Mengen eines Stoffes, der unter normalen Bedingungen aufgenommen werden könne, bestimmt sein müsse. Dies habe sie allerdings im Rahmen des ersten Teils des ersten Klagegrundes getan. Die Klägerin habe in der Klageschrift hingegen zwar erwähnt, dass die Berechnung der HAD-Exposition keine quantitative oder qualitative Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer HAD-Exposition beinhalte, hierbei handele es sich jedoch um ein weiteres Argument, das aus dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes stamme.
24 Im Rahmen eines kontradiktorischen Verfahrens kann ein Angriffsmittel, das eine Erweiterung eines bereits zuvor – unmittelbar oder implizit – in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und einen engen Zusammenhang mit diesem aufweist, nicht für unzulässig erklärt werden. Zudem können Argumente, die inhaltlich in engem Zusammenhang mit einem in der Klageschrift geltend gemachten Klagegrund stehen, nicht als neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Sinne von Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung angesehen werden, so dass sie in der Erwiderung oder in der mündlichen Verhandlung vorgebracht werden können (Urteil vom 8. November 2018, „Pro NGO!“/Kommission, T‑454/17, EU:T:2018:755, Rn. 70).
25 Im vorliegenden Fall stützt sich das gesamte Vorbringen der Klägerin im Rahmen des ersten Klagegrundes u. a. auf einen Verstoß gegen Art. 8 der Verordnung Nr. 1925/2006. Das von der Klägerin in der Erwiderung vorgebrachte Argument ist so zu verstehen, dass es dazu dienen soll, die Infragestellung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verordnung mit der Begründung zu untermauern, dass die Kommission ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen sei, auf der Grundlage von Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Einrichtung der EFSA und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. 2002, L 31, S. 1) sowie auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1925/2006 eine Risikoanalyse durchzuführen und die Wahrscheinlichkeit der Exposition gegenüber bestimmten HAD und bestimmten Zubereitungen zu bewerten, und die Beweislast umgekehrt habe.
26 Das Gericht stellt des Weiteren fest, dass die Frage der Risikobewertung und der fehlenden Berücksichtigung eines Schwellenwerts auch Gegenstand von Argumenten der Klägerin ist, die in der Klageschrift im Rahmen des zweiten Klagegrundes, mit dem ein Ermessensmissbrauch geltend gemacht wird, des dritten Klagegrundes, mit dem offensichtliche Beurteilungsfehler gerügt werden, und des fünften Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht wird, vorgebracht werden.
27 Die bloße Tatsache, dass die Klägerin diese Argumentation nicht immer im Rahmen desselben Teils des ersten Klagegrundes vorgebracht hat, ist nicht entscheidend. Nach der Rechtsprechung ist die Klage nämlich in dem Bestreben, ihr praktische Wirksamkeit beizulegen, im Wege einer Gesamtwürdigung derselben auszulegen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 28. Juni 2011, Verein Deutsche Sprache/Rat, C‑93/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:429, Rn. 20 und 21).
28 Das Vorbringen der Klägerin in der Erwiderung ist somit im Hinblick auf die in der Klageschrift vorgetragenen Klagegründe nicht neu.
29 Somit sind die von der Kommission geäußerten Zweifel an der Zulässigkeit dieses Vorbringens als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründetheit
30 Die Klägerin stützt ihre Klage auf fünf Klagegründe.
31 Der erste Klagegrund besteht aus drei Teilen. Mit dem ersten Teil werden ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 1925/2006 und ein offensichtlicher Beurteilungsfehler mit der Begründung gerügt, dass zum einen keine wissenschaftliche Gewissheit über das Vorliegen einer schädlichen Wirkung bestehe, die die Aufnahme bestimmter Stoffe und Zubereitungen in Anhang III Teil A dieser Verordnung zulasse, und zum anderen eine diesbezügliche Risikoschwelle nicht festgelegt worden sei. Im zweiten Teil wird ein Verstoß gegen dieselbe Bestimmung geltend gemacht, da diese die Aufnahme von „Zubereitungen“ in Anhang III Teil C der genannten Verordnung nicht zulasse. Im dritten Teil wird ebenfalls ein Verstoß gegen diese Bestimmung sowie gegen Art. 6 der Verordnung Nr. 178/2002 geltend gemacht, da die Regeln für die Risikobewertung der EFSA und das Risikomanagement der Kommission nicht eingehalten worden seien.
32 Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Ermessensmissbrauch gerügt, da der Grund der öffentlichen Gesundheit, der zur Rechtfertigung des Erlasses der angefochtenen Verordnung angeführt werde, nicht der Realität entspreche und die genannte Verordnung nur für Nahrungsergänzungsmittel mit höheren Dosen als den in gewöhnlichen Lebensmitteln enthaltenen hätte gelten dürfen.
33 Mit dem dritten Klagegrund werden offensichtliche Beurteilungsfehler mit der Begründung geltend gemacht, dass die wissenschaftliche Stellungnahme von 2017 und die angefochtene Verordnung unter Missachtung der Methoden der Risikobewertung, die zu befolgen gewesen seien, und ohne Berücksichtigung eines Schwellenwerts für das Verbot der in Rede stehenden Stoffe und Zubereitungen abgegeben bzw. erlassen worden seien.
34 Mit dem vierten Klagegrund wird gerügt, dass die angefochtene Verordnung gegen den allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit verstoße, da der Begriff „Zubereitungen“ nicht definiert und ungenau sei und die Verbindung zwischen Art. 1 Nr. 1 und Nr. 2 dieser Verordnung mit rechtlichen Unsicherheiten behaftet sei.
35 Mit dem fünften Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt, da die Aufnahme der in Rede stehenden Stoffe in Anhang III Teil A der Verordnung Nr. 1925/2006, ohne dass ein Schwellenwert festgelegt worden sei, nicht erforderlich sei, um das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu erreichen.
36 Das Gericht hält es zunächst für angebracht, das von der Klägerin im Rahmen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes vorgebrachte Vorbringen zu prüfen, wonach Art. 8 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1925/2006 die Aufnahme von „Zubereitungen“ in die Liste in Anhang III Teil C der genannten Verordnung nicht zulasse. Sodann wird das Gericht das Vorbringen der Klägerin im Rahmen des ersten Teils des ersten Klagegrundes sowie des zweiten, des dritten und des fünften Klagegrundes prüfen. Mit diesem Vorbringen macht sie geltend, dass keine Risikoschwelle festgelegt worden sei, um den Zusatz einiger der in Rede stehenden Stoffe und Zubereitungen zu Lebensmitteln oder deren Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln gemäß Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a Ziff. i dieser Verordnung zu verbieten.
Zum Klagegrund und zum Vorbringen, dass Art. 8 der Verordnung Nr. 1925/2006 die Aufnahme von „Zubereitungen“ in die Liste in Anhang III Teil C dieser Verordnung nicht zulasse
37 Im Rahmen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1925/2006 nur andere „Stoffe“ als Vitamine oder Mineralstoffe auf der Grundlage dieser Bestimmung der Prüfung durch die Union unterworfen werden könnten. Art. 1 Nr. 2 der angefochtenen Verordnung beziehe sich jedoch nicht auf „Stoffe“, sondern auf „Zubereitungen“, die sich semantisch voneinander unterschieden.
38 Folglich habe sich die Kommission nicht auf Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1925/2006 stützen können, um Art. 1 Nr. 2 erster und zweiter Eintrag der angefochtenen Verordnung zu erlassen.
39 Die Kommission macht geltend, dass der Begriff „Zubereitungen“ im Leitfaden der EFSA vom 10. September 2009 mit dem Titel „Guidance on Safety assessment of botanicals and botanical preparations intended for use as ingredients in food supplements“ (Leitfaden zur Bewertung der Sicherheit von Pflanzen und pflanzlichen Zubereitungen zur Verwendung als Zutaten für Nahrungsergänzungsmittel) (im Folgenden: EFSA-Leitlinien von 2009) definiert worden sei, wonach „diese Terminologie alle Zubereitungen [umfasst], die durch verschiedene Verfahren (z. B. Pressen, Extraktion, Fraktionierung, Destillation, Konzentration, Trocknung und Fermentierung) aus botanischen Elementen gewonnen werden“. Sie fügt hinzu, dass der Begriff „Substanz“ vom lateinischen Wort „substantia “ abgeleitet sei, das „Lebensmittel“ oder „Nahrung“ bedeute, und dass diese herkömmliche Bedeutung mit dem Kontext und den Zielen von Art. 8 der Verordnung Nr. 1925/2006, der auf den Schutz der Gesundheit der Verbraucher ausgerichtet sei, in Einklang stehe.
40 Die Kommission fügt außerdem hinzu, dass das Wort „Zutat“ in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 1925/2006 zwar nicht in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b dieser Verordnung übernommen worden sei, dies aber nicht auf eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zurückzuführen sei, der nicht gewollt haben könne, ihr die Aufnahme von Zutaten oder Zubereitungen in Anhang III Teil C dieser Verordnung zu verbieten.
41 Das Gericht weist darauf hin, dass nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1925/2006 das Verfahren des Verbots, der Beschränkung oder der Prüfung durch die Union Anwendung findet, wenn ein anderer Stoff als Vitamine oder Mineralstoffe oder eine Zutat, die einen anderen Stoff als Vitamine oder Mineralstoffe enthält, Lebensmitteln zugesetzt oder bei der Herstellung von Lebensmitteln unter Bedingungen verwendet wird, die zu einer Aufnahme von Mengen dieses Stoffes führen würden, welche weit über den unter normalen Bedingungen bei einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung vernünftigerweise anzunehmenden Mengen liegen oder die ein potenzielles Risiko für die Verbraucher bergen würden.
42 Außerdem kann die Kommission gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1925/2006 aus eigener Initiative oder anhand der von den Mitgliedstaaten übermittelten Angaben, nachdem die EFSA jeweils eine Bewertung der vorliegenden Informationen vorgenommen hat, die Aufnahme des betreffenden Stoffs oder der betreffenden Zutat in Anhang III der genannten Verordnung beschließen. Insoweit heißt es in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 1925/2006:
„…
a) Stellt sich heraus, dass eine derartige Verwendung gesundheitsschädlich ist, so wird der Stoff und/oder die Zutat, die diesen enthält,
i) in Anhang III Teil A aufgenommen … und der Zusatz dieses Stoffs und/oder dieser Zutat zu Lebensmitteln oder deren Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln verboten … oder
ii) in Anhang III Teil B aufgenommen … und der Zusatz dieses Stoffs und/oder dieser Zutat zu Lebensmitteln oder deren Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln nur unter den dort genannten Bedingungen erlaubt.
b) Stellt sich heraus, dass eine derartige Verwendung möglicherweise gesundheitsschädlich ist, jedoch weiterhin eine wissenschaftliche Unsicherheit besteht, so wird der Stoff in Anhang III Teil C aufgenommen.“
43 Somit zielt nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 1925/2006 die Aufnahme in Anhang III Teil A dieser Verordnung darauf ab, den Zusatz eines „Stoffes“ oder einer „Zutat, die diesen enthält“, zu Lebensmitteln oder deren Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln zu verbieten, wenn sich herausstellt, dass eine derartige Verwendung gesundheitsschädlich ist.
44 Die Aufnahme in Anhang III Teil C der Verordnung Nr. 1925/2006, mit der ein Stoff der Prüfung durch die Union unterworfen werden soll, ist ihrerseits „Stoffen“ vorbehalten, wenn sich herausstellt, dass gemäß Art. 8 Abs. 2 Buchst. b dieser Verordnung eine Verwendung möglicherweise gesundheitsschädlich ist, jedoch weiterhin eine wissenschaftliche Unsicherheit besteht.
45 Das Verfahren nach Art. 8 der Verordnung Nr. 1925/2006 findet folglich Anwendung, wenn ein anderer „Stoff“ als Vitamine oder Mineralstoffe oder eine „Zutat, die einen anderen Stoff als Vitamine oder Mineralstoffe enthält“, Lebensmitteln zugesetzt wird oder bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendet wird.
46 Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien wird das Gericht prüfen, ob der Begriff „Zubereitungen“ in Art. 1 Nr. 2 erster und zweiter Eintrag der angefochtenen Verordnung dem Begriff anderer „Stoff“ als Vitamine oder Mineralstoffe oder dem Begriff „Zutat, die einen anderen Stoff als Vitamine oder Mineralstoffe enthält“ im Sinne von Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a Ziff. i und Buchst. b der Verordnung Nr. 1925/2006 entsprechen kann.
47 Das Gericht stellt fest, dass die Begriffe „Stoff“ oder „Zutat, die einen … Stoff enthält“ in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1925/2006, die Begriffe „Stoff und/oder Zutat, die diesen enthält“ in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i dieser Verordnung, der Begriff „Stoff“ in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b dieser Verordnung sowie der Begriff „Zubereitungen“ in der angefochtenen Verordnung in diesen Verordnungen nicht ausdrücklich definiert sind.
48 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Bedeutung und Tragweite von Begriffen, die das Unionsrecht nicht definiert, entsprechend ihrem üblichen Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, sowie der Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgt werden, zu bestimmen (Urteile vom 9. November 2016, Davitas, C‑448/14, EU:C:2016:839, Rn. 26, und vom 26. Oktober 2017, The English Bridge Union, C‑90/16, EU:C:2017:814, Rn. 18).
49 Insoweit weist das Gericht darauf hin, dass der in Art. 8 der Verordnung Nr. 1925/2006 enthaltene Ausdruck „anderer Stoff als Vitamine oder Mineralstoffe“ die konkrete Verwendung des Begriffs „anderer Stoff“ darstellt, der in Art. 2 Nr. 2 dieser Verordnung definiert ist als „andere[r] Stoff als ein Vitamin oder [ein] Mineralstoff, der eine ernährungsbezogene oder eine physiologische Wirkung hat“. Der Begriff „anderer Stoff“ wird also als Auffangdefinition gefasst, indem Vitamine oder Mineralstoffe, die Gegenstand besonderer Bestimmungen derselben Verordnung sind, ausgeschlossen werden und indem nur angegeben wird, dass sie eine ernährungsbezogene oder eine physiologische Wirkung haben.
50 Der Begriff „Zutat“ in der Verordnung Nr. 1925/2006 wird seinerseits unmittelbar durch Bezugnahme auf den darin enthaltenen „Stoff“ dargestellt. So werden in Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a Ziff. i dieser Verordnung nur Zutaten, die den betreffenden Stoff enthalten, genannt. Mit anderen Worten: Es ist die schädliche Wirkung des Stoffes als solche, die bewirkt, dass die Zutat, die den Stoff enthält, nicht sicher ist, und damit zu einem etwaigen Verbot seines Zusatzes zu Lebensmitteln oder seiner Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln gemäß Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i dieser Verordnung führt.
51 Im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1925/2006 heißt es ferner, dass „[e]s … eine breite Palette von Nährstoffen und anderen Zutaten [gibt], die Lebensmitteln bei der Herstellung zugesetzt werden können, unter anderem Vitamine, Mineralstoffe einschließlich Spurenelementen, Aminosäuren, essenzielle Fettsäuren, Ballaststoffe, verschiedene Pflanzen und Kräuterextrakte“. Hieraus ergibt sich, dass Vitamine, Mineralstoffe einschließlich Spurenelementen, Aminosäuren, essenzielle Fettsäuren, Ballaststoffe, verschiedene Pflanzen und Kräuterextrakte Beispiele dafür sind, was einen Nährstoff oder eine Zutat im Sinne dieser Verordnung darstellen kann.
52 Was den Begriff „Zubereitungen“ betrifft, so wurde er, wie die Kommission zutreffend festgestellt hat, in einer Fußnote der EFSA-Leitlinien von 2009 so definiert, dass er „alle Zubereitungen [umfasst], die durch verschiedene Verfahren (z. B. Pressen, Extraktion, Fraktionierung, Destillation, Konzentration, Trocknung und Fermentierung) aus botanischen Elementen gewonnen werden“.
53 Nach dem ausdrücklichen Hinweis in den EFSA-Leitlinien von 2009 sollen diese jedoch lediglich einen allgemeinen Rahmen für die wissenschaftliche Bewertung der Sicherheit von Pflanzen und pflanzlichen Zubereitungen zur Verwendung in Nahrungsergänzungsmitteln festlegen. Orientierungshilfen von Unionsbehörden können zwar als Anhaltspunkt für die Auslegung eines Rechtsakts der Union dienen, doch sind solche Dokumente hierfür nicht rechtsverbindlich (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Mai 2022, Association France Nature Environnement [Vorübergehende Auswirkungen auf Oberflächengewässer], C‑525/20, EU:C:2022:350, Rn. 31). Folglich ist eine Definition des Begriffs „Zubereitungen“, die den EFSA-Leitlinien von 2009 entnommen würde, für die Unionsgerichte nicht bindend, da nur sie für eine verbindliche Auslegung des Unionsrechts zuständig sind.
54 Das Gericht stellt zudem fest, dass die in den EFSA-Leitlinien von 2009 enthaltene Definition von „Zubereitungen“ zirkelschlüssig ist und lediglich eine Liste verschiedener Verfahren aufzählt, mit denen eine Zubereitung aus einer bestimmten Pflanze hergestellt werden kann, wobei in nicht abschließender Weise Beispiele für diese Verfahren genannt werden, wie etwa Pressen, Extraktion, Fraktionierung, Destillation, Konzentration, Trocknung und Fermentierung. Sie ermöglicht hingegen keine genaue Auslegung dessen, was unter „Zubereitungen“ zu verstehen ist.
55 Jedenfalls ist zum einen angesichts des Wortlauts der Bestimmungen der angefochtenen Verordnung und insbesondere von Art. 1 Nr. 1 erster und zweiter Eintrag dieser Verordnung, der bestimmte HAD als Stoffe sowie Zubereitungen, in denen diese Stoffe enthalten sind, betrifft, davon auszugehen, dass der Begriff „Zubereitung“ weiter zu verstehen ist als der Begriff „Stoff“. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission selbst anerkannt, dass der Begriff „Zubereitungen“ „alle Bearbeitungen, die bei einer Pflanze angewendet werden“, oder „alle Bearbeitungen, die bei Pflanzen angewendet werden können“, umfasst.
56 Daraus folgt, dass es sich bei einer Zubereitung, die einen Stoff enthält, um einen Begriff handelt, der weiter gefasst ist als der Begriff „Stoff“ im Sinne der Verordnung Nr. 1925/2006, und dieser Begriff daher nicht durch jenen ersetzt werden kann.
57 Zum anderen weist das Gericht darauf hin, dass die Kommission, obwohl sie behauptet, dass sie beschließen könne, „Zutaten“ im Sinne von Art. 8 der Verordnung Nr. 1925/2006 der Prüfung durch die Union zu unterwerfen, und dass diese sich mit dem Begriff „Zubereitungen“ überschnitten, in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass die Definition von „Zutat“ in der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. 2011, L 304, S. 18) auf die Verordnung Nr. 1925/2006 angewendet werden könne.
58 Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Verordnung Nr. 1169/2011 ist eine Zutat definiert als „jede[r] Stoff und jedes Erzeugnis, einschließlich Aromen, Lebensmittelzusatzstoffen und Lebensmittelenzymen, sowie jede[r] Bestandteil einer zusammengesetzten Zutat, der bei der Herstellung oder Zubereitung eines Lebensmittels verwendet wird und der – gegebenenfalls in veränderter Form – im Enderzeugnis vorhanden bleibt“, wohingegen „Rückstände … nicht als ‚Zutaten‘ [gelten]“.
59 Es ist somit davon auszugehen, dass es sich bei einer Zubereitung, die eine Zutat enthalten kann, um einen Begriff handelt, der weiter gefasst ist als der Begriff „Zutat“ im Sinne der Verordnung Nr. 1925/2006, und dieser Begriff daher nicht durch jenen ersetzt werden kann.
60 Unabhängig von der Frage, ob der Gesetzgeber bewusst zwischen dem Vorgang, „Stoffe“ der Prüfung durch die Union zu unterwerfen, und dem Verbot des Zusatzes von „[Stoffen] und/oder [Zutaten], die diese [enthalten]“, zu Lebensmitteln oder deren Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln unterscheiden wollte, und ohne dass es einer genauen Definition dieser in Art. 8 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a Ziff. i und Buchst. b der Verordnung Nr. 1925/2006 verwendeten Begriffe bedarf, ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass im vorliegenden Fall der Begriff „Zubereitungen“ in Art. 1 Nr. 2 erster und zweiter Eintrag der angefochtenen Verordnung einen weiteren Anwendungsbereich und eine umfassendere Bedeutung hat als der Begriff „Stoffe“ und gegebenenfalls der Begriff „Zutaten“ und dieser Begriff nicht durch jene ersetzt werden kann, da er alle Arten von verarbeiteten Lebensmitteln umfassen kann.
61 Da die Begriffe „Stoff“, „Zutat“ und „Zutat, die einen … Stoff … enthält“ in Art. 8 der Verordnung Nr. 1925/2006 somit auf andere begriffliche Konzepte Bezug nehmen als der Begriff „Zubereitungen“ in Art. 1 Nr. 2 erster und zweiter Eintrag der angefochtenen Verordnung, kann es nicht dieselbe Bedeutung haben, ob die in Rede stehenden „Zubereitungen“ zum Gegenstand einer Prüfung durch die Union gemacht werden oder ob dies bei Stoffen oder gegebenenfalls Zutaten geschieht.
62 Wie oben in Rn. 42 ausgeführt, erlaubt Art. 8 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1925/2006 jedoch nur die Aufnahme eines „Stoffes“ in Anhang III Teil C dieser Verordnung.
63 Folglich konnte sich die Kommission nicht auf Art. 8 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1925/2006 stützen, um Art. 1 Nr. 2 erster und zweiter Eintrag der angefochtenen Verordnung zu erlassen, mit der „Zubereitungen aus der Wurzel oder dem Rhizom von Rheum palmatum L., Rheum officinale Baillon und ihren Hybriden, die [HAD] enthalten“, sowie „Zubereitungen aus Blättern oder Früchten von Cassia senna L., die [HAD] enthalten“, der Prüfung durch die Union unterworfen werden sollen.
64 Dies würde auch dann gelten, wenn man davon ausginge, dass der Unionsgesetzgeber es zugelassen hat, „Zutaten“ der Prüfung durch die Union zu unterwerfen.
65 Somit ist dem Vorbringen der Klägerin, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1925/2006 rügt, zu folgen und Art. 1 Nr. 2 erster und zweiter Eintrag der angefochtenen Verordnung für nichtig zu erklären.
Zum Klagegrund und zum Vorbringen, dass keine Risikoschwelle festgelegt worden sei, um den Zusatz bestimmter der in Rede stehenden Stoffe und Zubereitungen zu Lebensmitteln oder deren Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln gemäß Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 1925/2006 zu verbieten
66 Im Rahmen des ersten Teils des ersten Klagegrundes sowie des zweiten, des dritten und des fünften Klagegrundes macht die Klägerin insbesondere geltend, dass nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1925/2006 die Aufnahme eines Stoffes in Anhang III dieser Verordnung nur zulässig sei, wenn der Zusatz dieses Stoffes zu einer Aufnahme von Mengen führe, welche weit über den unter normalen Bedingungen bei einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung vernünftigerweise anzunehmenden Mengen liege. Diese Überschreitung müsse definiert werden, und die Kommission müsse sich zu diesem Zweck auf eine umfassende Bewertung der Exposition oder der Möglichkeit einer Exposition gegenüber den betreffenden Stoffen sowie eine Beschreibung ihrer Risiken stützen. Im vorliegenden Fall habe die EFSA jedoch keine quantitative oder qualitative Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber den in Rede stehenden Stoffen und Zubereitungen vorgenommen.
67 Die Klägerin fügt hinzu, dass die angefochtene Verordnung nur für Nahrungsergänzungsmittel hätte gelten dürfen, die HAD in höheren Dosen als in gewöhnlichen Lebensmitteln enthalten würden, und dass die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) ihr Vorkommen in pflanzlichen Arzneimitteln in Dosen, die erheblich über der Nachweisgrenze lägen, die der Scopaff-Ausschuss in seiner Sitzung vom 5. Oktober 2020 zu dem Verordnungsentwurf, der zu der angefochtenen Verordnung geführt habe, festgelegt habe, nicht zugelassen hätte, wenn HAD ein so hohes Risiko darstellen würden, dass keine Festlegung eines Schwellenwerts in Betracht käme.
68 Daher habe die Kommission gegen Art. 8 der Verordnung Nr. 1925/2006 verstoßen und offensichtliche Beurteilungsfehler begangen, indem sie angenommen habe, dass der Zusatz oder die Verwendung von HAD oder der in Rede stehenden Zubereitungen zu einer erheblichen Überschreitung der unter normalen Bedingungen verzehrten Mengen führen könne, ohne insoweit eine Risikoschwelle festzulegen.
69 Die Kommission macht geltend, dass der durch wissenschaftliche Erkenntnisse erreichte Standard den Anforderungen von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 1925/2006 entspreche und dass die EFSA keine Tagesdosis für HAD habe festlegen können, die für die menschliche Gesundheit unbedenklich sei. Was die Tatsache betreffe, dass eine risikobehaftete Substanz in Lebensmitteln verboten sei, aber in Arzneimitteln verwendet werde, so sei dies auf den unterschiedlichen Rechtsrahmen der einschlägigen Rechtsvorschriften zurückzuführen.
70 Die Kommission fügt hinzu, dass die Klägerin nicht erkläre, inwiefern das Fehlen einer Einschätzung der Exposition gegenüber den in Rede stehenden Stoffen die wissenschaftliche Unsicherheit in Bezug auf HAD kennzeichne und die Schlussfolgerung der EFSA verfälscht habe, dass mit der Verwendung dieser HAD in Lebensmitteln schwerwiegende Gesundheitsschäden verbunden seien und keine Tagesdosis festgelegt werden könne, die für die menschliche Gesundheit unbedenklich sei.
71 Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass die Kommission, wenn sie komplexe technische oder wissenschaftliche Bewertungen vorzunehmen hat, über ein weites Ermessen verfügt. In einem solchen Fall beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle darauf, zu prüfen, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt von der Kommission zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen. Jedoch ist die gerichtliche Kontrolle durch das Gericht in Bezug auf die Schlussfolgerungen der Kommission, in denen keine komplexen technischen oder wissenschaftlichen Bewertungen vorgenommen werden, umfassend. Auch hinsichtlich der Rechtsfragen kann die gerichtliche Kontrolle durch das Gericht nur umfassend sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. September 2020, Medac Gesellschaft für klinische Spezialpräparate/Kommission, T‑549/19, EU:T:2020:444, Rn. 47 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).
72 Ein die Nichtigerklärung des Aktes rechtfertigender offensichtlicher Irrtum eines Organs bei der Würdigung eines komplexen Sachverhalts kann nur festgestellt werden, wenn die vom Kläger vorgebrachten Beweise ausreichen, um die Sachverhaltswürdigung in dem Rechtsakt als nicht plausibel erscheinen zu lassen. Von dieser Plausibilitätsprüfung abgesehen darf das Gericht die Beurteilung eines komplexen Sachverhalts durch den Urheber der Entscheidung nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen. Die Beschränkung der Prüfung durch den Unionsrichter berührt jedoch nicht dessen Pflicht, die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz zu prüfen und zu kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. Urteil vom 11. Februar 2015, Spanien/Kommission, T‑204/11, EU:T:2015:91, Rn. 32 und 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
73 Im Übrigen betrifft der Ermessensspielraum der Unionsbehörden, der eine begrenzte gerichtliche Kontrolle seiner Ausübung impliziert, nicht ausschließlich die Art und die Tragweite der zu erlassenden Vorschriften, sondern bezieht sich in bestimmtem Umfang auch auf die Feststellung der Grunddaten. Für eine solche gerichtliche Kontrolle ist es jedoch, auch wenn sie begrenzt ist, erforderlich, dass die Unionsorgane, die den in Rede stehenden Rechtsakt erlassen haben, in der Lage sind, vor den Unionsgerichten zu belegen, dass sie beim Erlass des Rechtsakts ihr Ermessen tatsächlich ausgeübt haben, was voraussetzt, dass alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollte, berücksichtigt worden sind (vgl. Urteil vom 8. Juli 2010, Afton Chemical, C‑343/09, EU:C:2010:419, Rn. 33 und 34 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteile vom 30. April 2015, Polynt und Sitre/ECHA, T‑134/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:254, Rn. 53, und vom 11. Mai 2017, Deza/ECHA, T‑115/15, EU:T:2017:329, Rn. 164).
74 Zu den Rechtsfragen, bei denen das Gericht eine umfassende Prüfung vornimmt, gehören die Auslegung von Rechtsvorschriften anhand objektiver Kriterien sowie die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Anwendung einer solchen Vorschrift erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom 11. Juli 1985, Remia u. a./Kommission, 42/84, EU:C:1985:327, Rn. 34, und vom 9. November 2022, Kambodscha und CRF/Kommission, T‑246/19, EU:T:2022:694, Rn. 45).
75 Wie oben in den Rn. 41 und 42 ausgeführt, legt Art. 8 der Verordnung Nr. 1925/2006 das Verfahren fest, das anzuwenden ist, um einen anderen Stoff als Vitamine oder Mineralstoffe oder eine Zutat, die einen anderen Stoff als Vitamine oder Mineralstoffe enthält, in Anhang III dieser Verordnung aufzunehmen, der Listen von Stoffen enthält, deren Zusatz zu Lebensmitteln oder deren Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln verboten oder Bedingungen unterworfen ist oder bei denen wissenschaftliche Unsicherheit besteht.
76 Aus dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1925/2006 ergibt sich ferner, dass mit dieser Verordnung „der Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen zu Lebensmitteln sowie die Verwendung bestimmter anderer Stoffe oder Zutaten geregelt werden [soll], die andere Stoffe als Vitamine oder Mineralstoffe enthalten und Lebensmitteln zugesetzt werden oder bei der Herstellung von Lebensmitteln unter Bedingungen verwendet werden, die zur Aufnahme von Mengen führen, welche weit über den unter normalen Bedingungen bei einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung vernünftigerweise anzunehmenden Mengen liegen und/oder die sonst ein potenzielles Risiko für die Verbraucher bergen“.
77 Das Gericht weist darauf hin, dass das durch Art. 8 der Verordnung Nr. 1925/2006 eingeführte Verfahren durch die wesentliche Rolle gekennzeichnet ist, die einer wissenschaftlichen Bewertung der Wirkung des Zusatzes eines Stoffes oder einer diesen Stoff enthaltenden Zutat zu Lebensmitteln oder der Wirkung der Verwendung eines Stoffes oder einer diesen Stoff enthaltenden Zutat bei der Herstellung von Lebensmitteln durch die EFSA zugewiesen wird. Da die Kommission nicht in der Lage ist, eine wissenschaftliche Beurteilung etwaiger gesundheitsschädlicher Auswirkungen dieser Stoffe und Zutaten vorzunehmen, soll die obligatorische Konsultation der EFSA der Kommission nämlich die Grundlagen einer wissenschaftlichen Beurteilung liefern, die unerlässlich sind, damit sie in voller Kenntnis der Sachlage Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen Niveaus des Schutzes der öffentlichen Gesundheit festlegen kann.
78 Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1925/2006 ist in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung zu lesen, so dass die Kommission beschließen kann, den Zusatz eines anderen Stoffes als Vitamine oder Mineralstoffe oder einer Zutat, die diesen Stoff enthält, zu Lebensmitteln oder deren Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln unter bestimmten Bedingungen zu verbieten oder zuzulassen oder einen Stoff vorbehaltlich bestimmter Bedingungen der Prüfung durch die Union zu unterwerfen, namentlich dann, wenn ein Risiko – gegebenenfalls ein potenzielles Risiko – geschaffen wird, konkret bei der Aufnahme von Mengen des betreffenden Stoffes, welche weit über den unter normalen Bedingungen bei einer ausgewogenen oder abwechslungsreichen Ernährung vernünftigerweise anzunehmenden Mengen liegen oder die ein potenzielles Risiko für die Verbraucher bergen würden.
79 Somit gibt es konkret nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 1925/2006, gelesen im Licht von Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung, zwei Voraussetzungen, unter denen der Zusatz eines Stoffes oder einer Zutat, die diesen enthält, zu Lebensmitteln oder deren Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln verboten werden kann, nämlich zum einen, wenn dies zur „Aufnahme von Mengen dieses Stoffes führen [würde], welche weit über den unter normalen Bedingungen bei einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung vernünftigerweise anzunehmenden Mengen liegen, und/oder die ein potenzielles Risiko für die Verbraucher bergen würden“, und zum anderen, wenn „[sich herausstellt], dass eine derartige Verwendung gesundheitsschädlich ist“.
80 Eine solche Auslegung wird durch den 20. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1925/2006 bestätigt, in dem zwischen der nicht regelungsbedürftigen Aufnahme von anderen Stoffen als Vitaminen oder Mineralstoffen oder Zutaten unter normalen Bedingungen einerseits und der Aufnahme solcher Stoffe oder diese Stoffe enthaltender Zutaten, die Lebensmitteln in Form von Auszügen oder Konzentraten zugesetzt werden und die dazu führen können, dass „sie in deutlich höherer Menge aufgenommen werden als bei einer angemessenen und abwechslungsreichen Ernährung“, andererseits unterschieden wird.
81 Im vorliegenden Fall hat sich die Kommission auf die wissenschaftliche Stellungnahme von 2017 gestützt, deren oben in Rn. 6 wiedergegebenes Ergebnis in die Erwägungsgründe 7 und 8 der angefochtenen Verordnung aufgenommen wurde, um u. a. in Anhang III Teil A der Verordnung Nr. 1925/2006 „Aloe-Emodin“ und „Emodin“ sowie „alle Zubereitungen, in denen [diese] [Stoffe] enthalten [sind]“, auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 1925/2006 aufzunehmen, so dass ihr Zusatz zu Lebensmitteln oder ihre Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln verboten ist.
82 Was die erste Voraussetzung für das Verbot des Zusatzes eines Stoffes oder einer Zutat, die diesen Stoff enthält, zu Lebensmitteln oder deren Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln angeht, also die Aufnahme von Mengen, welche weit über den unter normalen Verzehrbedingungen vernünftigerweise anzunehmenden Mengen liegen oder die ein potenzielles Risiko für die Verbraucher bergen würden, so stellt das Gericht fest, dass durch die Bestimmungen der angefochtenen Verordnung alle in Rede stehenden Stoffe und Zubereitungen unabhängig von der Menge an HAD, die diese enthalten, verboten sind.
83 Hierzu hat die Kommission in den Erwägungsgründen 8 und 9 der angefochtenen Verordnung ausgeführt, dass die EFSA nicht in der Lage gewesen sei, Empfehlungen bezüglich der für die menschliche Gesundheit unbedenklichen täglichen Aufnahme von HAD abzugeben, was im Übrigen auch aus dem oben in Rn. 6 wiedergegebenen Ergebnis der wissenschaftlichen Stellungnahme von 2017 hervorgeht. In Abschnitt 2.7.2 der wissenschaftlichen Stellungnahme von 2017 („Exposure via normal diet“, Exposition durch normale Ernährung) hat die EFSA außerdem festgestellt, dass HAD-haltige Pflanzenteile zu einer normalen Ernährung gehören könnten, dass aber von den Verfahrensbeteiligten trotz entsprechender Aufforderung keine Daten über die HAD-Konzentrationen in diesen verzehrten Pflanzenteilen zur Verfügung gestellt worden seien.
84 Darüber hinaus geht aus dem zehnten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung hervor, dass HAD bei der Herstellung durch eine Reihe von Filterverfahren aus den pflanzlichen Zubereitungen entfernt werden können, wodurch Produkte entstehen, die diese Stoffe nur in Spuren als Verunreinigungen enthalten.
85 Ungeachtet dieser Erwägungen bezieht sich Art. 1 Nr. 1 erster und zweiter Eintrag der angefochtenen Verordnung auf „Aloe-Emodin“ und „Emodin“ sowie „alle Zubereitungen, in denen [diese] [Stoffe] enthalten [sind]“, unabhängig von der Menge an HAD, die darin enthalten ist.
86 Die Kommission scheint also der Ansicht gewesen zu sein, dass sie aufgrund der unzureichenden Daten hinsichtlich der gesundheitlich unbedenklichen Tagesdosis davon ausgehen könne, dass es keine unbedenkliche Verwendungsmenge für HAD gebe, so dass sie diese insgesamt verbieten könne.
87 Dieses Fehlen eines Schwellenwerts verstößt jedoch gegen Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 1925/2006 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung, aus dem, wie oben in Rn. 78 erwähnt, hervorgeht, dass das dort vorgesehene Verbotsverfahren voraussetzt, dass es sich als gesundheitsschädlich herausgestellt hat, wenn andere Stoffe als Vitamine oder Mineralstoffe oder Zutaten, die diese enthalten, Lebensmitteln zugesetzt werden oder bei ihrer Herstellung unter Bedingungen verwendet werden, die zu einer „Aufnahme von Mengen dieses Stoffes führen würden, welche weit über den unter normalen Bedingungen bei einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung vernünftigerweise anzunehmenden Mengen liegen“.
88 Im Übrigen geht weder aus der wissenschaftlichen Stellungnahme von 2017 noch aus einem anderen Teil der Akte hervor, dass die Bestimmungen der angefochtenen Verordnung erlassen worden wären, weil die in Rede stehenden Stoffe und Zubereitungen aus anderen Gründen ein potenzielles Risiko für die Verbraucher bergen würden.
89 Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1925/2006 überträgt der Kommission zwar die Befugnis, andere Stoffe als Vitamine oder Mineralstoffe oder Zutaten, die diese Stoffe enthalten, in Anhang III dieser Verordnung aufzunehmen, sie muss jedoch die in dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen einhalten.
90 Ein allgemeines Verbot des Zusatzes von Stoffen und Zubereitungen, die bestimmte Stoffe wie die in Art. 1 Nr. 1 erster und zweiter Eintrag der angefochtenen Verordnung genannten enthalten, zu Lebensmitteln oder deren Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln, unabhängig von der Menge dieser Stoffe, steht jedoch nicht im Einklang mit den von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 1925/2006 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung aufgestellten Voraussetzungen.
91 Zwar ergibt sich aus dem 20. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1925/2006, dass die Beweislast für die Sicherheit der Lebensmittel bei den Lebensmittelunternehmern liegt, da sie für die Sicherheit der Lebensmittel, die sie in Verkehr bringen, verantwortlich sind. Nach diesem Erwägungsgrund obliegt diese Beweislast den Lebensmittelunternehmern jedoch nur in den Fällen, in denen der Zusatz dieses Stoffes in Form von Auszügen oder Konzentraten dazu führen kann, dass sie in deutlich höherer Menge aufgenommen werden als bei einer angemessenen und abwechslungsreichen Ernährung, was die Kommission im Übrigen in Rn. 83 der Klagebeantwortung und in Rn. 41 der Gegenerwiderung einräumt.
92 Die Kommission hat in Rn. 33 der Klagebeantwortung auch anerkannt, dass die Lebensmittelsicherheit so geprüft werde, dass gewährleistet sei, dass Lebensmittel sicher seien, wenn sie regelmäßig und von der gesamten Bevölkerung verzehrt würden, und dass „die EFSA für die verschiedenen Stoffe eine ‚zulässige Tagesdosis‘ berechnet, die definiert ist als die ‚geschätzte Menge eines Stoffes in Lebensmitteln …, die täglich während der gesamten Lebensdauer verzehrt werden kann, ohne ein nennenswertes Gesundheitsrisiko darzustellen‘“.
93 Dieses Ergebnis wird durch Art. 3 Abs. 3 der Durchführungsverordnung Nr. 307/2012 bestätigt, wonach für die Zwecke dieser Verordnung die Bedingungen, die zur Aufnahme von Mengen des Stoffes führen, welche weit über den unter normalen Bedingungen bei einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung vernünftigerweise anzunehmenden Mengen liegen, tatsächlich gegeben sind und von Fall zu Fall anhand der durchschnittlichen Aufnahme des Stoffes durch die allgemeine erwachsene Bevölkerung oder andere Bevölkerungsgruppen, für die ein Risiko bestehen könnte, bewertet werden.
94 Da jedoch keine Daten über die Mengen eines Stoffes vorliegen, die im Sinne des 20. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 1925/2006 „bei einer angemessenen und abwechslungsreichen Ernährung [aufgenommen werden]“, oder über die „unter normalen Bedingungen bei einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung vernünftigerweise anzunehmenden“ Mengen eines Stoffes im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der genannten Verordnung, ist ein Lebensmittelunternehmer nicht in der Lage, einen sinnvollen Vergleich zwischen den Mengen eines Stoffes unter normalen Ernährungsbedingungen einerseits und den Mengen desselben Stoffes unter den Bedingungen der Verwendung und des Zusatzes in Form von Konzentraten andererseits anzustellen.
95 Folglich verstößt Art. 1 Nr. 1 erster und zweiter Eintrag der angefochtenen Verordnung gegen Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 1925/2006 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung, da er verbietet, dass die HAD „Aloe-Emodin“ und „Emodin“ sowie Zubereitungen, in denen diese Stoffe enthalten sind, Lebensmitteln zugesetzt oder bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendet werden, und zwar unabhängig von der betreffenden Menge an HAD. Dem diesbezüglichen Vorbringen der Klägerin ist somit zu folgen.
96 Nach alledem sind Art. 1 Nr. 1 erster und zweiter Eintrag und Nr. 2 erster und zweiter Eintrag der angefochtenen Verordnung für nichtig zu erklären, ohne dass das Gericht über die übrigen Klagegründe und das übrige Vorbringen der Klägerin zu entscheiden braucht.
Kosten
97 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
98 Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Art. 1 Nr. 1 erster und zweiter Eintrag und Nr. 2 erster und zweiter Eintrag der Verordnung (EU) 2021/468 der Kommission vom 18. März 2021 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf botanische Arten, die Hydroxyanthracen-Derivate enthalten, wird für nichtig erklärt.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
Zilgalvis
Tichy-Fisslberger
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. November 2024.
Unterschriften