URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
27. Februar 2025(* )
„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher – Richtlinie 2014/17/EU – Art. 13 Abs. 1 Buchst. g – Allgemeine Informationen über Wohnkreditprodukte – Pflicht zur Bereitstellung eines ‚repräsentativen Beispiels‘ – Richtlinie 2005/29/EG – Art. 7 – Bankinstitut, das unterschiedliche Arten von Krediten anbietet – Informationsblatt, das lediglich Beispiele für Kreditverträge mit variablem Zinssatz enthält “
In der Rechtssache C‑85/24
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Beschluss vom 23. Januar 2024, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Februar 2024, in dem Verfahren
Verein für Konsumenteninformation
gegen
BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen sowie des Vizepräsidenten des Gerichtshofs T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, des Richters A. Kumin, der Richterin I. Ziemele und des Richters S. Gervasoni (Berichterstatter),
Generalanwalt: D. Spielmann,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– des Vereins für Konsumenteninformation, vertreten durch Rechtsanwalt S. Langer,
– der BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG, vertreten durch Rechtsanwälte M. Kellner und F. Liebel,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch B.‑R. Killmann und P. Vanden Heede als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2014/17/ЕU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 60, S. 34).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem der Verein für Konsumenteninformation, eine österreichische Vereinigung zum Schutz von Verbrauchern (im Folgenden: VKI), und die BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG (im Folgenden: BAWAG), eine österreichische Bank, einander gegenüberstehen, und der die fehlende Nennung repräsentativer Beispiele für einen Kreditvertrag mit festem Zinssatz sowie für einen Kreditvertrag, bei dem ein fester Zinssatz und ein variabler Zinssatz einander abwechseln, in den von der BAWAG den Verbrauchern bereitgestellten allgemeinen Informationen zum Gegenstand hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2014/17
3 In den Erwägungsgründen 15, 20, 38 und 53 der Richtlinie 2014/17 heißt es:
„(15) Durch diese Richtlinie soll gewährleistet werden, dass Immobilienkreditverträge, die mit Verbrauchern geschlossen werden, ein hohes Maß an Schutz genießen. …
…
(20) Um auf dem Gebiet der Kredite einen kohärenten Rahmen für die Verbraucher zu gewährleisten und den Verwaltungsaufwand für Kreditgeber und Kreditvermittler möglichst gering zu halten, sollte das Kerngerüst dieser Richtlinie der Struktur der Richtlinie 2008/48/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66)] so weit wie möglich folgen, insbesondere der Vorstellung, dass die in Werbematerial bezüglich Wohnimmobilienkreditverträgen enthaltenen Informationen den Verbrauchern in Form eines repräsentativen Beispiels bereitgestellt werden, dass die Verbraucher detaillierte vorvertragliche Informationen mittels eines standardisierten Merkblatts erhalten, dass die Verbraucher vor Abschluss des Kreditvertrags angemessene Erläuterungen erhalten, dass eine gemeinsame Grundlage für die Berechnung des effektiven Jahreszinses ausschließlich der Notargebühren geschaffen wird und dass die Kreditgeber die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers vor der Vergabe eines Kredits prüfen. …
…
(38) In der Werbung wird tendenziell der Schwerpunkt auf ein Produkt oder einige Produkte im Besonderen gelegt, die Verbraucher sollten ihre Entscheidungen aber in umfassender Kenntnis der gesamten Palette angebotener Kreditprodukte treffen können. Diesbezüglich spielen allgemeine Informationen eine wichtige Rolle bei der Aufklärung der Verbraucher in Bezug auf das breite Spektrum der angebotenen Produkte und Dienstleistungen sowie deren wichtigste Merkmale. Daher sollten die Verbraucher stets Zugang zu allgemeinen Informationen über verfügbare Kreditprodukte haben. Sofern diese Anforderung nicht für nicht gebundene Kreditvermittler gilt, so entbindet sie dies in keiner Weise von ihrer Verpflichtung, den Verbrauchern individuelle vorvertragliche Informationen zu erteilen.
…
(53) Da der effektive Jahreszins in der Werbephase nur anhand eines Beispiels angegeben werden kann, sollte dieses Beispiel repräsentativ sein. Deshalb sollte es beispielsweise der durchschnittlichen Laufzeit und dem Gesamtbetrag des gewährten Kredits für die Art des betreffenden Kreditvertrags entsprechen. Bei der Auswahl des repräsentativen Beispiels sollte die Verbreitung bestimmter Kreditverträge auf einem speziellen Markt berücksichtigt werden. Für den einzelnen Kreditgeber kann es wünschenswert sein, das repräsentative Beispiel auf einen Kreditbetrag zu stützen, der für die Produktpalette und erwartete Zielgruppe dieses Kreditgebers repräsentativ ist, da es hierbei große Unterschiede zwischen Kreditgebern geben kann. Was den im [„Europäischen standardisierten Merkblatt“ (European Standardised Information Sheet)] angegebenen effektiven Jahreszins betrifft, so sollten die vom Verbraucher mitgeteilten Präferenzen und Informationen soweit möglich berücksichtigt werden und der Kreditgeber oder Kreditvermittler sollte deutlich machen, ob die angegebenen Informationen lediglich Beispielcharakter haben oder den mitgeteilten Präferenzen und Informationen Rechnung tragen. Auf jeden Fall sollten die repräsentativen Beispiele nicht den Anforderungen der Richtlinie 2005/29/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. 2005, L 149, S. 22)] zuwiderlaufen. …“
4 Art. 13 („Allgemeine Informationen“) Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Kreditgeber und gegebenenfalls gebundene Kreditvermittler oder deren benannte Vertreter jederzeit klare und verständliche allgemeine Informationen über Kreditverträge auf Papier oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger oder in elektronischer Form bereitstellen. Zusätzlich können die Mitgliedstaaten vorschreiben, dass nicht gebundene Kreditvermittler allgemeine Informationen bereitstellen.
Diese allgemeinen Informationen umfassen zumindest:
…
e) Arten von angebotenen Sollzinssätzen mit Angabe, ob es sich um einen festen oder einen variablen Zinssatz oder beide handelt, mit einer kurzen Darstellung der Merkmale eines festen und eines variablen Zinssatzes, einschließlich der sich hieraus ergebenden Konsequenzen für den Verbraucher;
…
g) ein repräsentatives Beispiel des Gesamtkreditbetrags, der Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher, des vom Verbraucher zu zahlenden Gesamtbetrags und des effektiven Jahreszinses;
…“
5 Art. 14 („Vorvertragliche Informationen“) Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Kreditgeber und gegebenenfalls der Kreditvermittler oder der benannte Vertreter dem Verbraucher auf ihn zugeschnittene Informationen erteilt, die er benötigt, um die auf dem Markt verfügbaren Kreditprodukte zu vergleichen, ihre jeweiligen Auswirkungen zu prüfen und eine fundierte Entscheidung über den Abschluss eines Kreditvertrags zu treffen; die Erteilung dieser Informationen erfolgt
a) unverzüglich, nachdem der Verbraucher die erforderlichen Angaben zu seinen Bedürfnissen, seiner finanziellen Situation und seinen Präferenzen gemäß Artikel 20 gemacht hat, und
b) rechtzeitig, bevor der Verbraucher durch einen Kreditvertrag oder ein Angebot gebunden ist.“
Richtlinie 2005/29
6 Art. 7 („Irreführende Unterlassungen“) Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 lautet:
„Eine Geschäftspraxis gilt als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte.“
Österreichisches Recht
7 § 7 Z 7 des Bundesgesetzes über Hypothekar- und Immobilienkreditverträge und sonstige Kreditierungen zu Gunsten von Verbrauchern (Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz) vom 26. November 2015 (BGBl. I 135/2015) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz) setzt Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2014/17 wortgleich um.
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
8 Die BAWAG ist ein Bankinstitut und bietet österreichweit ihre Leistungen an. In einem „Produktinformationsblatt Wohnkredite“ stellt diese Bank den Verbrauchern allgemeine Informationen über die von ihr angebotenen Hypothekar- und Immobilienkreditverträge zur Verfügung.
9 Die S. 2 bis 4 des Informationsblatts beziehen sich auf Wohnbaukredite, die nicht durch eine Hypothek gesichert sind, und enden mit einem „repräsentativen Beispiel“. Zum Abschluss der S. 5 bis 7 dieses Informationsblatts, die Wohnbaukredite betreffen, die durch eine Hypothek gesichert sind, wird ebenfalls ein repräsentatives Beispiel genannt. Als repräsentatives Beispiel für einen Wohnbaukredit, der nicht durch eine Hypothek gesichert ist, wird ein Kredit über 35 000 Euro mit einer Laufzeit von 180 Monaten und einem jährlichen variablen Nominalzinssatz von 4,58 % angeführt. Als repräsentatives Beispiel für einen Wohnbaukredit, der durch eine Hypothek gesichert ist, wird ein Kredit über 200 000 Euro mit einer Laufzeit von 240 Monaten und einem jährlichen variablen Nominalzinssatz von 0,5 % genannt. Beide Beispiele enthalten Angaben zur Höhe der Zinsbelastung, zum effektiven Jahreszins und zu den Gesamtkosten des Kredits.
10 In ihrer Produktpalette bietet die BAWAG neben Kreditverträgen mit ausschließlich variablen Zinssätzen auch Kreditverträge mit ausschließlichen Festzinsphasen sowie Kreditverträge mit abwechselnd variablen Zinssätzen und Festzinsphasen an.
11 VKI erhob Klage mit dem Antrag, der BAWAG zu untersagen, in das in Rn. 8 des vorliegenden Urteils erwähnte Informationsblatt nur ein Beispiel für einen Kreditvertrag mit variablem Zinssatz aufzunehmen, ohne auch ein Beispiel für einen Kreditvertrag mit festem Zinssatz und ein Beispiel für einen gemischt verzinslichen Kreditvertrag anzugeben, obgleich sie diese drei Arten von Zinssätzen für die Kreditverträge anbiete.
12 Die BAWAG hält dem entgegen, dass dieses Informationsblatt nicht der detaillierten, auf Einzelfälle und konkrete Kunden zugeschnittenen vorvertraglichen Aufklärung von Verbrauchern diene. Es könne nicht verlangt werden, dass in diesem Informationsblatt ein Beispiel zur Veranschaulichung jeder denkbaren Verzinsungsform enthalten sei.
13 Das erstinstanzliche Gericht war der Auffassung, dass in diesem Informationsblatt ein Beispiel für einen Kredit mit festem Zinssatz hätte angegeben werden müssen, und gab den Anträgen von VKI teilweise statt.
14 Dagegen entschied das Berufungsgericht, dass § 7 Z 7 des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes nur ein einziges repräsentatives Beispiel zur Veranschaulichung der Angaben im Informationsblatt verlange und dass daher die BAWAG nicht verpflichtet sei, in ihrem Informationsblatt auch ein Beispiel für einen Kreditvertrag mit festem Zinssatz anzugeben.
15 Gegen das Urteil des Berufungsgerichts legte VKI beim vorlegenden Gericht, dem Obersten Gerichtshof (Österreich), Revision ein.
16 Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, das Erfordernis, repräsentative Beispiele für jede der drei angebotenen Arten von Kreditverträgen anzugeben, gehe über das hinaus, was allgemeine Informationen enthalten müssten, räumt allerdings ein, dass diese Auslegung von Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2014/17 nicht zwingend geboten sei.
17 Unter diesen Umständen hat der Oberste Gerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2014/17 dahin auszulegen, dass ein Verstoß dagegen zu verneinen ist, wenn ein Kreditgeber, der Wohnbaukredite ohne und mit Hypothek, jeweils in mehreren Varianten anbietet (a. Kredite mit ausschließlichen Festzinsphasen, b. Kredite mit abwechselnd variablen Zinsen und Festzinsphasen und c. Kredite mit ausschließlich variablen Zinsen), jeweils ein (einziges) repräsentatives Beispiel für einen Wohnbaukredit ohne und für einen Wohnbaukredit mit Hypothek bereitstellt, oder erfordert die Bestimmung, dass für jede Verzinsungsform jeweils ein repräsentatives Beispiel anzuführen ist?
Zur Vorlagefrage
18 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2014/17 dahin auszulegen ist, dass ein Kreditgeber, der zur Finanzierung des Baus von Wohnungen Kreditverträge, die durch eine Hypothek gesichert sind oder nicht, mit festem Zinssatz, mit variablem Zinssatz oder mit abwechselnd variablen Zinssätzen und Festzinsphasen anbietet, ein repräsentatives Beispiel für jede der drei Arten von Kreditverträgen bereitstellen muss.
19 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass mit der Richtlinie 2014/17, wie sich aus ihrem Art. 1 ergibt, ein gemeinsamer Rahmen für mit Verbrauchern geschlossene Wohnimmobilienkreditverträge festgelegt werden soll.
20 Art. 13 („Allgemeine Informationen“) Abs. 1 dieser Richtlinie zählt die allgemeinen Informationen über Wohnimmobilienkreditverträge auf, die, wie die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, Kreditgeber den Verbrauchern jederzeit bereitstellen.
21 Als allgemeine Informationen sieht Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie vor, dass der Kreditgeber u. a. „ein repräsentatives Beispiel des Gesamtkreditbetrags, die Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher, des vom Verbraucher zu zahlenden Gesamtbetrags und des effektiven Jahreszinses“ bereitstellen muss.
22 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind für die Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 14. März 2024, VR Bank Ravensburg-Weingarten, C‑536/22, EU:C:2024:234, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).
23 Als Erstes deutet der Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2014/17 durch die Verwendung des unbestimmten Artikels „ein“ darauf hin, dass von den Kreditgebern lediglich erwartet wird, dass sie den Verbrauchern in ihren allgemeinen Informationen ein einziges Beispiel bereitstellen. Ferner stellt er klar, dass es sich nicht um ein „repräsentatives“ Beispiel der verschiedenen, vom Kreditgeber angebotenen Arten von Kreditverträgen handeln muss, sondern „des Gesamtkreditbetrags, der Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher, des vom Verbraucher zu zahlenden Gesamtbetrags und des effektiven Jahreszinses“.
24 Demnach besteht die Funktion des bereitzustellenden repräsentativen Beispiels insofern offenbar nicht darin, zu veranschaulichen, wie verschiedenartig die vom Kreditgeber angebotenen Kreditverträge sind, sondern darin, den Verbrauchern zu deren allgemeiner Information die Bedeutung und das Zusammenspiel der verschiedenen kreditbezogenen Ausdrücke verständlich zu machen.
25 Als Zweites wird durch den Zusammenhang, in dem Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2014/17 steht, diese wörtliche Auslegung bestätigt.
26 Erstens verlangt zwar Art. 13 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie, dass die „allgemeinen Informationen“ die Nennung der „Arten von angebotenen Sollzinssätzen mit Angabe, ob es sich um einen festen oder einen variablen Zinssatz oder beide handelt“, umfassen, aber Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie enthält keinen Hinweis darauf, dass für jede Art von angebotenen Kreditverträgen ein repräsentatives Beispiel bereitzustellen ist. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Unionsgesetzgeber, wenn er die Kreditgeber dazu hätte verpflichten wollen, ein repräsentatives Beispiel für alle Arten von Zinssätzen bereitzustellen, ausdrücklich darauf hingewiesen hätte.
27 Zweitens ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung der Richtlinie 2014/17, dass sie zugunsten der Verbraucher ein verpflichtendes Informationssystem mit zwei Ebenen einführt.
28 Die erste Ebene bilden die in Art. 13 dieser Richtlinie genannten „allgemeinen Informationen“. Nach ihrem 38. Erwägungsgrund sollen diese Informationen es dem Verbraucher ermöglichen, in umfassender Kenntnis Entscheidungen treffen zu können, nämlich nach „Aufklärung … in Bezug auf das breite Spektrum der angebotenen Produkte und Dienstleistungen sowie deren wichtigste Merkmale. Daher sollten die Verbraucher stets Zugang zu allgemeinen Informationen über verfügbare Kreditprodukte haben.“
29 Die zweite Ebene der Informationen, die dem Verbraucher zur Verfügung stehen müssen, besteht in den in Art. 14 der Richtlinie genannten „vorvertraglichen Informationen“. In Art. 14 Abs. 1 heißt es, dass es sich um „auf ihn zugeschnittene Informationen [handelt], die [der Verbraucher] benötigt, um die auf dem Markt verfügbaren Kreditprodukte zu vergleichen, ihre jeweiligen Auswirkungen zu prüfen und eine fundierte Entscheidung über den Abschluss eines Kreditvertrags zu treffen“.
30 Wie die BAWAG und die Europäische Kommission in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen hervorheben, besteht der Zweck der „allgemeinen Informationen“ nicht darin, den Verbrauchern detaillierte Erläuterungen zu geben, die für jede Art von Kreditvertrag, die der Kreditgeber anbietet, und für jeden Einzelfall passend sind; solche Erläuterungen sind vielmehr als „vorvertragliche Informationen“ zu erteilen. Die „allgemeinen Informationen“ dienen lediglich dazu, dem Verbraucher bei der Suche nach Krediten in einem frühen Stadium seiner Überlegungen Orientierung zu bieten. Demnach wäre es unangebracht, Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2014/17 dahin auszulegen, dass diese Informationen erschöpfend sein müssten. Mit einer solchen Auslegung würde man auch die vom Unionsgesetzgeber getroffene Unterscheidung zwischen allgemeinen und vorvertraglichen Informationen in Frage stellen.
31 Was als Drittes die mit der Richtlinie 2014/17 verfolgten Ziele betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass, wie aus dem 15. Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht, diese darauf abzielt, ein hohes Maß an Schutz für Verbraucher, die am Abschluss eines Immobilienkredits interessiert sind, zu gewährleisten.
32 Insoweit wird im 53. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/17 insbesondere hervorgehoben, dass repräsentative Beispiele nicht den Anforderungen der Richtlinie 2005/29 zuwiderlaufen sollten.
33 Nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29, die der Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken gegenüber Verbrauchern dient, „gilt [eine Geschäftspraxis] als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte“.
34 Im vorliegenden Fall dürften dem Verbraucher aufgrund der Bereitstellung eines repräsentativen Beispiels für einen Kredit mit variablem Zinssatz sowohl bei Kreditverträgen, die durch eine Hypothek gesichert sind, als auch bei Kreditverträgen, die nicht durch eine Hypothek gesichert sind, keine wesentlichen Informationen im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 vorenthalten werden.
35 Insoweit ist festzustellen, dass die allgemeine Information, die der Verbraucher benötigt, um sich in Kenntnis der Sachlage mit einem Kredit mit festem Zinssatz, einem Kredit mit variablem Zinssatz oder einem gemischt verzinslichen Kredit auseinander zu setzen, nicht in den Informationen besteht, die das repräsentative Beispiel enthalten muss, d. h. den Gesamtkreditbetrag, die Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher, den vom Verbraucher zu zahlenden Gesamtbetrag und den effektiven Jahreszins, sondern darin, dass diese Informationen bei einem Kredit mit festem Zinssatz feststehen, bei einem Kredit mit variablem Zinssatz oder einem gemischt verzinslichen Kredit dagegen nicht.
36 Diese wesentlichen Merkmale von Kreditverträgen mit festem und/oder variablem Zinssatz müssen in den allgemeinen Informationen nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. e, nicht aber gemäß Art. 13 Abs. 1 Buchst. g im repräsentativen Beispiel enthalten sein.
37 Das repräsentative Beispiel zielt nämlich darauf ab, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, und zwar in Verbindung mit den weiteren allgemeinen Informationen, die in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 aufgezählt werden, sowie den vorvertraglichen Informationen, die auf die persönliche Situation jedes einzelnen Verbrauchers zugeschnitten sind.
38 Vor diesem Hintergrund wird dem Verbraucher dadurch, dass ein Kreditgeber, der Kreditverträge mit festem, variablem und gemischtem Zinssatz anbietet, in seinen allgemeinen Informationen nur ein repräsentatives Beispiel für einen durch eine Hypothek gesicherten Kreditvertrag mit variablem Zinssatz und ein repräsentatives Beispiel für einen nicht durch eine Hypothek gesicherten Kreditvertrag mit variablem Zinssatz bereitstellt, keine wesentliche Information vorenthalten, und folglich kann dies auch nicht als Anzeichen für eine irreführende Geschäftspraxis des Kreditgebers im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 angesehen werden. Somit steht die Darstellung eines einzigen repräsentativen Beispiels in den allgemeinen Informationen im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie 2014/17.
39 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das in Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2014/17 genannte Beispiel, wie in Rn. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt, „repräsentativ“ sein muss.
40 Hierzu heißt es im 53. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/17, dass „[b]ei der Auswahl des repräsentativen Beispiels … die Häufigkeit bestimmter Arten von Kreditverträgen auf einem bestimmten Markt berücksichtigt werden [sollte]. Für den einzelnen Kreditgeber kann es wünschenswert sein, das repräsentative Beispiel auf einen Kreditbetrag zu stützen, der für die Produktpalette und erwartete Zielgruppe dieses Kreditgebers repräsentativ ist, da es hierbei große Unterschiede zwischen Kreditgebern geben kann.“
41 Insoweit geht aus diesem Erwägungsgrund hervor, dass bei der Beurteilung, ob das zu nennende Beispiel repräsentativ ist, bestimmte Elemente berücksichtigt werden können, beispielsweise die durchschnittliche Laufzeit und der Gesamtbetrag des gewährten Kredits für die Art des betreffenden Kreditvertrags sowie die Verbreitung bestimmter Kreditverträge auf einem speziellen Markt. Was den im Informationsblatt angegebenen effektiven Jahreszins betrifft, so sollten die vom Verbraucher mitgeteilten Präferenzen und Informationen soweit möglich berücksichtigt werden und der Kreditgeber oder Kreditvermittler sollte deutlich machen, ob die angegebenen Informationen lediglich Beispielcharakter haben oder den mitgeteilten Präferenzen und Informationen Rechnung tragen. Auf jeden Fall sollten die repräsentativen Beispiele, wie in Rn. 32 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nicht den Anforderungen der Richtlinie 2005/29 zuwiderlaufen.
42 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, insbesondere anhand dieser Hinweise zu beurteilen, ob das von der BAWAG in ihren allgemeinen Informationen angeführte Beispiel gemäß Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2014/17 repräsentativ ist.
43 Nach alledem ist auf die Frage zu antworten, dass Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2014/17 dahin auszulegen ist, dass ein Kreditgeber, der zur Finanzierung des Baus einer Wohnung Kreditverträge, die durch eine Hypothek gesichert sind oder nicht, mit festem Zinssatz, mit variablem Zinssatz oder mit abwechselnd variablen Zinssätzen und Festzinsphasen anbietet, in den allgemeinen Informationen nur ein einziges Beispiel der von ihm angebotenen Kredite anzugeben hat, sofern dieses Beispiel repräsentativ ist.
Kosten
44 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010
ist dahin auszulegen, dass
ein Kreditgeber, der zur Finanzierung des Baus einer Wohnung Kreditverträge, die durch eine Hypothek gesichert sind oder nicht, mit festem Zinssatz, mit variablem Zinssatz oder mit abwechselnd variablen Zinssätzen und Festzinsphasen anbietet, in den allgemeinen Informationen nur ein einziges Beispiel der von ihm angebotenen Kredite anzugeben hat, sofern dieses Beispiel repräsentativ ist.
Biltgen
von Danwitz
Kumin
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. Februar 2025.
Der Kanzler
Der Kammerpräsident
A. Calot Escobar
F. Biltgen