Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)
11. September 2024(* )
„ Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen – Einfrieren von Geldern – Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden – Aufnahme des Namens der Klägerin in die Liste und Belassung ihres Namens auf der Liste – Begründungspflicht – Beurteilungsfehler – Begriff ‚materielle oder finanzielle Unterstützung der Regierung der Russischen Föderation‘ – Unternehmerische Freiheit – Eigentumsrecht – Verhältnismäßigkeit “
In der Rechtssache T‑494/22,
NKO AO National Settlement Depository (NSD) mit Sitz in Moskau (Russland), vertreten durch Rechtsanwältinnen N. Tuominen und M. Krestiyanova, Rechtsanwalt J.‑P. Fierens sowie Rechtsanwältin C. Gieskes,
Klägerin,
gegen
Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bishop als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt B. Maingain,
Beklagter,
unterstützt durch
Europäische Kommission, vertreten durch J.‑F. Brakeland, G. von Rintelen, L. Mantel und M. Carpus Carcea als Bevollmächtigte,
Streithelferin,
erlässt
DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten D. Spielmann, der Richterin M. Brkan (Berichterstatterin), sowie der Richter I. Gâlea, T. Tóth und S. L. Kalėda,
Kanzler: I. Kurme, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere
– der am 12. August 2022 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichten Klageschrift,
– der Beschlüsse vom 31. März 2023, NSD/Rat (T‑494/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:196), und vom 31. März 2023, NSD/Rat (T‑494/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:197), mit denen die Anträge von Herrn A. Lipatov und der Maritime Bank JSC auf Zulassung zur Streithilfe zurückgewiesen wurden,
– des am 25. April 2023 von der Klägerin bei der Kanzlei des Gerichts eingereichten Anpassungsschriftsatzes,
– des am 24. November 2023 von der Klägerin bei der Kanzlei des Gerichts eingereichten Anpassungsschriftsatzes,
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2024,
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die NKO AO National Settlement Depository (NSD), erstens die Nichtigerklärung des Beschlusses (GASP) 2022/883 des Rates vom 3. Juni 2022 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2022, L 153, S. 92), und der Durchführungsverordnung (EU) 2022/878 des Rates vom 3. Juni 2022 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2022, L 153, S. 15, im Folgenden: ursprüngliche Rechtsakte), zweitens des Beschlusses (GASP) 2023/572 des Rates vom 13. März 2023 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2023, L 75 I, S. 134), und der Durchführungsverordnung (EU) 2023/571 des Rates vom 13. März 2023 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2023, L 75 I, S. 1, im Folgenden: Fortsetzungsrechtsakte von März 2023), sowie drittens des Beschlusses (GASP) 2023/1767 des Rates vom 13. September 2023 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2023, L 226, S. 104), und der Durchführungsverordnung (EU) 2023/1765 des Rates vom 13. September 2023 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2023, L 226, S. 3, im Folgenden: Fortsetzungsrechtsakte von September 2023), soweit alle diese Rechtsakte (im Folgenden: angefochtene Rechtsakte) ihren Namen in die Listen in den Anhängen dieser Rechtsakte aufnehmen und dort belassen.
I. Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Die Klägerin, eine Gesellschaft russischen Rechts, ist eine zugelassene Verwahrstelle, die als zentrale Verwahrstelle Archivierungs- und Verwahrungsdienstleistungen für Wertpapiere sowie zudem Finanzdienstleistungen erbringt, u. a. als Finanzinstitut des Nichtbankensektors mit einer Lizenz zur Erbringung von Settlement-Dienstleistungen.
3 Hintergrund der vorliegenden Rechtssache sind die von der Europäischen Union verabschiedeten restriktiven Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen.
4 Am 17. März 2014 erließ der Rat der Europäischen Union auf der Grundlage von Art. 29 EUV den Beschluss 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 16).
5 Am selben Tag erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 215 AEUV die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 6).
6 Am 25. Februar 2022 erließ der Rat angesichts der sehr ernsten Lage in der Ukraine einerseits den Beschluss (GASP) 2022/329 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2022, L 50, S. 1) und andererseits die Verordnung (EU) 2022/330 zur Änderung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2022, L 51, S. 1), um insbesondere die Kriterien zu ändern, nach denen natürliche oder juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen den betreffenden restriktiven Maßnahmen unterworfen werden konnten.
7 Art. 2 Abs. 1 und 2 des Beschlusses 2014/145 in der so geänderten Fassung (im Folgenden: geänderter Beschluss 2014/145) sieht vor:
„(1) Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum stehen oder gehalten oder kontrolliert werden von:
…
f) natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die die Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich ist, materiell oder finanziell unterstützen oder von dieser profitieren …
(2) Den im Anhang aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen.“
8 Die Modalitäten des Einfrierens werden in den darauffolgenden Absätzen von Art. 2 des geänderten Beschlusses 2014/145 festgelegt.
9 Die Verordnung Nr. 269/2014 in der durch die Verordnung 2022/330 geänderten Fassung (im Folgenden: geänderte Verordnung Nr. 269/2014) sieht die Annahme von Maßnahmen des Einfrierens von Geldern vor und regelt die Modalitäten dieses Einfrierens im Wesentlichen wortgleich mit dem geänderten Beschluss 2014/145. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bis g dieser Verordnung übernimmt nämlich im Wesentlichen Art. 2 Abs. 1 Buchst. a bis g dieses Beschlusses.
10 Am 3. Juni 2022 erließ der Rat in Anbetracht der Fortsetzung des Angriffskriegs der Russischen Föderation gegen die Ukraine die ursprünglichen Rechtsakte, mit denen er den Namen der Klägerin in die im Anhang des geänderten Beschlusses 2014/145 und im Anhang der geänderten Verordnung Nr. 269/2014 enthaltenen Listen der Personen, Organisationen und Einrichtungen, die restriktiven Maßnahmen unterliegen (im Folgenden: streitige Listen), aufnahm.
11 Die Gründe für die Aufnahme des Namens der Klägerin in die streitigen Listen sind folgende:
„D[ie Klägerin] ist ein russisches Finanzinstitut des Nichtbankensektors und Russlands zentrale Wertpapierverwahrstelle. [Sie] ist nach Marktwert der verwahrten Aktien und Schuldverschreibungen die größte Wertpapierverwahrstelle in Russland und die einzige, die Zugang zum internationalen Finanzsystem hat.
[Die Klägerin] wird von der Regierung und der russischen Zentralbank als systemrelevantes russisches Finanzinstitut eingestuft. [Sie] spielt für das Funktionieren des russischen Finanzsystems und seine Anbindung an das internationale Finanzsystem eine wesentliche Rolle, wodurch [sie] direkt und indirekt die Tätigkeiten, politischen Maßnahmen und Ressourcen der russischen Regierung unterstützt.
D[ie Klägerin] befindet sich fast vollständig im Eigentum der Moskauer Börse, deren Aufgabe es ist, für einen umfassenden Zugang zu den russischen Finanzmärkten zu sorgen. Die Moskauer Börse wiederum wird aufgrund ihrer Rolle und ihrer Aktionäre in hohem Maße von der russischen Regierung kontrolliert. Somit unterstützt d[ie Klägerin] materiell oder finanziell die Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich ist.“
12 Der Rat veröffentlichte im Amtsblatt der Europäischen Union vom 3. Juni 2022 (ABl. 2022, C 219 I, S. 1) eine Mitteilung an die Personen, Organisationen und Einrichtungen, die den in den ursprünglichen Rechtsakten vorgesehenen restriktiven Maßnahmen unterliegen. Dort hieß es u. a., dass die betroffenen Personen beim Rat unter Vorlage von Nachweisen beantragen können, dass die Entscheidung über die Aufnahme ihrer Namen in die streitigen Listen überprüft wird.
13 Mit Schreiben vom 4. August 2022 ersuchte die Klägerin den Rat, die Begründung und die Beweise für ihre Aufnahme in die streitigen Listen vorzulegen.
14 Am 10. August 2022 übermittelte der Rat der Klägerin die Akte WK 7236/2022/EXT 1 (im Folgenden: erste Beweisakte), auf die er seine Entscheidung gestützt hatte.
II. Sachverhalt nach Klageerhebung
15 Am 14. September 2022 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2022/1530 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2022, L 239, S. 149) und die Durchführungsverordnung (EU) 2022/1529 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2022, L 239, S. 1). Aus dem Beschluss 2022/1530 geht hervor, dass der Beschluss 2014/145 bis zum 15. März 2023 gilt und die für die Klägerin geltenden individuellen restriktiven Maßnahmen somit verlängert werden, wobei ihr Name aus denselben wie den oben in Rn. 11 dargelegten Gründen auf den streitigen Listen belassen wird.
16 Mit Schreiben vom 22. Dezember 2022 teilte der Rat der Klägerin mit, dass er beabsichtige, die gegen sie getroffenen restriktiven Maßnahmen aufrechtzuerhalten, übermittelte ihr die Akte WK 17708/2022 INIT (im Folgenden: zweite Beweisakte) und forderte sie auf, bis zum 12. Januar 2023 Stellung zu nehmen.
17 Am 13. März 2023 erließ der Rat die Fortsetzungsrechtsakte von März 2023. Aus dem Beschluss 2023/572 geht hervor, dass der Beschluss 2014/145 bis zum 15. September 2023 gilt und die für die Klägerin geltenden individuellen restriktiven Maßnahmen somit verlängert werden, wobei ihr Name aus denselben wie den oben in Rn. 11 dargelegten Gründen auf den streitigen Listen belassen wird.
18 Mit Schreiben vom 14. März 2023 informierte der Rat die Klägerin über seine Entscheidung, ihre Eintragung in den streitigen Listen beizubehalten, und forderte sie auf, bis zum 1. Juni 2023 Stellung zu nehmen.
19 Mit Schreiben vom 10. Juli 2023 teilte der Rat der Klägerin mit, dass er beabsichtige, die gegen sie getroffenen restriktiven Maßnahmen aufrechtzuerhalten, übermittelte ihr die Akte WK 7807/2023 REV2 (im Folgenden: dritte Beweisakte) und forderte sie auf, bis zum 25. Juli 2023 Stellung zu nehmen.
20 Am 13. September 2023 erließ der Rat die Fortsetzungsrechtsakte von September 2023. Aus dem Beschluss 2023/1767 geht hervor, dass der Beschluss 2014/145 bis zum 15. März 2024 gilt und die für die Klägerin geltenden individuellen restriktiven Maßnahmen somit verlängert werden, wobei ihr Name aus denselben wie den oben in Rn. 11 dargelegten Gründen auf den streitigen Listen belassen wird.
III. Anträge der Parteien
21 Die Klägerin beantragt,
– die angefochtenen Rechtsakte für nichtig zu erklären;
– dem Rat die Kosten aufzuerlegen.
22 Der Rat, unterstützt durch die Europäische Kommission, beantragt,
– die Nichtigkeitsklage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
IV. Rechtliche Würdigung
23 Vor der Prüfung der Begründetheit der Klagegründe ist die Zulässigkeit der Klage zu prüfen, soweit sie die Durchführungsverordnung 2023/1765 betrifft.
A. Zur Zulässigkeit der Klage, soweit sie sich auf die Durchführungsverordnung 2023/1765 bezieht
24 In ihrer Stellungnahme zum zweiten Schriftsatz zur Anpassung der Klageschrift trägt die Kommission vor, dass dieser Schriftsatz offensichtlich unzulässig sei, soweit er auf die Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung 2023/1765 gerichtet sei, da er nicht die Voraussetzungen von Art. 86 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erfülle. Die Kommission ist der Ansicht, dass diese Durchführungsverordnung die angefochtenen Rechtsakte in Bezug auf die Klägerin weder ersetze noch ändere.
25 Die Klägerin macht geltend, der zweite Schriftsatz zur Anpassung der Klageanträge sei zulässig, da er die Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung 2023/1765, soweit er sie betreffe, zum Gegenstand habe.
26 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger nach Art. 86 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wenn ein Rechtsakt, dessen Nichtigerklärung beantragt wird, durch einen anderen Rechtsakt mit demselben Gegenstand ersetzt oder geändert wird, vor Abschluss des mündlichen Verfahrens oder vor der Entscheidung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden, die Klageschrift anpassen kann, um diesem neuen Umstand Rechnung zu tragen.
27 Die Beurteilung der Zulässigkeit der gegen die Durchführungsverordnung 2023/1765 erhobenen Klage muss im Licht der Verpflichtung des Rates erfolgen, die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 269/2014 gemäß Art. 14 Abs. 4 dieser Verordnung regelmäßig zu überprüfen. Hierzu ist festzustellen, dass die im Anschluss an Überprüfungen erlassenen Durchführungsverordnungen, einschließlich der Durchführungsverordnung 2023/1765, nur die an den streitigen Listen im Anschluss an diese Überprüfung vorgenommenen Änderungen und Streichungen erwähnen, so dass nach diesen Durchführungsverordnungen die Eintragungen, die nicht geändert oder gestrichen wurden, verlängert werden (vgl. entsprechend Urteil vom 28. April 2021, Sharif/Rat, T‑540/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:220, Rn. 48).
28 Nach der Rechtsprechung ist selbst dann, wenn die betroffene Person in einem nachfolgenden Rechtsakt zur Änderung der Liste, in die ihr Name aufgenommen wurde, nicht genannt wird, und selbst dann, wenn dieser nachfolgende Rechtsakt die Gründe, aus denen ihr Name ursprünglich aufgenommen wurde, nicht ändert, ein solcher Rechtsakt als Ausdruck des Willens des Rates zu verstehen, den Namen der betroffenen Person auf dieser Liste zu belassen, so dass ihre Gelder eingefroren bleiben, da der Rat verpflichtet ist, diese Liste regelmäßig zu überprüfen (vgl. Urteil vom 8. Juli 2020, Neda Industrial Group/Rat, T‑490/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:318, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29 Darüber hinaus muss der Rat gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 269/2014, wenn eine Stellungnahme abgegeben oder stichhaltige neue Beweise vorgelegt werden, seinen Beschluss, eine Person in die streitigen Listen aufzunehmen, überprüfen. Im vorliegenden Fall hat der Rat der Klägerin mit Schreiben vom 15. September 2023 mitgeteilt, dass er auf ihren Antrag vom 25. Juli 2023 hin, ihre Aufnahme in die streitigen Listen zu überprüfen, beschlossen habe, die restriktiven Maßnahmen, die durch den Erlass des Beschlusses 2023/1767 und der Verordnung Nr. 269/2014 in der durch die Durchführungsverordnung 2023/1765 geänderten Fassung gegen sie ergriffen worden seien, aufrechtzuerhalten. Daher ist davon auszugehen, dass sowohl der Beschluss 2023/1767 als auch die Durchführungsverordnung 2023/1765 das Ergebnis einer Überprüfung der Situation der Klägerin sind.
30 Im Übrigen trifft es zwar zu, dass die Gründe für die Aufnahme der Klägerin in die streitigen Listen in den Fortsetzungsrechtsakten von September 2023 nicht geändert wurden, doch ist festzustellen, dass diese auf zusätzlichen Beweisen beruhen, die vom Rat in der dritten Beweisakte vorgelegt wurden.
31 Nach alledem ist festzustellen, dass die vorliegende Klage zulässig ist, soweit mit ihr die Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung Nr. 2023/1765, soweit sie die Klägerin betrifft, erwirkt werden soll.
B. Zur Begründetheit
32 Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Gründe, mit denen sie erstens eine Verletzung der Begründungspflicht, zweitens einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, drittens eine unverhältnismäßige Verletzung von Grundrechten und viertens unzureichende Beweise geltend macht.
1. Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht
33 Die Klägerin macht geltend, die Begründung der angefochtenen Rechtsakte entspreche nicht den von der Rechtsprechung zu Art. 296 AEUV aufgestellten Anforderungen. Der Rat habe sich darauf beschränkt, das Aufnahmekriterium, auf dessen Grundlage ihr Name in die streitigen Listen aufgenommen worden sei, umzuformulieren. Darüber hinaus enthielten die angefochtenen Rechtsakte keine genauen und konkreten Informationen und gäben weder an, wann und unter welchen Umständen die Tätigkeiten, politischen Maßnahmen und Ressourcen der russischen Regierung unterstützt worden seien, noch erwähnten sie eine spezifische Transaktion. Darüber hinaus sei die Begründung, sie werde indirekt von der russischen Regierung kontrolliert, falsch.
34 Außerdem wirft die Klägerin dem Rat vor, die Gründe dafür nicht dargelegt zu haben, dass die Vermögenswerte ihrer Kunden durch die gegen sie ergriffenen restriktiven Maßnahmen eingefroren wurden.
35 Der Rat, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.
36 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Pflicht zur Begründung eines beschwerenden Rechtsakts, die aus dem Grundsatz der Beachtung der Verteidigungsrechte folgt, dem Zweck dient, zum einen den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob der Rechtsakt sachlich richtig oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der seine Anfechtung vor dem Unionsrichter zulässt, und zum anderen dem Unionsrichter die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts zu ermöglichen (Urteil vom 15. November 2012, Rat/Bamba, C‑417/11 P, EU:C:2012:718, Rn. 49).
37 Die nach Art. 296 AEUV erforderliche Begründung muss der Art des fraglichen Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen wurde, angemessen sein. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt dieses Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen insbesondere weder alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden noch muss auf die Erwägungen des Betroffenen bei seiner Anhörung vor Erlass des Rechtsakts im Einzelnen eingegangen werden, da die Frage, ob eine Begründung ausreichend ist, nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. Ein beschwerender Rechtsakt ist folglich hinreichend begründet, wenn er in einem Kontext ergangen ist, der dem Betroffenen bekannt war und ihm gestattet, die Tragweite der ihm gegenüber getroffenen Maßnahme zu verstehen (Urteil vom 15. November 2012, Rat/Bamba, C‑417/11 P, EU:C:2012:718, Rn. 53 und 54; vgl. auch Urteil vom 22. April 2021, Rat/PKK, C‑46/19 P, EU:C:2021:316, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).
38 Die an die Genauigkeit der Begründung eines Rechtsakts zu stellenden Anforderungen müssen somit den tatsächlichen Möglichkeiten sowie den technischen und zeitlichen Bedingungen angepasst werden, unter denen der Rechtsakt zu ergehen hat (vgl. Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39 Nach der Rechtsprechung muss überdies in der Begründung eines Rechtsakts des Rates, mit dem eine restriktive Maßnahme verhängt wird, nicht nur die Rechtsgrundlage dieser Maßnahme genannt werden, sondern es müssen auch die besonderen und konkreten Gründe angegeben werden, aus denen der Rat es in Ausübung seines Ermessens für angebracht hielt, den Betroffenen einer solchen Maßnahme zu unterwerfen (vgl. Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 105 und die dort angeführte Rechtsprechung).
40 Im vorliegenden Fall werden sowohl in den ursprünglichen Rechtsakten als auch in den Fortsetzungsrechtsakten von März 2023 und September 2023 im Rahmen ihrer jeweiligen Erwägungsgründe der Kontext und die Rechtsgrundlagen angegeben, auf denen sie erlassen wurden. Insbesondere geht aus den Präambeln der angefochtenen Rechtsakte hervor, dass die sehr ernste Lage in der Ukraine sowie die Fortsetzung von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit dieses Landes untergraben oder bedrohen, die Aufnahme der genannten Personen in die streitigen Listen sowie ihre Belassung auf diesen Listen rechtfertigen.
41 Darüber hinaus enthält die oben in Rn. 11 wiedergegebene Darstellung der tatsächlichen Umstände eine hinreichend klare und genaue Begründung, die es der Klägerin ermöglicht, nachzuvollziehen, warum ihr Name in die streitigen Listen aufgenommen und anschließend dort belassen wurde, und dem Gericht ermöglicht, seine Kontrolle auszuüben. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin geht aus den angefochtenen Rechtsakten hervor, dass sie sich nicht auf eine Umformulierung des in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f des geänderten Beschlusses 2014/145 vorgesehenen Aufnahmekriteriums beschränken. Im Einzelnen heißt es in den Gründen für die Aufnahme, dass die Klägerin die größte Wertpapierverwahrstelle in Russland sei, Zugang zum internationalen Finanzsystem habe und als systemrelevantes Finanzinstitut eingestuft werde, das eine wesentliche Rolle für das Funktionieren des russischen Finanzsystems spiele, so dass sie direkt oder indirekt die Tätigkeiten, politischen Maßnahmen und Mobilisierung der Ressourcen der russischen Regierung unterstütze. Darüber hinaus wird in den Gründen für die Aufnahme auch die Tatsache erwähnt, dass die Klägerin von der russischen Regierung kontrolliert werde.
42 Da außerdem weder alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden brauchen, noch auf die Erwägungen des Betroffenen bei seiner Anhörung vor Erlass des Rechtsakts im Einzelnen eingegangen werden muss, kann das Vorbringen, dass in den angefochtenen Rechtsakten nicht angegeben werde, wann und unter welchen Umständen die Regierung unterstützt worden sei, und auch keine spezifische Transaktion genannt werde, keinen Erfolg haben.
43 Was das Vorbringen betrifft, die Begründung der Aufnahme in die Liste sei insoweit fehlerhaft, als behauptet werde, die Klägerin werde indirekt von der russischen Regierung kontrolliert, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Stichhaltigkeit der Gründe zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört. Die Begründung eines Rechtsakts soll nämlich förmlich die Gründe zum Ausdruck bringen, auf denen dieser Rechtsakt beruht. Weisen die Gründe Fehler auf, so beeinträchtigen diese die materielle Rechtmäßigkeit des Rechtsakts, nicht aber dessen Begründung, die, obwohl sie fehlerhafte Gründe enthält, zureichend sein kann (Urteile vom 5. November 2014, Mayaleh/Rat, T‑307/12 und T‑408/13, EU:T:2014:926, Rn. 96, und vom 22. Juni 2022, Haswani/Rat, T‑479/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:383, Rn. 57). Folglich ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.
44 Zu dem Vorbringen der Klägerin, dass der Rat die Gründe dafür nicht dargelegt habe, dass die Vermögenswerte ihrer Kunden durch die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen eingefroren worden seien, und dass der Rat alle von diesen Maßnahmen betroffenen Kunden der Klägerin hätte bestimmen und prüfen müssen, ob jeder einzelne dieser Kunden individuell die in den Aufnahmekriterien vorgesehenen Voraussetzungen erfülle, ist festzustellen, dass die Begründungspflicht, wie der Rat geltend macht, keine Verpflichtung begründet, alle Auswirkungen des Erlasses des angefochtenen Rechtsakts auf andere Personen darzulegen, und den Rat auch nicht verpflichtet, alle Personen zu bestimmen, die von den restriktiven Maßnahmen gegen die Klägerin mittelbar betroffen sein könnten.
45 Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
2. Zum zweiten und zum vierten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler und Unzulänglichkeit der Beweise
46 Das Vorbringen, auf das sich der vierte Klagegrund stützt, beschränkt sich im Wesentlichen auf den Vortrag, dass die Gründe für die Aufnahme in die Liste nicht durch ausreichende Beweise untermauert seien. Da die Prüfung des Beurteilungsfehlers die Prüfung umfasst, ob die tatsächliche Grundlage, auf die sich der Rat gestützt hat, ausreichend ist, ist der vierte Klagegrund zusammen mit dem zweiten Klagegrund zu prüfen, mit dem ein offensichtlicher Beurteilungsfehler geltend gemacht wird.
47 Der zweite Klagegrund besteht aus drei Teilen, mit denen offensichtliche Beurteilungsfehler geltend gemacht werden, erstens insoweit, als festgestellt werde, dass die Klägerin eine wichtige Einrichtung für das russische Finanzsystem sei, die die Tätigkeiten, politischen Maßnahmen und Mobilisierung der Ressourcen der russischen Regierung unterstütze, zweitens insoweit, als festgestellt werde, dass die Klägerin von dieser Regierung kontrolliert werde, und drittens insoweit, als der Rat nicht nachgewiesen habe, dass eine hinreichende Verbindung zwischen der Klägerin und der russischen Regierung bestehe.
a) Vorbemerkungen
48 Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass mit dem zweiten Klagegrund ein Beurteilungsfehler und nicht ein offensichtlicher Beurteilungsfehler gerügt wird. Denn es trifft zwar zu, dass der Rat einen gewissen Beurteilungsspielraum hat, um im Einzelfall festzustellen, ob die rechtlichen Kriterien, auf die die betreffenden restriktiven Maßnahmen gestützt werden, erfüllt sind, doch müssen die Unionsgerichte eine grundsätzlich umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit sämtlicher Handlungen der Union gewährleisten (vgl. Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 121 und die dort angeführte Rechtsprechung).
49 Die durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) gewährleistete Effektivität der gerichtlichen Kontrolle erfordert u. a., dass sich die Unionsgerichte vergewissern, ob die Entscheidung, mit der restriktive Maßnahmen erlassen oder aufrechterhalten werden und die eine individuelle Betroffenheit der betroffenen Person oder Organisation begründet, auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht. Dies setzt eine Überprüfung der tatsächlichen Umstände voraus, die in der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Begründung angeführt werden, so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angeführten Gründe beschränkt, sondern auf die Frage erstreckt, ob diese Gründe – oder zumindest einer von ihnen, der für sich genommen als ausreichend angesehen wird, um diese Entscheidung zu stützen – erwiesen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18.Juli 2013, Kommission u.a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 119, und vom 26. Oktober 2022, Ovsyannikov/Rat, T‑714/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:674, Rn. 62).
50 Bei dieser Beurteilung sind die Beweise und Informationen nicht isoliert, sondern in dem Zusammenhang zu prüfen, in dem sie stehen. Der Rat erfüllt die ihm obliegende Beweislast, wenn er vor dem Unionsgericht auf ein Bündel von Indizien hinweist, die hinreichend konkret, genau und übereinstimmend sind und die Feststellung ermöglichen, dass eine hinreichende Verbindung zwischen der Person oder der Organisation, die einer Maßnahme des Einfrierens ihrer Gelder unterworfen ist, und dem bekämpften Regime oder ganz allgemein den bekämpften Situationen besteht (vgl. Urteil vom 20. Juli 2017, Badica und Kardiam/Rat, T‑619/15, EU:T:2017:532, Rn. 99 und die dort angeführte Rechtsprechung, Urteil vom 26. Oktober 2022, Ovsyannikov/Rat, T‑714/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:674, Rn. 63 und 66).
51 Im Streitfall ist es Sache der zuständigen Unionsbehörde, die Stichhaltigkeit der gegen die betroffene Person oder Organisation vorliegenden Gründe nachzuweisen, und nicht Sache der betroffenen Person oder Organisation, den Nachweis zu erbringen, dass diese Gründe nicht stichhaltig sind. Hierzu braucht der Rat dem Unionsgericht nicht sämtliche Informationen und Beweise vorzulegen, die mit den Gründen zusammenhängen, die in dem Rechtsakt, dessen Nichtigerklärung beantragt wird, angegeben werden. Die vorgelegten Informationen oder Beweise müssen die Gründe stützen, die gegen die betroffene Person oder Organisation vorliegen (Urteile vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 121 und 122, und vom 28. November 2013, Rat/Fulmen und Mahmoudian, C‑280/12 P, EU:C:2013:775, Rn. 66 und 67; vgl. auch Urteil vom 1. Juni 2022, Prigozhin/Rat, T‑723/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:317, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
52 In diesem Fall ist es Sache des Unionsgerichts, die inhaltliche Richtigkeit der vorgetragenen Tatsachen anhand dieser Informationen oder Beweise zu prüfen und deren Beweiskraft anhand der Umstände des Einzelfalls und im Licht etwaiger dazu abgegebener Stellungnahmen, insbesondere der betroffenen Person oder Organisation, zu würdigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 124).
53 Was insbesondere die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Rechtsakte betrifft, mit denen der Name der betroffenen Person auf den streitigen Listen belassen wurde, ist daran zu erinnern, dass restriktive Maßnahmen Sicherungscharakter haben und definitionsgemäß vorläufiger Natur sind, so dass ihre Gültigkeit immer von der Fortdauer der tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die ihrem Erlass zugrunde gelegen haben, sowie von der Notwendigkeit abhängig ist, sie zur Erreichung des mit ihnen verbundenen Ziels aufrechtzuerhalten. Insoweit obliegt es dem Rat bei der regelmäßigen Überprüfung dieser Maßnahmen, eine aktualisierte Bewertung der Lage vorzunehmen und eine Bilanz der Auswirkungen dieser Maßnahmen zu ziehen, um festzustellen, ob sie es ermöglicht haben, die mit der ursprünglichen Aufnahme der Namen der betreffenden Personen und Einrichtungen in die streitigen Listen verfolgten Ziele zu erreichen, oder ob im Hinblick auf diese Personen und Organisationen nach wie vor dieselbe Schlussfolgerung gezogen werden kann (vgl. Urteil vom 27. April 2022, Ilunga Luyoyo/Rat, T‑108/21, EU:T:2022:253, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Urteil vom 26. Oktober 2022, Ovsyannikov/Rat, T‑714/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:674, Rn. 67).
54 Daraus folgt, dass es dem Rat nicht verwehrt ist, sich zur Rechtfertigung der Belassung des Namens einer Person auf einer Liste der restriktiven Maßnahmen unterliegenden Personen und Organisationen auf die gleichen Beweise zu stützen, die die ursprüngliche Aufnahme, die erneute Aufnahme oder die frühere Belassung des Namens dieser Person auf dieser Liste gerechtfertigt haben, sofern zum einen die Gründe für die Aufnahme unverändert bleiben und sich zum anderen der Kontext nicht in einer Weise weiterentwickelt hat, dass diese Beweise obsolet geworden wären (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. September 2020, Kaddour/Rat, T‑510/18, EU:T:2020:436, Rn. 99). Insoweit zu berücksichtigen sind bei der Weiterentwicklung des Kontexts einerseits die Situation des Landes, gegenüber dem das System restriktiver Maßnahmen errichtet wurde, sowie die besondere Situation der betroffenen Person (Urteil vom 26. Oktober 2022, Ovsyannikov/Rat, T‑714/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:674, Rn. 78; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 23. September 2020, Kaddour/Rat, T‑510/18, EU:T:2020:436, Rn. 101) und andererseits alle relevanten Umstände und insbesondere die Erreichung der mit den restriktiven Maßnahmen angestrebten Ziele (Urteil vom 27. April 2022, Ilunga Luyoyo/Rat, T‑108/21, EU:T:2022:253, Rn. 56; vgl. in diesem Sinne und entsprechend auch Urteil vom 12. Februar 2020, Amisi Kumba/Rat, T‑163/18, EU:T:2020:57, Rn. 82 bis 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).
55 Als Zweites ist festzustellen, dass der Name der Klägerin auf der Grundlage des in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f des geänderten Beschlusses 2014/145 vorgesehenen Kriteriums in die streitigen Listen aufgenommen wurde, das u. a. juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen erfasst, die die Regierung der Russischen Föderation materiell oder finanziell unterstützen (im Folgenden: Kriterium der materiellen oder finanziellen Unterstützung der Regierung).
56 Die mit den restriktiven Maßnahmen verfolgte Zielsetzung besteht darin, größtmöglichen Druck auf die russischen Behörden auszuüben, damit sie ihre Aktionen und ihre Politik zur Destabilisierung der Ukraine sowie den militärischen Angriff auf dieses Land beenden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 163 und die dort angeführte Rechtsprechung), insbesondere durch die Erhöhung der Kosten für die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergrabenden Handlungen der Russischen Föderation (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2018, Rosneft u. a./Rat, T‑715/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:544, Rn. 157).
57 Hinzuweisen ist darauf, dass das Kriterium der materiellen oder finanziellen Unterstützung der Regierung nicht erfordert, dass die betreffenden Personen oder Organisationen eine Unterstützung leisten, die direkt oder indirekt mit der Annexion der Krim oder der Destabilisierung der Ukraine zusammenhängt. Unter materieller oder finanzieller Unterstützung im Sinne dieses Kriteriums ist nämlich jede Unterstützung zu verstehen, die dieser Regierung aufgrund ihrer quantitativen oder qualitativen Bedeutung Ressourcen oder Fazilitäten materieller oder finanzieller Art zur Verfügung stellen kann, die es ihr ermöglichen, ihre Handlungen zur Destabilisierung der Ukraine fortzusetzen (vgl. entsprechend Urteil vom 7. April 2016, Central Bank of Iran/Rat, C‑266/15 P, EU:C:2016:208, Rn. 44).
58 Im Licht dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob der Rat einen Beurteilungsfehler begangen hat, indem er entschied, den Namen der Klägerin auf der Grundlage des Kriteriums der materiellen oder finanziellen Unterstützung der Regierung in die streitigen Listen aufzunehmen und sodann darauf zu belassen.
b) Zum Inhalt der Beweisakten des Rates
59 Im vorliegenden Fall hat der Rat drei Beweisakten vorgelegt, um die Aufnahme und die Belassung des Namens der Klägerin auf den streitigen Listen zu rechtfertigen.
60 Zur Rechtfertigung der ursprünglichen Aufnahme der Klägerin in die streitigen Listen hat der Rat die erste Beweisakte mit öffentlich zugänglichen Informationen vorgelegt, nämlich Links zu Websites, Screenshots und Nachrichtenartikeln. Es handelt sich u. a. um Folgendes:
– einen Screenshot einer Präsentationsseite der Klägerin auf ihrer Website, abgerufen am 29. April 2022 (Beweisstück Nr. 1);
– einen Screenshot einer anderen Präsentationsseite der Klägerin auf ihrer Website, abgerufen am 12. Mai 2022 (Beweisstück Nr. 2);
– einen Auszug aus einer im Juli 2016 veröffentlichten technischen Notiz mit dem Titel „Programm zur Bewertung des Finanzsektors der Russischen Föderation, Finanzinfrastruktur“, verfügbar auf der Website „worldbank.org“, abgerufen am 12. Mai 2022 (Beweisstück Nr. 7);
– einen Auszug aus einem am 2. September 2021 auf der Website der Association of Eurasian central securites depositories (Vereinigung der eurasischen Zentralverwahrer) veröffentlichten Bericht über die finanzielle Leistung der Klägerin im zweiten Quartal 2021, abgerufen am 12. Mai 2022 (Beweisstück Nr. 8);
– eine am 31. März 2022 auf der Nachrichten-Website „reuters.com“ veröffentlichte Meldung mit dem Titel „Russland hat Coupons für sieben OFZ-Anleihen gezahlt – Finanzministerium“, abgerufen am 2. Mai 2022 (Beweisstück Nr. 11).
61 Zur Rechtfertigung der Belassung der Klägerin auf den streitigen Listen im Rahmen der Fortsetzungsrechtsakte von März 2023 hat sich der Rat auch auf die Beweise gestützt, die in der zweiten Beweisakte vorgelegt werden, die öffentlich zugängliche Informationen enthält, nämlich Links zu Websites, Screenshots und Nachrichtenartikeln. Es handelt sich u. a. um Folgendes:
– einen Auszug aus dem am 4. März 2022 veröffentlichten Jahresbericht der Moskauer Börse (im Folgenden: MOEX) für das Jahr 2021, verfügbar auf der Website dieses Unternehmens, abgerufen am 22. November 2022 (Beweisstück Nr. 2);
– eine am 15. November 2022 auf der Website der Klägerin veröffentlichte Pressemitteilung zu ihrem Finanzrating, abgerufen am 22. November 2022 (Beweisstück Nr. 3);
– eine am 5. Oktober 2022 auf der Nachrichten-Website „interfax.ru“ veröffentlichte Meldung mit dem Titel „Das Finanzministerium hat 4,9 Mrd. Rubel an die NSD übertragen, um den Coupon für die Eurobonds Russia 2042 zu zahlen“, abgerufen am 25. November 2022 (Beweisstück Nr. 5);
– eine am 16. September 2022 auf der Nachrichten-Website „ria.ru“ veröffentlichte Meldung mit dem Titel „Das Finanzministerium hat Coupons für zwei Eurobond-Emissionen in Rubel gezahlt“, abgerufen am 17. November 2022 (Beweisstück Nr. 8);
– einen am 29. September 2022 auf der Nachrichtenseite „ria.ru“ veröffentlichten Artikel mit dem Titel „Das Finanzministerium hat den Coupon für im Jahr 2035 fällige Eurobonds in Rubel gezahlt“, abgerufen am 17. November 2022 (Beweisstück Nr. 9);
– einen Screenshot einer Veröffentlichung auf der offiziellen Website des russischen Finanzministers zur erfolgreichen Zahlung von Coupons für Eurobonds, abgerufen am 25. November 2022 (Beweisstück Nr. 10).
62 Da im vorliegenden Fall die Gründe für die Aufnahme und die Belassung der Klägerin auf den streitigen Listen unverändert geblieben sind, ist es nicht erforderlich, zwischen den ursprünglichen Rechtsakten einerseits und den Fortsetzungsrechtsakten von März 2023 und September 2023 andererseits zu unterscheiden, weil sich die Überprüfung der Informationen, die in der Begründung und in den in den Beweisakten enthaltenen Beweisen angegeben sind, im Wesentlichen auf die gleichen tatsächlichen Umstände bezieht.
c) Zu den Beweisen , die den Schriftsätzen des Rates beigefügt sind
63 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin vorgetragen, dass die Beweise, die der Rat der Klagebeantwortung und der Gegenerwiderung beigefügt habe, nicht zuzulassen seien.
64 Als Erstes macht die Klägerin in Bezug auf die der Gegenerwiderung beigefügten Beweise geltend, dass diese unter Verstoß gegen Art. 85 Abs. 1 der Verfahrensordnung verspätet vorgelegt worden seien.
65 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 85 Abs. 1 der Verfahrensordnung bestimmt, dass Beweise und Beweisangebote im Rahmen des ersten Schriftsatzwechsels vorzulegen sind. Nach Abs. 2 dieses Artikels können die Hauptparteien für ihr Vorbringen noch in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung Beweise oder Beweisangebote vorlegen, sofern die Verspätung der Vorlage gerechtfertigt ist.
66 Außerdem ist Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung im Zusammenhang mit Art. 92 Abs. 7 der Verfahrensordnung zu sehen, der ausdrücklich vorsieht, dass Gegenbeweis und Erweiterung der Beweisangebote vorbehalten bleiben. Folglich sind nach ständiger Rechtsprechung der Gegenbeweis und die Erweiterung der Beweisangebote im Anschluss an einen Gegenbeweis der Gegenpartei von der Präklusionsvorschrift von Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung nicht erfasst (Urteile vom 18. September 2017, Uganda Commercial Impex/Rat, T‑107/15 und T‑347/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:628, Rn. 72, und vom 13. September 2023, ITD und Danske Fragtmænd/Kommission, T‑525/20, EU:T:2023:542, Rn. 78).
67 Im vorliegenden Fall geht aus der Gegenerwiderung hervor, dass die Anlagen D.1 bis D.6 dieses Schriftsatzes Beweise für die Bedeutung der Zentralverwahrer (im Folgenden: CSDs) und der Klägerin für das ordnungsgemäße Funktionieren des Finanzsystems darstellen. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Rat diese Beweise vorgelegt hat, um auf das Vorbringen der Klägerin in der Erwiderung zu antworten, mit dem die Zuverlässigkeit der in der Klagebeantwortung enthaltenen Angaben in Frage gestellt werden soll.
68 Die Anlage D.7 der Gegenerwiderung betrifft systemrelevante Zahlungssysteme und ist vom Rat als Antwort auf das Vorbringen der Klägerin in ihrer Erwiderung vorgelegt worden, mit dem die Klägerin bestreitet, dass sie die russische Regierung als Betreiber eines systemrelevanten Zahlungssystems begünstigt habe.
69 Mit den Anlagen D.8 und D.9 zur Gegenerwiderung, die sich auf die Russische Zentralbank beziehen, wird auf das Vorbringen in der Erwiderung eingegangen, dass diese Institution von den russischen föderalen Behörden unabhängig sei. Anlage D.10 der Gegenerwiderung, die die Sberbank betrifft, ist vorgelegt worden, um dem Vorbringen in der Erwiderung entgegenzutreten, in der auf die Unabhängigkeit dieses Finanzinstituts von der Regierung der Russischen Föderation hingewiesen wird. Mit den Anlagen D.11 und D.12 zur Gegenerwiderung, die die VEB.RF zum Gegenstand haben, wird auf das Vorbringen in der Gegenerwiderung geantwortet, wonach dieses Finanzinstitut sein Vermögen unabhängig verwalte.
70 Somit ist davon auszugehen, dass die Anlagen zur Gegenerwiderung darauf abzielen, das Vorbringen oder die Beweise, die die Klägerin in der Erwiderung vorgelegt hat, zu widerlegen, und somit einen Gegenbeweis im Sinne von Art. 92 Abs. 7 der Verfahrensordnung darstellen.
71 Die Anlagen zur Gegenerwiderung sind daher zulässig.
72 Als Zweites macht die Klägerin geltend, das Gericht könne die der Klagebeantwortung und der Gegenerwiderung beigefügten Beweise nicht berücksichtigen, da sie nicht in der ersten Beweisakte enthalten gewesen seien.
73 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts anhand des Sachverhalts und der Rechtslage zu beurteilen, die zur Zeit des Erlasses des Aktes bestanden (Urteile vom 3. September 2015, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission, C‑398/13 P, EU:C:2015:535, Rn. 22, und vom 8. März 2023, Prigozhina/Rat, T‑212/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:104, Rn. 80).
74 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die dem Gericht obliegende Kontrolle der materiellen Rechtmäßigkeit, insbesondere im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten über restriktive Maßnahmen, nicht nur auf der Grundlage der in den Begründungen der streitigen Rechtsakte enthaltenen Angaben, sondern auch auf der Grundlage der Angaben zu erfolgen hat, die der Rat dem Gericht im Bestreitensfall vorlegt, um die Stichhaltigkeit der in diesen Begründungen behaupteten Tatsachen nachzuweisen (Urteil vom 22. April 2021, Rat/PKK, C‑46/19 P, EU:C:2021:316, Rn. 64).
75 Wie die Klägerin feststellt, hatte das Gericht in der Rechtssache, in der das Urteil vom 1. Juni 2022, Prigozhin/Rat (T‑723/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:317), ergangen ist, zwar entschieden, dass der Rat zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Rechtsakte über Angaben verfügen muss, um die Stichhaltigkeit der in der Begründung behaupteten Tatsachen nachzuweisen (Rn. 52 dieses Urteils). Damit wollte das Gericht jedoch nicht jede Möglichkeit ausschließen, bei seiner Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Rechtsakte zusätzliche Beweise zu berücksichtigen, die nicht in der Beweisakte enthalten waren und vorgelegt werden, um die Stichhaltigkeit der in den Gründen für die Aufnahme behaupteten Tatsachen zu bestätigen, sofern diese Beweise zum einen Angaben untermauern, die dem Rat zur Verfügung standen, und sich zum anderen auf Umstände beziehen, die vor dem Erlass der in Rede stehenden angefochtenen Rechtsakte lagen.
76 Im vorliegenden Fall ist in Bezug auf die Anlagen B.1 bis B.6 zur Klagebeantwortung, d. h. die biografischen Angaben zu bestimmten Mitgliedern des Verwaltungsrats der MOEX, festzustellen, dass sich mehrere Angaben auf Persönlichkeiten beziehen, die zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Rechtsakte nicht Mitglieder des amtierenden Verwaltungsrats waren. Folglich können die in den Anlagen B.1 bis B.6 zur Klagebeantwortung vorgelegten Beweise nicht berücksichtigt werden, um die Stichhaltigkeit der ursprünglichen Rechtsakte zu überprüfen.
77 Was die Anlagen zur Gegenerwiderung betrifft, so sind diese, wie sich oben aus den Rn. 67 bis 69 ergibt, vom Rat nicht vorgelegt worden, um die Stichhaltigkeit der in den Gründen für die Aufnahme behaupteten Tatsachen zu untermauern, sondern um auf das Vorbringen der Klägerin in ihrer Erwiderung einzugehen. Da es sich nicht um Beweise handelt, die vorgelegt worden sind, um die Stichhaltigkeit der in den Gründen für die Aufnahme dargelegten Tatsachen zu untermauern, sind die oben in den Rn. 73 bis 75 angeführten Grundsätze nicht anwendbar. Somit können im vorliegenden Fall die im Stadium der Gegenerwiderung vorgelegten Beweise vom Gericht berücksichtigt werden, um die Stichhaltigkeit der Ausführungen der Klägerin zu prüfen.
d) Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes: Die Klägerin ermögliche der Regierung nicht , deren Ressourcen zu mobilisieren
78 Die Klägerin trägt vor, die Behauptung, sie sei die einzige Wertpapierverwahrstelle in Russland mit Zugang zum internationalen Finanzsystem, sei falsch, da andere Verwahrstellen in Russland Wertpapierkonten bei internationalen CSDs unterhielten.
79 Die Klägerin führt aus, dass sie als CSD im Sinne des russischen Rechts Teil der internationalen Kette des Wertpapierhandels sei und an der Verwertung, Verwahrung, Abwicklung und Zahlung in Bezug auf verschiedene Wertpapiere beteiligt sei. Der Großteil ihrer Tätigkeiten als CSD richte sich an private Marktteilnehmer und nicht an die russische Regierung. In Bezug auf die vom russischen Finanzministerium ausgegebenen Anleihen argumentierte sie, dass sie nur eines von zahlreichen Finanzinstituten sei, die sich an den Anleiheemissionen beteiligten. Außerdem handele sie als CSD ausschließlich für Rechnung und im Auftrag von Kunden und übertrage keine eigenen Vermögenswerte auf ihre Konten bei ausländischen CSDs; diese Konten halte sie nur treuhänderisch für Rechnung ihrer Kunden. Als CSD seien ihre Beziehungen zu Organisationen, die mit der russischen Regierung verbunden seien, Geschäftsbeziehungen unter Marktbedingungen, die sich nicht von ihren Beziehungen zu ihren übrigen Kunden des öffentlichen und des privaten Sektors unterschieden. Sie bestreitet daher, dass ihre Beziehungen zu den mit der russischen Regierung verbundenen Organisationen als materielle oder finanzielle Unterstützung dieser Regierung angesehen werden können. Darüber hinaus macht die Klägerin in ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz der Kommission geltend, dass das russische Finanzministerium Anleihen ausgeben könne, ohne ihre Dienste in Anspruch zu nehmen.
80 Darüber hinaus stellt die Klägerin die Bedeutung des von ihr betriebenen Zahlungssystems in Abrede und ist jedenfalls der Ansicht, dass der Rat nicht nachgewiesen habe, dass der Betrieb eines Zahlungssystems von nationaler und systemischer Bedeutung impliziere, dass der russischen Regierung ermöglicht werde, ihre Tätigkeiten und politischen Maßnahmen durchzuführen sowie ihre Ressourcen zu mobilisieren. Die Klägerin trägt in diesem Zusammenhang vor, dass ihre Beziehungen zu den mit der russischen Regierung verbundenen Organisationen in ihrer Eigenschaft als Betreiberin eines Zahlungssystems unter Marktbedingungen stattfänden, so dass die Erbringung von Dienstleistungen in dieser Eigenschaft nicht mit einer materiellen oder finanziellen Unterstützung dieser Regierung gleichzusetzen sei. Darüber hinaus weist die Klägerin darauf hin, dass das Ziel, das Funktionieren der russischen Wirtschaft zu beeinträchtigen, nicht erreicht worden sei, da es viele andere bedeutende Zahlungssysteme gebe, die die gleichen Funktionen erfüllen könnten.
81 Der Rat, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.
82 Als Erstes ist zu prüfen, ob der Rat einen Beurteilungsfehler begangen hat, indem er davon ausging, dass die Klägerin ein systemrelevantes Finanzinstitut sei, das eine wesentliche Rolle für das Funktionieren des russischen Finanzsystems spiele.
83 In diesem Zusammenhang ergibt sich aus Beweisstück Nr. 1 der ersten Beweisakte, dass die Klägerin als „ein wesentlicher Bestandteil der russischen Finanzinfrastruktur“ angesehen wird. Aus Beweisstück Nr. 2 dieser Beweisakte geht hervor, dass die Zentralbank der Russischen Föderation die Klägerin als „eine systemrelevante Finanzmarktinfrastruktur“ betrachtet, als „systemrelevanten Zentralverwahrer für Wertpapiere, Abrechnungsverwahrstelle, Transaktionsregister und Register für Finanzgeschäfte“. Darüber hinaus wird in Beweisstück Nr. 2 der ersten Beweisakte ausgeführt, dass das von der Klägerin betriebene Zahlungssystem von systemischer und nationaler Bedeutung sei. In diesem Beweisstück wird auch auf die Verbindung der Klägerin zum internationalen Finanzsystem hingewiesen, indem sie als Inhaberin von Wertpapierkonten bei anderen CSDs und internationalen CSDs in acht Ländern, von Konten bei ausländischen Depotbanken sowie von Korrespondenzkonten bei großen ausländischen und russischen Banken dargestellt wird. Darüber hinaus habe sich der Wert der durch die von der Klägerin verwahrten Wertpapiere verbrieften Vermögensrechte laut Beweisstück Nr. 2 der ersten Beweisakte im Jahr 2020 auf 63,6 Bio. Rubel (d. h. etwa 636 Mrd. Euro) belaufen.
84 Auch im Beweisstück Nr. 7 der ersten Beweisakte wird auf die Verbindungen der Klägerin zum internationalen Finanzsystem hingewiesen, und das Beweisstück Nr. 8 dieser Akte bestätigt den Umfang der durch die von ihr verwahrten Wertpapiere verbrieften Vermögensrechte, die im zweiten Quartal 2020 einen Betrag von 69,5 Bio. Rubel (d. h. etwa 695 Mrd. Euro) erreicht hätten.
85 Somit ist festzustellen, dass der Rat ab dem Zeitpunkt, zu dem die ursprünglichen Rechtsakte erlassen wurden, über eine hinreichende tatsächliche Grundlage verfügte, um davon auszugehen, dass die Klägerin ein für das russische Finanzsystem wichtiges Finanzinstitut mit Verbindungen zum internationalen Finanzsystem war.
86 Darüber hinaus bestätigt das Beweisstück Nr. 3 der zweiten Beweisakte die Bedeutung der Klägerin für das russische Finanzsystem im Stadium des Erlasses der Fortsetzungsrechtsakte von März 2023 und September 2023, da sie als CSD von „entscheidender Bedeutung“ beschrieben wird, der eine „außergewöhnliche Rolle auf dem russischen Finanzdienstleistungsmarkt [zukommt], um das ordnungsgemäße Funktionieren der Marktinfrastruktur zu gewährleisten“.
87 Das Vorbringen der Klägerin ist nicht geeignet, diese Schlussfolgerung in Frage zu stellen.
88 Erstens stellt die Klägerin die Bedeutung der CSDs im Finanzsystem und ihre Verbindungen zu Regierungen in Abrede. Aus den Erläuterungen des Rates in seinen Schriftsätzen und der Kommission in der mündlichen Verhandlung geht jedoch hervor, dass die CSDs als systemrelevante Organisationen angesehen werden, die insbesondere für die wirksame Umsetzung der Geldpolitik, die Glaubwürdigkeit eines Programms zur Verwaltung der öffentlichen Schulden, die Verwaltung von Sicherheiten sowie die Sicherheit und Effizienz der Wertpapiermärkte von wesentlicher Bedeutung sind. Die Behauptungen der Klägerin werden nicht nur durch die Arbeitspapiere des Internationalen Währungsfonds (Anlage D.1 zur Gegenerwiderung), sondern auch durch die Angaben der Deutschen Bundesbank (Deutschland) (Anlage D.3 zur Gegenerwiderung) und der Banka Slovenije (Zentralbank Sloweniens) (Anlage D.4 zur Gegenerwiderung) widerlegt. Es ist festzustellen, dass die Klägerin nichts vorgetragen hat, was die Zuverlässigkeit dieser Angaben in Frage stellen könnte.
89 Was zweitens das Vorbringen betrifft, mit dem die Klägerin die Bedeutung des von ihr betriebenen Zahlungssystems bestreitet, ist festzustellen, dass sie keinen Beweis zur Untermauerung ihrer Behauptung erbracht hat, ihr Zahlungssystem sei im Wesentlichen nur deshalb als systemrelevant anerkannt worden, weil es Zahlungsvorgänge im Rahmen des organisierten Handels abwickele. Wie der Rat zutreffend ausführt, legt nämlich Art. 22 Abs. 1 des von der Klägerin vorgelegten russischen Föderalen Gesetzes Nr. 161-FZ vom 27. Juni 2011 über das nationale Zahlungssystem die Kriterien für die Einstufung eines Zahlungssystems als systemrelevant fest, enthält aber keine Angabe dazu, dass die Klägerin aufgrund des Kriteriums der Verarbeitung von im Rahmen des organisierten Handels getätigten Transaktionen als solches eingestuft wird. Außerdem wurde das Zahlungssystem der Klägerin entgegen ihrem Vorbringen nicht allein deshalb als von nationaler Bedeutung angesehen, weil sich die von ihr verwendeten IT‑Infrastrukturen in Russland befanden. Zwar ist nach Art. 22 Abs. 13 des genannten Gesetzes in Verbindung mit dem von der Klägerin zu den Akten gereichten Vermerk der Zentralbank der Russischen Föderation vom 25. Juli 2014 über die Anforderungen an die Informationstechnologie, die von den Betreibern von Zahlungsdiensten für die Zwecke der Anerkennung als Zahlungssystem von nationaler Bedeutung eingesetzt wird, eines der Kriterien für die Anerkennung als Einrichtung von nationaler Bedeutung, dass sich die IT‑Infrastruktur in Russland befindet. Diese Bestimmung verlangt jedoch auch die Erfüllung eines weiteren Kriteriums, nämlich den Nachweis, dass die Russische Föderation, die Zentralbank der Russischen Föderation oder Bürger der Russischen Föderation den Betreiber des Zahlungssystems und die Betreiber der Zahlungsinfrastrukturdienste direkt oder indirekt kontrollieren. Jedenfalls ist festzustellen, dass weder das russische föderale Gesetz Nr. 161-FZ vom 27. Juni 2011 über das nationale Zahlungssystem noch der vorgenannte Vermerk der Zentralbank der Russischen Föderation die Bedeutung des von der Klägerin betriebenen Zahlungssystems oder die Tatsache, dass es sich um ein systemrelevantes Finanzinstitut in Russland handelt, in Frage stellen können. Im Übrigen geht aus der Anlage C.6 zur Erwiderung hervor, dass das Zahlungssystem der Klägerin von der Zentralbank der Russischen Föderation insbesondere im Rahmen der Refinanzierung von Kreditinstituten oder von Offenmarktgeschäften verwendet wird, die die Bereitstellung oder Verwaltung von Liquidität auf dem Markt ermöglichen. Da das von der Klägerin betriebene Zahlungssystem u. a. für die Umsetzung der russischen Geldpolitik verwendet wird, kann sie daher nicht geltend machen, dass es ohne jede Bedeutung sei.
90 Zu dem Vorbringen der Klägerin, das Ziel, das Funktionieren der russischen Wirtschaft zu beeinträchtigen, sei nicht erreicht worden, insbesondere weil es 54 andere Zahlungssysteme gebe, die die gleichen Funktionen wie das von ihr betriebene Zahlungssystem erfüllen könnten, ist festzustellen, dass sie weder Beweise für die Existenz dieser anderen Zahlungssysteme vorlegt noch einen Anhaltspunkt liefert, der die Annahme zuließe, dass es sich um systemrelevante Zahlungssysteme handelt. Außerdem kann der behauptete Umstand, dass die restriktiven Maßnahmen ihr Ziel nicht erreicht hätten, nichts an der Feststellung ändern, dass die Klägerin ein systemrelevantes Zahlungssystem betreibt. Dieser Umstand steht nämlich in keinem Zusammenhang mit der systemrelevanten Bedeutung des Zahlungssystems.
91 Drittens bestreitet die Klägerin nicht, dass sie Verbindungen zum internationalen Finanzsystem hat, sondern behauptet, dass andere russische Wertpapierverwahrstellen ebenfalls Zugang zum internationalen Finanzsystem hätten. Insbesondere weist sie darauf hin, dass zwei weitere Finanzinstitute Wertpapierkonten direkt bei Euroclear unterhielten. Daher habe der Rat einen Beurteilungsfehler begangen, indem er in den Gründen für die Aufnahme in die Listen festgestellt habe, dass sie die einzige russische Verwahrstelle mit Zugang zum internationalen Finanzsystem sei. Hierzu ist festzustellen, dass die Aufnahme der Klägerin in die streitigen Listen aufgrund ihrer Rolle für das Funktionieren des russischen Finanzsystems, insbesondere als zentrale Wertpapierverwahrstelle, und durch ihre Verbindungen zum internationalen Finanzsystem gerechtfertigt ist. Selbst wenn der Rat mit der Feststellung, die Klägerin sei die einzige Wertpapierverwahrstelle in Russland mit Verbindungen zum internationalen Finanzsystem, einen Fehler begangen haben sollte, könnte ein solcher Fehler für sich genommen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Rechtsakte nicht beeinträchtigen. Der Umstand, dass es andere Wertpapierverwahrstellen mit Zugang zum internationalen Finanzsystem geben könnte, widerlegt nämlich nicht die Feststellung, dass die Klägerin die einzige zentrale Verwahrstelle in Russland war und eine wesentliche Rolle für das Funktionieren des russischen Finanzsystems spielte.
92 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass der Rat einen Beurteilungsfehler begangen hat, indem er feststellte, dass sie ein systemrelevantes Finanzinstitut sei, das eine wesentliche Rolle für das Funktionieren des russischen Finanzsystems spiele.
93 Als Zweites ist zu prüfen, ob der Rat angesichts der wichtigen Rolle der Klägerin im russischen Finanzsystem zu Unrecht festgestellt hat, dass die Klägerin direkt oder indirekt die Tätigkeiten, politischen Maßnahmen und Mobilisierung der Ressourcen der russischen Regierung unterstütze.
94 Erstens geht aus Beweisstück Nr. 2 der ersten Beweisakte hervor, dass die vom russischen Finanzministerium ausgegebenen Anleihen im Jahr 2020 einen Anteil von 22 % der gesamten von der Klägerin gehaltenen Vermögenswerte ausmachten, was einem Betrag von etwa 12,72 Bio. Rubel (d. h. etwa 127,2 Mrd. Euro) entsprach. Laut Beweisstück Nr. 8 dieser Beweisakte war der Wert des Saldos der von der Klägerin verwahrten Staatsanleihen im zweiten Quartal 2021 auf 15,2 Bio. Rubel (d. h. etwa 152 Mrd. Euro) gestiegen. Darüber hinaus verwaltet die Bank die Staatsanleihen, da sie, wie aus Beweisstück Nr. 11 der ersten Beweisakte hervorgeht, Zahlungen vom russischen Finanzministerium erhält, um die Zinszahlungen an die Gläubiger der Staatsanleihen sicherzustellen.
95 In Bezug auf die ursprünglichen Rechtsakte verfügte der Rat mit der ersten Beweisakte somit über eine hinreichende tatsächliche Grundlage, um festzustellen, dass die Klägerin durch die Dienstleistungen, die sie als CSD für die russische Regierung bei der Emission, Verwahrung und Verwaltung der Staatsanleihen erbrachte, die Tätigkeiten, politischen Maßnahmen und Ressourcen dieser Regierung unterstützte.
96 Diese Schlussfolgerung wurde im Stadium des Erlasses der Fortsetzungsrechtsakte von März 2023 und September 2023 bestätigt. Aus Beweisstück Nr. 2 der zweiten Beweisakte geht nämlich hervor, dass sich der Wert des Saldos der von der Klägerin verwahrten Staatsanleihen Ende 2021 auf 15,5 Bio. Rubel (d. h. etwa 155 Mrd. Euro) belief. Darüber hinaus enthält die zweite Beweisakte Beweisstücke, aus denen sich ergibt, dass das russische Finanzministerium Beträge in Höhe von mehreren Milliarden Rubel auf die Klägerin übertragen hat, um Coupons für bestimmte Anleihen zu zahlen, insbesondere für die „Russland-2042“-Eurobonds (Beweisstück Nr. 5) sowie für Eurobonds, die 2023 und 2043 (Beweisstück Nr. 8), 2035 (Beweisstück Nr. 9) sowie 2027 und 2032 (Beweisstück Nr. 10) fällig werden.
97 Das Vorbringen der Klägerin kann diese Schlussfolgerung nicht in Frage stellen.
98 Zunächst stellt der Umstand, dass die Klägerin die vom russischen Finanzministerium ausgegebenen Anleihen nicht auf eigene Rechnung erwirbt, sondern nur im Namen und im Auftrag von Kunden handelt, entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht die Feststellung in Frage, dass sie durch die Finanzdienstleistungen, die sie als CSD der Regierung der Russischen Föderation im Zusammenhang mit deren Anleiheemissionen anbietet – wie der Rat und die Kommission zu Recht geltend machen –, zur Glaubwürdigkeit des Programms zur Verwaltung der öffentlichen Schulden beiträgt. Durch ihre Rolle als Finanzmittler bei der Verwahrung und Verwaltung der Staatsanleihen ermöglicht die Klägerin somit der russischen Regierung, Ressourcen zu mobilisieren. Ebenso ist zu beachten, dass die Klägerin nach Beweisstück Nr. 2 der ersten Beweisakte und Beweisstück Nr. 2 der zweiten Beweisakte einen quantitativ bedeutenden Betrag an Staatsanleihen verwahrt und verwaltet, deren Integrität sie gewährleistet und für die sie die Auszahlung der Coupons an die Gläubiger für Rechnung der russischen Regierung sicherstellt.
99 Sodann trifft es zwar zu, dass die Klägerin bei den Anleiheemissionen des russischen Finanzministeriums neben anderen Finanzinstituten und internationalen Anwaltskanzleien an diesen Emissionen beteiligt ist, doch muss die entscheidende Rolle der von der Klägerin erbrachten Dienstleistungen bei der Verwaltung der öffentlichen Schulden der Russischen Föderation berücksichtigt werden. Wie oben in Rn. 98 festgestellt, tragen nämlich die Überwachung und die Verwahrung der Staatsanleihen sowie die Involvierung der Klägerin in die Zahlung von Zinsen an die Gläubiger zur Glaubwürdigkeit des Programms zur Verwaltung der öffentlichen Schulden bei, was sie von den anderen an den Emissionen von Staatsanleihen beteiligten Finanzinstituten unterscheidet. Insoweit ist festzustellen, dass das Vorbringen, das russische Finanzministerium könne Anleihen ausgeben, indem es die Dienste anderer russischer Wertpapierverwahrstellen oder ausländischer Wertpapierverwahrstellen in Anspruch nehme, durch keinen Beweis untermauert wird. Jedenfalls kann dieses Vorbringen keinen Erfolg haben. Selbst wenn man annimmt, dass die russische Regierung auf andere Marktteilnehmer zurückgreifen könnte, stellt diese Tatsache allein nicht die Bedeutung der Klägerin im Zusammenhang mit der Emission und der Verwaltung der Staatsanleihen in Frage, da sie Ende 2021 Staatsanleihen im Wert von mehreren Billionen Rubel, nämlich 15,5 Bio. Rubel (etwa 155 Mrd. Euro), in ihren Registern hielt. Darüber hinaus geht aus Beweisstück Nr. 2 der ersten Beweisakte hervor, dass die russische Regierung im Jahr 2020 die Dienste der Klägerin für die Emission von Staatsanleihen in Höhe von 4,7 Bio. Rubel (d. h. etwa 47 Mrd. Euro) in Anspruch genommen hat. Laut Beweisstück Nr. 2 der zweiten Beweisakte ist der Gesamtbetrag der von der Klägerin verwahrten Staatsanleihen zwischen 2020 und 2021 um 13,3 % gestiegen. Diese Gesichtspunkte bestätigen die Bedeutung der Dienstleistungen, die die Klägerin der russischen Regierung im Rahmen von deren Programm zur Ausgabe von Staatsanleihen angeboten hat. Darüber hinaus kann der Umstand, dass die Klägerin als CSD auch Dienstleistungen für private Unternehmen erbracht hat, nicht die Tatsache in Frage stellen, dass die Dienstleistungen, die der russischen Regierung im Rahmen der Verwaltung der öffentlichen Schulden erbracht wurden, dieser Regierung ermöglichten, ihre Ressourcen zu mobilisieren.
100 Was schließlich das Vorbringen anbelangt, die Beziehungen der Klägerin zu den mit der russischen Regierung verbundenen Organisationen seien Geschäftsbeziehungen unter Marktbedingungen, die mit den Geschäftsbeziehungen zu ihren Privatkunden vergleichbar seien, ist festzustellen, dass dieser Umstand für sich genommen die Bedeutung der von der Klägerin im Rahmen der Emission, Verwahrung und Verwaltung der Staatsanleihen angebotenen Dienstleistungen nicht in Frage stellen kann, da er in keinem Zusammenhang mit der Bedeutung dieser Dienstleistungen steht. Außerdem hat die Klägerin die Anleger laut Beweisstück Nr. 11 der ersten Beweisakte im März 2022 darüber informiert, dass ausländische Inhaber von Staatsanleihen gemäß einer Anordnung der russischen Zentralbank keine Couponzahlungen auf diese Anleihen mehr erhalten dürften. Da die Klägerin der Anordnung der Zentralbank Folge leisten musste, konnte der Rat zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Rechtsakte zu Recht davon ausgehen, dass sie nicht mehr in Übereinstimmung mit den üblichen geschäftlichen Standards tätig wurde. Es ist festzustellen, dass die Klägerin diese Tatsache nicht bestreitet, da sie in ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz der Kommission bestätigt hat, dass die Zentralbank der Russischen Föderation am 28. Februar 2022 eine verbindliche Anordnung an die Wertpapierverwahrstellen gerichtet hatte, wonach diese die Transaktionen zur Belastung von Wertpapieren russischer Emittenten auf Wertpapierkonten ausländischer treuhänderischer Inhaber oder ausländischer Inhaber vorübergehend auszusetzen hatten. Daraus folgt, dass die Klägerin ab dem Zeitpunkt, zu dem sie die Anordnung der Zentralbank der Russischen Föderation vom 28. Februar 2022 umsetzte, sich nicht mehr darauf berufen konnte, dass ihre Beziehungen zu den mit der russischen Regierung verbundenen Organisationen Beziehungen unter Marktbedingungen seien, die mit den Geschäftsbeziehungen zu ihren Privatkunden vergleichbar seien.
101 Zweitens ist festzustellen, dass das russische Föderale Schatzamt im Jahr 2021 laut Beweisstück Nr. 8 der ersten Beweisakte das Sicherheitenmanagementsystem der Klägerin für die Anlage liquider Mittel für Pensionsgeschäfte in Höhe von bis zu 40,8 Bio. Rubel (d. h. etwa 408 Mrd. Euro) verwendet hat. Diese Tatsache wird im Zusammenhang mit dem Erlass des Fortsetzungsrechtsakts von März 2023 durch Beweisstück Nr. 2 der zweiten Beweisakte bestätigt. In Beantwortung einer prozessleitenden Maßnahme hat die Klägerin bestätigt, dass das russische Föderale Schatzamt ihr Sicherheitenmanagementsystem verwende. In ihrer Antwort äußerte sie den Vorbehalt, dass die vom Rat vorgelegten Beweisstücke nicht zuverlässig seien. Es genügt jedoch der Hinweis, dass es sich bei dem Beweisstück Nr. 2 der zweiten Beweisakte um einen Bericht der MOEX handelt, d. h. der Gesellschaft, die mehr als 99 % der Anteile der Klägerin hält, so dass die Klägerin nicht geltend machen kann, dass die Angaben in diesem Bericht nicht zuverlässig seien. Was darüber hinaus die Behauptung anbelangt, dass das russische Föderale Schatzamt das Sicherheitenmanagementsystem der Klägerin unter Marktbedingungen nutze, die mit denen vergleichbar seien, die auf Privatkunden angewandt würden, kann sich die Klägerin aus den gleichen wie den oben in Rn. 100 dargelegten Gründen nicht auf eine solche Tatsache berufen, um die Bedeutung der Dienstleistungen, die sie für die russische Regierung erbracht hat, in Abrede zu stellen. In Anbetracht der Höhe der liquiden Mittel, die das russische Finanzministerium unter Inanspruchnahme des Sicherheitenmanagementsystems der Klägerin anlegte, ging der Rat daher ohne Beurteilungsfehler davon aus, dass das Sicherheitenmanagementsystem der Klägerin der russischen Regierung die Mobilisierung von Ressourcen ermöglichte.
102 Drittens geht auch aus Beweisstück Nr. 8 der ersten Beweisakte und aus Beweisstück Nr. 2 der zweiten Beweisakte hervor, dass die Zentralbank der Russischen Föderation das Sicherheitenmanagementsystem der Klägerin im Jahr 2021 für Transaktionen in Höhe von 2,3 Bio. Rubel (d. h. etwa 23 Mrd. Euro) verwendet hat. Darüber hinaus werden in Beweisstück Nr. 8 der ersten Beweisakte die umgekehrten Pensionsgeschäfte der Zentralbank der Russischen Föderation, die die Inanspruchnahme von Finanzdienstleistungen der Klägerin erfordern, als Geschäfte zur Unterstützung der nationalen Wirtschaft beschrieben.
103 Im Übrigen nutzt die Zentralbank der Russischen Föderation, wie oben in Rn. 89 dargelegt, das Zahlungssystem der Klägerin auch für die Durchführung von geldpolitischen Operationen.
104 Wie die Kommission in ihrer Antwort auf eine Frage des Gerichts festgestellt hat, ist das Liquiditätsmanagement eine wichtige Komponente der Geldpolitik, die sich auf die Leistung der russischen Wirtschaft und damit indirekt auf die Einnahmen der Russischen Föderation auswirkt. Daraus folgt, dass zu Recht davon ausgegangen werden konnte, dass die von der Klägerin für die Zentralbank der Russischen Föderation erbrachten Dienstleistungen es der russischen Regierung indirekt ermöglichten, Ressourcen zu mobilisieren.
105 Wie der Rat viertens zu Recht feststellt, trägt die Klägerin angesichts ihrer wichtigen, die Effizienz der Finanzmärkte stärkenden Rolle für das russische Finanzsystem dazu bei, Investitionen für Russland zu gewinnen, wodurch sie das Wirtschaftswachstum fördert und demzufolge der russischen Regierung indirekt ermöglicht, Ressourcen zu mobilisieren.
106 Nach alledem ist festzustellen, dass der Rat keinen Beurteilungsfehler begangen hat, als er davon ausging, dass die Klägerin die Tätigkeiten, politischen Maßnahmen und Mobilisierung der Ressourcen der russischen Regierung unterstütze. In Anbetracht der Bedeutung der von der Klägerin sowohl für diese Regierung als auch für die Zentralbank der Russischen Föderation erbrachten Finanzdienstleistungen und ihres allgemeineren Beitrags zum ordnungsgemäßen Funktionieren des russischen Finanzsystems ist festzustellen, dass der Rat davon ausgehen durfte, dass die Klägerin der Regierung der Russischen Föderation sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht eine erhebliche materielle oder finanzielle Unterstützung gewährt hat, die es dieser ermöglichte, ihre finanziellen Mittel zu mobilisieren, um ihre Handlungen zur Destabilisierung der Ukraine fortzusetzen.
107 Der erste Teil des zweiten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.
e) Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes: Die Klägerin werde nicht von der russischen Regierung kontrolliert
108 Die Klägerin bestreitet, dass sie von der russischen Regierung kontrolliert werde. Sie trägt vor, dass die MOEX und sie selbst eigenständige rechtliche Einheiten seien und der Rat nicht nachgewiesen habe, dass sie von der MOEX kontrolliert werde. Außerdem sei die Regierung nicht in der Lage, die MOEX in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht zu kontrollieren.
109 Der Rat, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.
110 Es ist festzustellen, dass das in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f des geänderten Beschlusses 2014/145 vorgesehene Kriterium der materiellen oder finanziellen Unterstützung der Regierung nicht den Nachweis erfordert, dass die Regierung eine Kontrolle über die Person, Organisation oder Einrichtung ausübt, die sie unterstützt.
111 Da die Prüfung des ersten Teils ergibt, dass der Rat über eine hinreichende tatsächliche Grundlage verfügte und keinen Beurteilungsfehler beging, als er feststellte, dass die Klägerin die russische Regierung materiell oder finanziell unterstützte, stellt die Feststellung, dass die Klägerin von dieser Regierung kontrolliert werde, einen zusätzlichen kontextuellen Gesichtspunkt dar, der für die Rechtfertigung ihrer Aufnahme in die streitigen Listen nicht ausschlaggebend sein kann.
112 Daraus folgt, dass das Vorbringen der Klägerin, mit dem sie die Stichhaltigkeit dieser Feststellung in Abrede stellt, ins Leere geht und zurückzuweisen ist.
113 Der zweite Teil des zweiten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.
f) Zum dritten Teil des zweiten Klagegrundes: Fehlen einer hinreichenden Verbindung zwischen der Klägerin und der russischen Regierung
114 Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass aus den angefochtenen Rechtsakten nicht hervorgehe, inwiefern die gegen sie verhängten restriktiven Maßnahmen gegen die Russische Föderation ergriffen worden seien.
115 Der Rat, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.
116 Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin auf der Grundlage des in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f des geänderten Beschlusses 2014/145 vorgesehenen Kriteriums der materiellen oder finanziellen Unterstützung der Regierung in die streitigen Listen aufgenommen wurde. Aus der Prüfung des ersten Teils des vorliegenden Klagegrundes geht hervor, dass der Rat über ein Bündel von hinreichend konkreten, genauen und übereinstimmenden Indizien verfügte, um die Aufnahme der Klägerin in diese Listen auf der Grundlage dieses Kriteriums zu rechtfertigen. Daraus folgt, dass der Rat eine ausreichende Verbindung zwischen der Klägerin und der Russischen Föderation festgestellt hat. Eine zusätzliche Verbindung, die über die – in dem auf die Klägerin angewandten Aufnahmekriterium vorgesehene – materielle oder finanzielle Unterstützung hinausgeht, muss nicht nachgewiesen werden.
117 Folglich ist der dritte Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.
118 Der zweite Klagegrund und – in Anbetracht der Erwägungen oben in den Rn. 46 und 47 – der vierte Klagegrund sind daher in vollem Umfang zurückzuweisen.
3. Zum dritten Klagegrund: u nverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte
119 Die Klägerin macht geltend, dass die angefochtenen Handlungen ihre unternehmerische Freiheit und ihr Eigentumsrecht verletzten, die in den Art. 16 und 17 der Charta garantiert seien. Sie ist der Ansicht, dass die angefochtenen Rechtsakte sie an der freien Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit und an der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden hinderten, was ihre unternehmerische Freiheit und ihr Eigentumsrecht verletze.
120 Darüber hinaus ist die Klägerin der Ansicht, dass die angefochtenen Rechtsakte den Wesensgehalt ihrer in den Art. 16 und 17 der Charta garantierten Rechte antasteten. Die in Rede stehenden Maßnahmen seien für die vom Rat verfolgten Ziele weder geeignet noch erforderlich. Ferner ist sie der Ansicht, dass der Rat weder nachgewiesen habe, dass die in Rede stehenden Maßnahmen das am wenigsten belastende Mittel zur Erreichung des verfolgten Ziels gewesen seien, noch, dass keine weniger belastenden Maßnahmen hätten getroffen werden können.
121 Außerdem stünden die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen in keinem ausreichenden Zusammenhang mit den verfolgten Zielen, und es könne nicht akzeptiert werden, dass diese Maßnahmen allein deshalb gegen nicht vom Staat kontrollierte Unternehmen gerichtet werden könnten, weil diese in einem wichtigen Wirtschaftssektor tätig seien.
122 Die Klägerin macht ferner geltend, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen die Grundrechte ihrer Kunden verletzten, denen dadurch die Verfügung über ihre Wertpapiere entzogen werde, die die Klägerin treuhänderisch auf ihren eingefrorenen Konten bei in der Union ansässigen Wertpapierverwahrstellen halte.
123 Der Rat, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.
124 Es sei daran erinnert, dass die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht in Art. 16 bzw. Art. 17 der Charta verankert sind.
125 Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass die vom Kläger geltend gemachten Grundrechte nicht uneingeschränkt gelten und ihre Ausübung Beschränkungen unterworfen werden kann, die durch die dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen der Union gerechtfertigt sind, sofern die Beschränkungen tatsächlich diesen dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen entsprechen und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antasten würde (Urteile vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 148, und vom 25. Juni 2020, VTB Bank/Rat, C‑729/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:499, Rn. 80).
126 Um mit dem Unionsrecht vereinbar zu sein, muss eine Beeinträchtigung der betreffenden Grundrechte gesetzlich vorgesehen sein, den Wesensgehalt dieser Rechte achten, einer als solche von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung entsprechen und verhältnismäßig sein (vgl. Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 222 und die dort angeführte Rechtsprechung).
127 Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die angefochtenen Rechtsakte einen unverhältnismäßigen Eingriff in die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht darstellen.
128 Als Erstes ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, mit dem sie geltend macht, dass die gegen sie ergriffenen restriktiven Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen ihrer Kunden in Höhe von etwa 1,479 Mrd. Euro und damit zu einer Verletzung des Eigentumsrechts dieser Kunden geführt hätten.
129 Hierzu ist festzustellen, dass sich die Klägerin im Rahmen ihrer Nichtigkeitsklage nicht auf ein Eigentumsrecht berufen kann, dessen Inhaber sie nicht ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2022, Anglo Austrian AAB und Belegging-Maatschappij „Far-East“/EZB, T‑797/19, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2022:389, Rn. 285). Nach der Rechtsprechung kann nämlich die Verletzung eines subjektiven Rechts nur von der Person geltend gemacht werden, deren Recht angeblich verletzt wurde, nicht aber von Dritten (vgl. entsprechend Urteil vom 19. September 2019, Zhejiang Jndia Pipeline Industry/Kommission, T‑228/17, EU:T:2019:619, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, haben ihre Mandanten im vorliegenden Fall die Möglichkeit, Rechtsbehelfe bei nationalen Gerichten einzulegen, vor denen sie insbesondere eine Verletzung ihres in Art. 17 der Charta verankerten Eigentumsrechts geltend machen können.
130 Was darüber hinaus das Argument der Klägerin betrifft, dass die in Art. 2 Abs. 15 des geänderten Beschlusses 2014/145 und in Art. 6b Abs. 5 der geänderten Verordnung Nr. 269/2014 vorgesehene Ausnahmeregelung es ihren Kunden nicht ermöglicht habe, die Freigabe ihrer eingefrorenen Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen zu erreichen, weil die nationalen Behörden untätig geblieben seien oder zu restriktive Bedingungen auferlegt hätten, ist festzustellen, dass die Klägerin mit diesem Argument in Wirklichkeit nicht die Rechtmäßigkeit der vom Rat angenommenen Ausnahmeregelung, sondern die Rechtmäßigkeit der von den nationalen Behörden im Rahmen der Umsetzung dieser Bestimmung ergriffenen Maßnahmen in Abrede stellt.
131 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Gericht nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV nicht befugt ist, die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen nationaler Behörden oder von Urteilen nationaler Gerichte zu überprüfen (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 5. Oktober 1983, Chatzidakis Nevas/Juristenkasse, Athen, 142/83, EU:C:1983:267, Rn. 4, und vom 24. August 2010, Grúas Abril Asistencia/Kommission, T‑386/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:331, Rn. 28). Nach gefestigter Rechtsprechung obliegt nämlich die Kontrolle der Gültigkeit nationaler Maßnahmen zur Durchführung von Handlungen der Union allein den nationalen Gerichten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 1996, Branco/Kommission, T‑271/94, EU:T:1996:103, Rn. 53, und vom 14. April 2016, Ben Ali/Rat, T‑200/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:216, Rn. 268).
132 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die zuständige nationale Behörde, wenn sie gemäß den im geänderten Beschluss 2014/145 und in der geänderten Verordnung Nr. 269/2014 vorgesehenen Ausnahmeregelungen über einen Antrag auf Freigabe eingefrorener Gelder entscheidet, Unionsrecht umsetzt. Daher ist sie bei der Ausübung ihres Ermessens gemäß Art. 51 Abs. 1 der Charta gehalten, diese zu beachten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juni 2014, Peftiev, C‑314/13, EU:C:2014:1645, Rn. 24, und vom 14. April 2016, Ben Ali/Rat, T‑200/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:216, Rn. 266).
133 Daraus folgt, dass die nationalen Behörden im Hinblick auf die Kunden der Klägerin, gegen die keine restriktiven Maßnahmen ergriffen wurden und deren Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen infolge der gegenüber der Klägerin ergriffenen restriktiven Maßnahmen eingefroren wurden, bei der Prüfung eines Antrags auf Freigabe dieser Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen prüfen müssen, ob der Eingriff in das Eigentumsrecht dieser Kunden die Voraussetzungen von Art. 52 der Charta erfüllt.
134 Als Zweites ist festzustellen, dass die Klägerin durch die auf sie angewandten restriktiven Maßnahmen in ihrer unternehmerischen Freiheit sowie in ihrem Eigentumsrecht an ihren bei in der Union ansässigen Finanzinstituten verwahrten Eigenmitteln oder wirtschaftlichen Ressourcen eingeschränkt wird. Es ist daher zu prüfen, ob die oben in Rn. 126 angeführten Voraussetzungen für die Rechtfertigung eines Eingriffs in ihre Grundrechte erfüllt sind.
135 Erstens ist festzustellen, dass die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen gesetzlich vorgesehen sind, da sie in Rechtsakten festgelegt sind, die insbesondere allgemeine Geltung haben und für die es eine eindeutige Rechtsgrundlage im Unionsrecht gibt, nämlich Art. 29 EUV bzw. Art. 215 AEUV.
136 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die ergriffenen restriktiven Maßnahmen dazu führen, dass die Eigenmittel oder wirtschaftlichen Ressourcen der Klägerin zu Sicherungszwecken eingefroren werden. Wie in Art. 6 des Beschlusses 2014/145 vorgesehen, gelten die angefochtenen Rechtsakte darüber hinaus für sechs Monate und werden fortlaufend überprüft. Da diese Maßnahmen befristet und reversibel sind, ist davon auszugehen, dass sie den Wesensgehalt der unternehmerischen Freiheit und des Eigentumsrechts der Klägerin nicht beeinträchtigen. Es ist festzustellen, dass die Klägerin keine substantiierte Argumentation vorgebracht hat, die dieses Ergebnis in Frage stellen könnte.
137 Drittens entsprechen die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen einem dem Gemeinwohl dienenden Ziel, das von der Union als solches anerkannt wird und geeignet ist, selbst erhebliche negative Konsequenzen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 150). Denn mit den in Rede stehenden Maßnahmen soll Druck auf die russischen Behörden ausgeübt werden, damit sie ihre Handlungen und Politiken beenden, die die Ukraine destabilisieren. In diesem Zusammenhang beabsichtigte der Rat im Februar 2022, die russische Wirtschaft strategisch zu schwächen, indem er einerseits namentlich die Finanzierung der Russischen Föderation, ihrer Regierung und ihrer Zentralbank verbot und andererseits entsprechende Maßnahmen insbesondere in den Bereichen Finanzen, Verteidigung und Energie traf. Darüber hinaus geht aus dem elften Erwägungsgrund des Beschlusses 2022/329 hervor, dass der Rat der Ansicht war, angesichts der sehr ernsten Lage in der Ukraine sollten die Kriterien für die Benennung geändert werden. Daher ist es offensichtlich, dass die Union bestrebt ist, die russischen Staatseinnahmen zu schmälern und Druck auf die russische Regierung auszuüben, um deren Fähigkeit zur Finanzierung von Handlungen zu verringern, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben, und um diese Handlungen im Hinblick auf die Wahrung der Stabilität Europas und der Welt zu beenden. Es handelt sich hierbei um eines der Ziele, die im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik verfolgt werden und auf die in Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und c EUV Bezug genommen wird, wie etwa den Frieden zu erhalten, Konflikte zu verhüten und die internationale Sicherheit zu stärken.
138 Viertens ist zu prüfen, ob die Beschränkung der unternehmerischen Freiheit und des Eigentumsrechts der Klägerin in Bezug auf ihre Eigenmittel oder wirtschaftlichen Ressourcen in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit den restriktiven Maßnahmen verfolgten Ziel steht.
139 Was zunächst die Geeignetheit der restriktiven Maßnahmen gegen die Klägerin betrifft, so ist im Hinblick auf dem Gemeinwohl dienende Zielsetzungen, die für die Völkergemeinschaft derart grundlegend sind wie die Erhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit, darauf hinzuweisen, dass diese Maßnahmen für sich genommen nicht als unangemessen angesehen werden können (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 2. Dezember 2020, Kalai/Rat, T‑178/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:580, Rn. 171 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Urteil vom 3. Februar 2021, Boshab/Rat, T‑111/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:54, Rn. 150 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall kann die Klägerin nicht geltend machen, dass die gegen sie ergriffenen restriktiven Maßnahmen wegen eines unzureichenden Zusammenhangs mit dem mit den angefochtenen Maßnahmen verfolgten Ziel ungeeignet seien, da sie deshalb in die streitigen Listen aufgenommen worden sei, weil sie in einem wichtigen Sektor der russischen Wirtschaft tätig sei. Da das Ziel der angefochtenen Rechtsakte darin besteht, die russischen Staatseinnahmen zu schmälern und Druck auf die russische Regierung auszuüben, um deren Fähigkeit zur Finanzierung von Handlungen zu verringern, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben, steht das Abzielen auf Wirtschaftsteilnehmer, die – wie die Klägerin – die russische Regierung materiell oder finanziell unterstützten, mit diesem Ziel in Einklang und kann demzufolge nicht als ungeeignet in Bezug auf das verfolgte Ziel angesehen werden (vgl. entsprechend Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 147).
140 Was sodann die Erforderlichkeit der restriktiven Maßnahmen betrifft, so macht die Klägerin zwar geltend, dass die verfolgten Ziele mit weniger belastenden alternativen Maßnahmen hätten erreicht werden können, doch ist festzustellen, dass sie keine weniger belastenden alternativen Maßnahmen anführt und nicht nachweist, dass der Rat den Erlass weniger belastender Maßnahmen hätte in Betracht ziehen können, die ebenso geeignet gewesen wären wie die in den angefochtenen Rechtsakten vorgesehenen. Wie der Rat ausführt, ist jedoch bereits entschieden worden, dass alternative und weniger belastende Maßnahmen, z. B. ein System einer vorherigen Erlaubnis oder eine Verpflichtung, die Verwendung der gezahlten Beträge nachträglich zu belegen, es – namentlich in Anbetracht der Möglichkeit einer Umgehung der auferlegten Beschränkungen – nicht ermöglichen, das angestrebte Ziel ebenso wirksam zu erreichen (Urteile vom 30. November 2016, Rotenberg/Rat, T‑720/14, EU:T:2016:689, Rn. 182, und vom 1. Juni 2022, Prigozhin/Rat, T‑723/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:317, Rn. 136).
141 Schließlich zeigt die Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen, dass die Nachteile der restriktiven Maßnahmen für die Klägerin in Anbetracht der vorrangigen Bedeutung der Erhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit nicht unverhältnismäßig sind.
142 Wie der Rat und die Kommission festgestellt haben, beschränken sich die Wirkungen der restriktiven Maßnahmen nämlich auf das Gebiet der Union, so dass sie allenfalls einen Teil der Eigenmittel oder wirtschaftlichen Ressourcen der Klägerin betreffen und diese nicht daran hindern, ihre Tätigkeiten in dem Land, in dem sie niedergelassen ist, oder in anderen Drittländern auszuüben.
143 Ferner ist festzustellen, dass die restriktiven Maßnahmen die Klägerin zwar daran hindern, ihre eigenen Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen zu verwenden, ihr jedoch nicht das Recht nehmen, gemäß Art. 2 Abs. 6 Buchst. a des Beschlusses 2014/145 und Art. 7 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 269/2014 die Zinsen oder sonstigen Erträge ihrer eingefrorenen Konten, auf denen diese Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen verwahrt werden, zu vereinnahmen, sofern alle diese Zinsen und sonstigen Erträge ebenfalls eingefroren werden.
144 Darüber hinaus sehen die angefochtenen Rechtsakte Ausnahmeregelungen vor, die es den nationalen Behörden ermöglichen, die Freigabe bestimmter Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen zu genehmigen. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 269/2014 sieht nämlich die Möglichkeit vor, die Verwendung eingefrorener Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen zur Deckung der Grundbedürfnisse der in den streitigen Listen aufgeführten juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen, zur Erstattung von Ausgaben für die Erbringung juristischer Dienstleistungen, zur Bezahlung von Gebühren oder Kosten für die routinemäßige Verwahrung oder Verwaltung eingefrorener Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen und zur Zahlung außergewöhnlicher Ausgaben zu genehmigen.
145 Außerdem sehen Art. 2 Abs. 5 des Beschlusses 2014/145 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 269/2014 die Möglichkeit vor, bestimmte Eigenmittel oder wirtschaftliche Ressourcen der Klägerin freizugeben, um ihr zu ermöglichen, Zahlungen aufgrund eines Vertrags oder einer Vereinbarung zu leisten, der bzw. die vor dem Zeitpunkt eingegangen wurde, zu dem sie in die streitigen Listen aufgenommen wurde.
146 Daraus folgt, dass der Eingriff in die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht der Klägerin nicht als unverhältnismäßig angesehen werden kann.
147 Das übrige Vorbringen der Klägerin ist nicht geeignet, diese Schlussfolgerung in Frage zu stellen.
148 Erstens ist in Bezug auf das Vorbringen, mit dem im Wesentlichen geltend gemacht wird, der Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Klägerin sei umso schwerer, als es ihr angeblich unmöglich gewesen sei, ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden nachzukommen, weil die Ausnahmeregelungen es ihr nicht ermöglicht hätten, ihren Kunden die auf ihren eingefrorenen Konten gehaltenen Wertpapiere zurückzugewähren, zunächst die in Art. 2 Abs. 5 des Beschlusses 2014/145 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 269/2014 vorgesehene Ausnahmeregelung, dann die in Art. 2 Abs. 19 des geänderten Beschlusses 2014/145 und in Art. 6b Abs. 5 der geänderten Verordnung Nr. 269/2014 vorgesehene Ausnahmeregelung zu prüfen.
149 Zum einen ist festzustellen, dass nach der Ausnahmeregelung in Art. 2 Abs. 5 des Beschlusses 2014/145, die zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Rechtsakte galt, das Einfrieren von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen einer Person, Organisation oder Einrichtung eine solche Person, Organisation oder Einrichtung nicht daran hindert, Zahlungen aufgrund eines Vertrags zu leisten, der vor dem Zeitpunkt eingegangen wurde, zu dem eine solche natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung in die Liste im Anhang dieses Beschlusses aufgenommen wurde, sofern der jeweilige Mitgliedstaat festgestellt hat, dass die Zahlung weder unmittelbar noch mittelbar von einer in diese Liste aufgenommenen natürlichen oder juristischen Person, Organisation oder Einrichtung entgegengenommen wird.
150 Somit können die nationalen Behörden nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 269/2014 die Freigabe bestimmter eingefrorener Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen einer Person, Organisation oder Einrichtung genehmigen, wenn sie festgestellt haben, dass – wie sich aus Buchst. a dieser Bestimmung ergibt – diese Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen für eine von dieser Person, Einrichtung oder Organisation geschuldete Zahlung verwendet werden sollen und – wie sich aus Buchst. b dieser Bestimmung ergibt – die zu leistende Zahlung nicht gegen das in Art. 2 Abs. 2 der Verordnung vorgesehene Verbot verstößt, den in die streitigen Listen aufgenommenen Personen, Organisationen oder Einrichtungen oder mit diesen in Verbindung stehenden Personen, Organisationen oder Einrichtungen unmittelbar oder mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
151 Es ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Gelder“ in Art. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 269/2014 weit definiert ist, da er „finanzielle Vermögenswerte und Vorteile jeder Art“ betrifft. Dasselbe gilt für den in Art. 1 Buchst. d dieser Verordnung definierten Begriff „wirtschaftliche Ressourcen“, der „Vermögenswerte jeder Art, unabhängig davon, ob sie materiell oder immateriell, beweglich oder unbeweglich sind, bei denen es sich nicht um Gelder handelt, die aber für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können“ umfasst. Da Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen freigegeben werden können, um eine Person, Organisation oder Einrichtung in die Lage zu versetzen, eine „Zahlung“ aufgrund eines Vertrags oder einer Vereinbarung mit einem Dritten zu leisten, der bzw. die vor der Aufnahme in die streitigen Listen eingegangen wurde, muss der Begriff der Zahlung notwendigerweise weit ausgelegt werden und kann nicht auf Zahlungen in Form der Übertragung eines Geldbetrags beschränkt werden. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, stünde eine enge Auslegung des Begriffs „Zahlung“ nämlich im Widerspruch zu der Möglichkeit, Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen – in ihrer weiten Definition – freizugeben, um eine Zahlung zu tätigen.
152 Daraus folgt, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Rechtsakte die in Art. 2 Abs. 5 des Beschlusses 2014/145 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 269/2014 vorgesehene Ausnahmeregelung es den nationalen Behörden erlaubte, eine Freigabe von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen der Klägerin zu genehmigen, um ihr eine Zahlung in Form einer Rückgabe der Wertpapiere ihrer Kunden zu ermöglichen, die sie auf ihren eingefrorenen Konten bei in der Union ansässigen Wertpapierverwahrstellen hielt.
153 Entgegen dem Vorbringen des Rates und der Kommission steht Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 269/2014 im Rahmen der Transaktionen, die die Klägerin vorzunehmen hat, um gemäß der oben in Rn. 152 genannten Ausnahmeregelung ihren Kunden deren Wertpapiere zur Verfügung zu stellen, dem nicht entgegen, dass diese Kunden für die Vornahme dieser Geschäfte Gebühren oder Kosten an die Klägerin zahlen. Art. 7 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 269/2014 sieht nämlich ausdrücklich vor, dass die Klägerin Zahlungen als Gegenleistung für eine Dienstleistung erhalten kann, die in Erfüllung eines Vertrags oder einer Vereinbarung erbracht wurde, der bzw. die vor ihrer Aufnahme in die streitigen Listen eingegangen wurde, sofern diese Zahlungen der Kunden gemäß Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung eingefroren werden.
154 Zwar darf die von der Klägerin zu leistende Zahlung nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 269/2014 nicht gegen deren Art. 2 Abs. 2 verstoßen, d. h. gegen das Verbot, den in die Liste in Anhang I dieser Verordnung aufgenommenen Personen, Organisationen oder Einrichtungen oder den mit diesen in Verbindung stehenden Personen, Organisationen oder Einrichtungen Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen unmittelbar oder mittelbar zur Verfügung zu stellen. Dieses Verbot betrifft jedoch nicht die Zahlungen, die die Kunden der Klägerin gegebenenfalls an diese als Gegenleistung für die Dienstleistung im Zusammenhang mit der Rückgabe ihrer Wertpapiere in Erfüllung eines Vertrags oder Vereinbarung leisten, der bzw. die vor ihrer Aufnahme in die Liste eingegangen wurde. Mit dem Verbot soll der Klägerin untersagt werden, eine Zahlung, im vorliegenden Fall die Rückgabe eines Wertpapiers, an eine von restriktiven Maßnahmen betroffene Person zu leisten. Wie sich aus Art. 2 Abs. 5 des Beschlusses 2014/145 ergibt, in dessen Licht Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 269/2014 auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 141), bezweckt die in dieser Bestimmung der Verordnung Nr. 269/2014 enthaltene Voraussetzung die Verpflichtung der nationalen Behörden, festzustellen, dass die Zahlung weder unmittelbar noch mittelbar von einer in die streitigen Listen aufgenommenen Person, Organisation oder Einrichtung entgegengenommen wird.
155 Das Vorbringen, dass die nationalen Behörden auf die Anträge der Klägerin, die in Art. 2 Abs. 5 des Beschlusses 2014/145 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 269/2014 vorgesehene Ausnahmeregelung anzuwenden, untätig geblieben seien, kann keinen Erfolg haben. Wie oben in Rn. 131 ausgeführt, ist das Gericht im Rahmen der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV nicht befugt, die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen zu prüfen, die von den nationalen Behörden im Rahmen der Durchführung des Unionsrechts ergriffen werden.
156 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass vor dem Erlass der Fortsetzungsrechtsakte von März 2023 durch den Erlass des Beschlusses (GASP) 2022/1907 des Rates vom 6. Oktober 2022 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2022, L 259 I, S. 98) und der Verordnung (EU) 2022/1905 des Rates vom 6. Oktober 2022 zur Änderung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2022, L 259 I, S. 76) mit Art. 2 Abs. 19 des geänderten Beschlusses 2014/145 bzw. Art. 6b Abs. 5 der geänderten Verordnung Nr. 269/2014 eine Ausnahmeregelung eingeführt wurde, um die Freigabe eingefrorener Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen der Klägerin oder die Bereitstellung von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen an diese zu genehmigen, um Operationen, Verträge oder andere Vereinbarungen, die mit ihr geschlossen wurden oder an denen sie in anderer Weise beteiligt ist, bis zum 7. Januar 2023 zu beenden.
157 In der mündlichen Verhandlung hat der Rat darauf hingewiesen, dass diese Ausnahmeregelung eingeführt worden sei, um die Schwierigkeiten bei der Anwendung der in Art. 2 Abs. 5 des Beschlusses 2014/145 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 269/2014 vorgesehenen Ausnahmeregelung für Transaktionen zu überwinden, die es der Klägerin ermöglichen sollten, ihren Kunden deren Wertpapiere, die die Klägerin auf ihren eingefrorenen Konten bei in der Union ansässigen Wertpapierverwahrstellen halte, zurückzugewähren.
158 Aus dem Wortlaut der in Art. 2 Abs. 19 des geänderten Beschlusses 2014/145 und Art. 6b Abs. 5 der geänderten Verordnung Nr. 269/2014 vorgesehenen Ausnahmeregelung ergibt sich, dass diese die Bedingungen festlegt, unter denen die nationalen Behörden die Freigabe von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen der Klägerin genehmigen können, um ihren Kunden zu ermöglichen, deren auf den eingefrorenen Konten der Klägerin verwahrte Wertpapiere zurückzuerhalten. Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin nicht die Rechtmäßigkeit dieser Ausnahmeregelung, sondern die Rechtmäßigkeit der von den nationalen Behörden im Rahmen ihrer Umsetzung ergriffenen Maßnahmen in Abrede stellt. Wie oben in Rn. 131 ausgeführt, ist das Gericht im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV jedoch nicht befugt, die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen zu prüfen, die von den nationalen Behörden zur Durchführung des Unionsrechts ergriffen wurden.
159 Außerdem ist festzustellen, dass durch den Erlass des Beschlusses (GASP) 2023/1218 des Rates vom 23. Juni 2023 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2023, L 159 I, S. 526) und der Verordnung (EU) 2023/1215 des Rates vom 23. Juni 2023 zur Änderung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2023, L 159 I, S. 330) in Art. 2 Abs. 25 des geänderten Beschlusses 2014/145 bzw. in Art. 6b Abs. 5a der geänderten Verordnung Nr. 269/2014 eine zusätzliche Ausnahmeregelung eingeführt wurde. Nach Art. 2 Abs. 25 des geänderten Beschlusses 2014/145 konnten die nationalen Behörden unter bestimmten Bedingungen Staatsangehörigen oder Gebietsansässigen eines Mitgliedstaats oder einer in der Union niedergelassenen Organisation bis zum 24. Dezember 2023 genehmigen, ein Aktienzertifikat, dem russische Wertpapiere zugrunde liegen und das bei der Klägerin gehalten wird, umzuwandeln, um das zugrunde liegende Wertpapier zu veräußern und die mit der Umwandlung des Aktienzertifikats und der Veräußerung der zugrunde liegenden Wertpapiere verbundenen Gelder auf direktem oder indirektem Weg der Klägerin zur Verfügung zu stellen.
160 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Klägerin weder in Bezug auf die ursprünglichen Rechtsakte noch in Bezug auf die Fortsetzungsrechtsakte von März 2023 und September 2023 einen etwaigen zusätzlichen Eingriff in ihre unternehmerische Freiheit geltend machen kann, der darauf gestützt wird, die im Beschluss 2014/145 und in der Verordnung Nr. 269/2014 vorgesehenen Ausnahmeregelungen hätten es ihr nicht ermöglicht, die Wertpapiere ihrer Kunden, die sie auf ihren eingefrorenen Konten bei in der Union ansässigen Verwahrstellen halte, zurückzugewähren.
161 Zweitens kann die Klägerin nicht geltend machen, dass die Anwendung der gegen sie ergriffenen restriktiven Maßnahmen unverhältnismäßig sei, weil sie keine Zuwiderhandlung begangen habe. Bei den restriktiven Maßnahmen handelt es sich nämlich um gezielte Präventivmaßnahmen, die gemäß Art. 21 Abs. 2 Buchst. c EUV u. a. auf die Erhaltung des Friedens, die Konfliktverhütung und die Stärkung der internationalen Sicherheit abzielen. Darüber hinaus zielen die Bestimmungen des Beschlusses 2014/145 weder darauf ab, die Wiederholung eines bestimmten Verhaltens zu bestrafen, noch es zu verhindern. Diese Maßnahmen dienen ausschließlich dem Zweck, die Vermögenswerte, die sich im Besitz der in Art. 2 Abs. 1 dieses Beschlusses genannten Personen, Organisationen und Einrichtungen befinden, im Einklang mit den in Art. 21 Abs. 2 Buchst. c EUV genannten Zielen sicherzustellen (vgl. entsprechend Urteil vom 15. Februar 2023, Belaeronavigatsia/Rat, T‑536/21, EU:T:2023:66, Rn. 34 und 35).
162 Drittens ist unter der Annahme, dass die Klägerin geltend macht, der Rat habe durch den Erlass der angefochtenen Rechtsakte in die Zuständigkeiten der Union im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik eingegriffen, darauf hinzuweisen, dass der Rat zur Erreichung der in Art. 21 Abs. 2 Buchst. c EUV genannten Ziele auf der Grundlage der Bestimmungen der Verträge über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, insbesondere von Art. 29 EUV und Art. 215 Abs. 2 AEUV, befugt ist, restriktive Maßnahmen gegen natürliche oder juristische Personen sowie Gruppierungen oder nicht staatliche Einheiten zu erlassen. Darüber hinaus schließen sich die Zuständigkeiten der Union im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und nach anderen Bestimmungen des AEU-Vertrags, wie etwa der Gemeinsamen Handelspolitik, nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich, da jede ihren eigenen Anwendungsbereich hat und zur Erreichung unterschiedlicher Ziele dient (vgl. entsprechend Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 61). Im vorliegenden Fall betreffen die mit den angefochtenen Rechtsakten verfolgten Ziele jedoch nicht die Gemeinsame Handelspolitik, sondern die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Daher kann die Klägerin nicht geltend machen, dass der Rat mit dem Erlass restriktiver Maßnahmen, die sie beträfen, in die Zuständigkeit der Union im Bereich der Gemeinsamen Handelspolitik eingegriffen habe.
163 Folglich ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.
164 Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
V. Kosten
165 Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Rates ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates aufzuerlegen.
166 Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Im vorliegenden Fall trägt die Kommission ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die NKO AO National Settlement Depository (NSD) trägt ihre eigenen Kosten sowie die dem Rat der Europäischen Union entstandenen Kosten.
3. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. September 2024.
Unterschriften